Bettina Hitzer

Krebs fühlen

Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts
Cover: Krebs fühlen
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020
ISBN 9783608964592
Gebunden, 540 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Die Diagnose "Krebs" war früher ein Todesurteil. Heute ist dies nicht mehr der Fall. Es dauerte lange, bis Ärzte, Krankenschwestern, Krebspatienten und ihre Angehörigen sich auf ihre Gefühle einließen, die Krebskrankheiten auslösen: Zuversicht, Lebensangst, Lebensfreude, Verzweiflung, Mut, Trauer, Leid, Apathie. Bettina Hitzer schildert, wie es zu dieser Gefühlsrevolution in Medizin und Gesellschaft kam. Konfrontiert mit Krebs nehmen wir heute unseren menschlichen Körper anders wahr. Krankheit, Behinderung, Leiden und Tod empfinden wir heute ganz anders, denn wir sind fähig, unsere Gefühle auszudrücken. Heute wird in Krankenhäusern, in Reha-Zentren und bei öffentlichen Kampagnen zur Früherkennung wie auch im Vier-Augen-Gespräch empathischer mitempfunden und dies den Patienten mitgeteilt. Bettina Hitzer schildert historische Zusammenhänge zwischen Krankheit und Gefühl, die bisher kaum beachtet werden. Sie schildert diese bis heute unbemerkte Kulturgeschichte der Gefühle am Beispiel von Krebs, dem "König aller Krankheiten". Diese Revolution der Gefühle hat die Medizin grundlegend verändert und die deutsche Gesellschaft erstaunlich gewandelt. Der Mensch steht im Mittelpunkt der Humanen Medizin, die von Technik, Maschinen und Programmen unterstützt wird, ohne unser Gesundheitssystem zu beherrschen. Gefühle helfen zu überleben und im eigenen Leben anzukommen. Gerade Krebserkrankungen zeigen, dass wir dem Leben nicht mehr Tage, aber unseren Tagen mehr Leben geben können - vor allem durch das, was wir empfinden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.03.2020

Rezensentin Claudia Mäder rät zum Testen der eigenen Gefühle beim Lesen von Bettina Hitzers Versuch einer Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Sie selbst hat großes Leseglück dabei empfunden, wenn die Historikerin anhand der Krebskrankheit die Entwicklung der Gefühle verfolgt. Wie die Autorin ihren Forschungsbereich der Geschichte der Gefühle mit dem Thema Krebs kombiniert, scheint Mäder erkenntnisführend. Welche Gefühle im letzten Jahrhundert mit dem Krebs verbunden waren und wie diese sich wandelten, erfährt die Rezensentin hier ebenso, wie sie den einst behaupteten Konnex zwischen Gefühlsunterdrückung und Krebs kennenlernt und die Rolle der Angst dabei.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2020

Noch bevor diesem Buch der Leipziger Buchpreis 2020 in der Kategorie Sachbuch zuerkannt wurde, schrieb Birte Förster ihre Besprechung. Sie beginnt mit dem Beispiel ihres erkrankten Großvaters, als weder der Familie noch dem Erkrankten selbst die Diagnose mitgeteilt wurde, und so der Tod für alle sehr plötzlich kam. Genau dies sei Kern des Buches, der Blick nämlich auf den Umgang mit der Krankheit, der "Emotionsgeschichte". Es sei ein "beeindruckendes Panorama", das die Autorin hier aufzeige, findet die Kritikerin - und referiert zu großen Teilen die von der Autorin dargestellte Abfolge des Umgangs mit dem Krebs. Dabei werden nicht nur etwa bundesdeutsche Medizinkolumnen herangezogen, sondern sowohl Christa Wolfs "Nachdenken über Christa T." als auch Maxie Wander als Beispiele des DDR-Umgangs mit der Krankheit Krebs zitiert. In ihrem "fesselnden Buch", so die Kritikerin, sei es der Autorin wie nebenbei auch gelungen, klassenübergreifend die Stimmen der Betroffenen hörbar zu machen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Rezensent Joachim Müller-Jung erfährt aus Bettina Hitzers Buch nichts über das "medizinische Krebswissen", sondern darüber, wie die Emotionen in die Krebsmedizin kamen und wie sie sich veränderten. Hitzers "Gefühlsgeschichte" betrachtet laut Rezensent sowohl die Instrumentalisierung der Gefühle von Staats wegen in der DDR und im NS-Staat als auch durch die Psychosomatik. Dass es heute in der Krebsmedizin vor allem um die heilungsfördernden Potenziale von Gefühlen geht, nimmt der Rezensent mit Erleichterung zur Kenntnis.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 24.01.2020

Mit großem Interesse hat Rezensentin Susanne Billig dieses Buch der Historikerin Bettina Hitzer gelesen, die ihr hier vom emotionalen Umgang mit Krebs im Laufe des 20. Jahrhunderts erzählt. Von Hoffnung, Lüge, Schmerz, Angst und Ekel liest die Kritikerin hier ebenso wie sie erfährt, wie sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche oder politische Debatten auf den Umgang mit der Krankheit auswirkten. So lernt Billig etwa, dass Behörden und Gesundheitswesen im Nationalsozialismus an das soziale Gewissen gegenüber Volk und Staat appellierten, während man in der DDR ganz auf Optimismus in der Onkologie setzte. Die "auflockernden" biografischen Exkurse tun der ansonsten akribisch recherchierten, historischen Studie gut, findet die Rezensentin.