Aravind Adiga

Der weiße Tiger

Roman
Cover: Der weiße Tiger
C.H. Beck Verlag, München 2008
ISBN 9783406576911
Gebunden, 319 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Balram Halwai ist ein ungewöhnlicher Ich-Erzähler: Diener, Philosoph, Unternehmer, Mörder. Im Verlauf von sieben Nächten und in der Form eines Briefes an den chinesischen Ministerpräsidenten erzählt er uns die schreckliche und zugleich faszinierende Geschichte seines Erfolges - der ihm keineswegs in die Wiege gelegt war.
Balram - der "weiße Tiger" - kommt aus einem Dorf im Herzen Indiens. Seine düsteren Zukunftsaussichten hellen sich auf, als er, der klügste Junge im Dorf, als Fahrer für den reichsten Mann am Ort engagiert wird und mit ihm nach Delhi kommt. Hinter dem Steuer eines Honda City entdeckt Balram - und wir mit ihm - eine neue Welt. Balram sieht, wie seinesgleichen, die Diener, aber auch ihre reichen Herren mit ihrer Jagd nach Alkohol, Geld, Mädchen und Macht den Großen Hühnerkäfig der indischen Gesellschaft in Gang halten. Durch Balrams Augen sehen wir das Indien der Kakerlaken und Call Center, der Prostituierten und Gläubigen, der alten Traditionen und der Internetcafes, der Wasserbüffel und des mysteriösen "weißen Tigers". Mit seinem ebenso unwiderstehlichen wie unerwarteten Charisma erzählt uns Balram von seiner Flucht aus dem Hühnerkäfig, dem Sklavendasein - eine Flucht, die ohne Blutvergießen nicht möglich ist. Keine Saris, keine exotischen Düfte und Gewürze, keine Tabla-Musik und Maharadschas - dies ist das Indien von heute. Und mehr als das: In seiner Kritik am Sklavendasein ist es ein Angriff der dritten auf die erste Welt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.07.2009

Aravind Adigas "Weißer Tiger" hat nach seinem Booker-Preis im letzten Jahr für internationale Furore gesorgt und ist auch in Deutschland bestens gelaufen. Die Literaturwissenschaftlerin Clauda Wenner kommt in einer Sammelbesprechung sozialkritischer Literatur aus Indien noch einmal darauf zurück. Der Schelmenroman gibt sich als Brief eines skrupellosen Aufsteigers an den chinesischen Ministerpräsidenten, welchem der Erzähler den indischen Kapitalismus erklärt, aber er findet nicht die Gnade der Literaturwissenschaftlerin. Vergnüglich sei die Lektüre dieses Wegs "vom Hühnerkäfig in die Freiheit" durchaus, aber Wenner ist verstimmt, weil ihr in der Rollenprosa des Erzählers allzu aufdringlich die Intentionen des Autors durchschimmern. Der Held findet nicht die ihm gemäße Sprache, urteilt Wenner, die den Roman darum eher als "satirischen Essay" betrachten will.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.11.2008

Allerhöchsten Lesegenus hat dieses gefeierte Romandebüt Rezensentin Shirin Soijitrwalla beschert, dessen "stupender Witz" und schwarzer Humor sie ebenso begeistert hat, wie der Blick in Indiens schwarze Seele. Man könne den Roman aber auch als "wahnsinnig schräge Gebrauchsanweisung für Indien" lesen, findet Soijitrawalla. Es handelt sich, wie sie schreibt, um eine Art Schelmenroman, der von Aravind Adigas Protagonisten in sieben Emails scheherezadehaft erzählt werde: eine, mit einem Mord garnierte, unglaubliche Aufsteigergeschichte aus den Sümpfen des Kastensystems in die Gegenwart. Adigas Indien erscheint der Rezensentin im Roman "wohltuend unspirituell", und selbst "der gute Gandhi" grinse nur noch höchst "zahnlos" von der Wand. Dafür bevölkerten nun jede Menge "mit Betelsaft um sich spuckenden" Figuren das "rotzfreche" und "respektlose" Buch, Leute, die nur noch Geld im Kopf hätten. Die Rezensentin schreibt auch, dass der Roman in Indien selbst sehr umstritten ist, kratze er doch arg "am polierten Image der aufstiegswilligen Nation".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.11.2008

Als ”Mordsgeschichte”, ”finstere Satire” und ”Umkehrung eines Bildungsromans” hat Rezensentin Susanne Mayer diesen Booker-preisgekrönten Debütroman gelesen, der ihren Informationen zufolge die Geschichte eines Dorfjungen aus ärmsten Verhältnissen erzählt, der sich in der Stadt eine Existenz aufbaut: ein Weg aus der Unschuld in die Amoralität, wie die Rezensentin schreibt, und zwar so ”unverschämt, finster” wie ”schreiend komisch”. Die Geschichte werde in sieben E-Mails erzählt, die der Protagonist an den chinesischen Premierminister schreibt und in denen die Rezensentin eine ”ausufernde Lebensgeschichte” sich entfalten sieht. Auch ließt sie, gelegentlich mit schaudernder Faszination, die komischen, manchmal quälenden Szenen, die Aravind Adiga seinen Protagonisten aus der ”Froschperspektive des Dieners” aus der Welt der Herrschenden beschreiben lässt, dessen Underdog-Sein ihn schließlich seinen Herren ermorden lässt: für die Rezensentin wohl auch eine Parabel auf das Verhältnis der Dritten Welt zur Ersten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.10.2008

Alex Rühle ist hingerissen von Aravind Adigas Debütroman, wenn auch aus anderen Gründen als denen, die Michael Portillo bei der Booker-Preis-Verleihung für "Der weiße Tiger" genannt hat. Als indischer Brief- und Schelmenroman kommt das Buch daher, darin schreibt der aus ärmlichsten Verhältnissen stammende indische Unternehmer Balram an den chinesischen Premierminister, um ihm seine erfolgreiche Unternehmensgeschichte zu erzählen; vorher hat er als Fahrer in einem "dialektisch-verfilzten" Herr-Diener-Verhältnis für eine reiche Familie gearbeitet und so kommt es, dass er als Untergebener und Zeuge intimer Unterhaltungen mit scheinbar naivem Blick die indische Wirklichkeit zwischen Arm und Reich, Rückständig und Modern, porträtiert, fasst der Rezensent zusammen. Dass hier erstmals aus der Sicht eines "einfachen Inders" erzählt werde, wie Portillo pries, kann Rühle mit Hinweis auf Autoren wie Tyref Altewala oder Shashi Tharoor nicht gelten lassen. Aber der "helle, knappe Sarkasmus", mit dem Adiga die indischen Verhältnisse taxiert, machen den enormen Reiz dieser Geschichte aus, so der Rezensent begeistert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.08.2008

Fulminant, ruft Rezensent Oliver Jungen, Dialektik der Aufklärung auf Indisch! Die in Aravind Adigas Roman am Aufstieg und Fall eines Zuckerbäckers vorgeführte Kollision von Kastenwesen und Kapitalismus geht für Jungen über den Schelmenroman hinaus und erinnert ihn seiner gesellschaftlichen Bezüge wegen eher an Ralph Ellisons "Der unsichtbare Mann" als an "Felix Krull". Imponiert hat Jungen aber nicht nur das Dialektische, das der Autor am Ende der Geschichte noch einmal ordentlich anpeitscht, indem er seinen Helden schließlich selbst als das Problem darstellt, das der Roman ausbreitet. Wie Adiga erzählt, hat Jungen gleichfalls gefangen genommen: Souverän, mit detailreichem, "beinahe ethnologischem" Blick und doch auch mit Sinn fürs Ganze. Und mittels eines Ich-Erzählers, der beim Rezensenten Sympathie und Antipathie gleichermaßen zu wecken imstande ist.
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