Bruno Latour

Wo bin ich?

Lektionen aus dem Lockdown
Cover: Wo bin ich?
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518127711
Taschenbuch, 199 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

Aus dem Franzöischen von Hans-Joachim Russer und Bernd Schwibs. Als im März 2020 wegen des Corona-Virus Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden, fanden sich viele Menschen wie verwandelt. Sie saßen zwischen ihren wohlbekannten Wänden und fragten sich: Was ist mit mir, was ist mit uns geschehen? Die wechselseitige Abhängigkeit von anderen wurde ihnen ebenso bewusst wie die von einer Umwelt, die längst keine natürliche mehr ist. In Bruno Latours Essay steht Kafkas Figur Gregor Samsa allegorisch für unsere Situation im Angesicht von Pandemie und Klimawandel. Wir sind auf dem Erdboden der Tatsachen gelandet und haben realisiert, dass es kein Zurück in die alte, von grenzenloser Mobilität und Ressourcenraubbau geprägte Normalität geben kann. Stattdessen müssen wir uns neu in jener hauchdünnen Kritischen Zone verorten, die Leben auf dem Planeten Erde ermöglicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2021

Rezensent Helmut Mauro flüchtet sich mit Bruno Latour und seinem "naiven Romanhelden", der sich die Augen reibt angesichts der Pandemie, in die "Tradition der literarischen Historie", namentlich zu Kafka und dessen Helden aus der "Verwandlung". Doch diese Flucht vor der grassierenden Dumpfheit ist nur die eine Seite des Essays, erklärt Mauro, die der Autor mit erzählerischem Geschick konstruiert. Auf der anderen aber macht Latour Ernst und konfrontiert den Leser laut Mauro mit der Realität einer "paradoxen Form negativer Universalität", auch eine Folge der Pandemie. Wie der Autor vom persönlichen Leiden am Lockdown übers abstrahierende Nachsinnen zu solcherart universellem Durchblick kommt, scheint dem Rezensenten bemerkenswert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.2021

Rezensent Helmut Mayer bewundert den Mut und die Geradlinigkeit, mit denen der Wissenschaftsforscher Bruno Latour Grundsätzliches in Sachen Ökologie, Klimawandel und Pandemie an den Leser bringt. Das Ergebnis ist laut Mayer kein Leitfaden, sondern ein mit Fabulierlust und Anregungen, Wissenschaftlichkeit und Einsichten randvolles Buch, das klar macht, dass es Zeit ist, unsere Abhängigkeit von allem zu erkennen, unsere Aufgehobenheit in Umwelt und Natur, und dass ein bisschen Klimapolitik nicht reichen wird, um uns zu erhalten. Das Buch schließt an frühere Arbeiten des Autors an, an das "Terrestrische Manifest" und die "Vorträge über das neue Klimaregime", so Mayer.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.11.2021

Mit Gewinn liest Rezensent Peter Schneider - es handelt sich nicht um den Schriftsteller, sondern den Schweizer Psychoanalytiker - Bruno Latours "Wo bin ich" und empfiehlt allen Interessierten gleich noch die Lektüre von "Die Hoffnung der Pandora". Denn so ganz ohne Vorwissen zu Latours philosophischen Konzepten, , warnt Schneider, könnte es schwierig werden, den Argumenten des Autors zu folgen. Um den Einstieg zu erleichtern, erklärt er denn auch schnell noch am Beispiel der Schreibmaschine das Grundprinzip der Aktanten-Netzwerk-Theorie, welche wiederum die Grundlage bildet für Bruno Latours Gedanken zur Pandemie. Latour zufolge, so erklärt Schneider, bietet diese Krise eine Chance, "Ökonomie anders wahrzunehmen" und zwar nicht mehr wie bisher aus der scheinbar losgelösten, völlig unabhängigen Warte eines "Extraterrestrischen", sondern aus der Perspektive der Erdgebundenen. Ja, es gelte Bindungen zu erkennen und vor allem zu beschreiben, konkrete Abhängigkeiten, um aus dieser neuen Ansschauung auch zu einer anderen Politik zu kommen. Einzig Latours Entscheidung, Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" als Anschauungsmaterial zu nutzen, scheint dem Rezensenten etwas fragwürdig.
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