Julija Bogoeva (Hg.), Caroline Fetscher

Srebrenica. Ein Prozess

Dokumente aus dem Verfahren gegen General Radislav Krstic vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag
Cover: Srebrenica. Ein Prozess
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518122754
Kartoniert, 363 Seiten, 13,00 EUR

Klappentext

Im Juli 1995 wurden 7500 muslimische Jungen und Männer aus der UN-Schutzzone Srebrenica deportiert und systematisch ermordet. Sechs Jahre später geht vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag die Verhandlung über den größten Massenmord in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zu Ende. Ein General der bosnischen Serben, Radislav Krstiæ, wird wegen Völkermords zu 46 Jahren Haft verurteilt - das erste derartige Urteil seit den Nürnberger Prozessen. Das nicht unumstrittene Gericht gilt wie das Ruanda-Tribunal als Vorläufer eines Weltstrafgerichtshofs. Die Vernehmungsprotokolle von Überlebenden und Angehörigen der Opfer, von Tätern, Tatzeugen und Gutachtern ergeben ein Bild dessen, was in Srebrenica geschah.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.01.2003

Bei seinem Prozess vor dem Haager Gerichtshof gestand der bosnisch-serbische General Radislav Krstic unter der erdrückenden Last der Beweise, dass das Massaker in Srebrenica, bei dem im Juli 1995 mehr als 7.000 Muslime ermordet wurden, stattgefunden hat. Nun haben die Reporterin des Belgrader Radiosenders B 92 Julija Bogoeva und die deutsche Balkan-Korrespondentin Caroline Fetscher das Krstic-Verfahren auszugsweise in einem nach Ansicht von Rezensentin Heike Hänsel "hervorragend edierten Band" dokumentiert. Wie Hänsel darlegt, zeichnen die beiden Herausgeberinnen neben dem Prozess auch das gesamte Schreckensbild so nach, wie es das Gericht zu rekonstruieren versuchte. "Sie belegen noch einmal", hebt Hänsel hervor, "dass alle Akteure der internationalen Gemeinschaft, vor allem das niederländische Blauhelm-Bataillon, sich als unfähig zur Intervention erwiesen." Neben Auszügen der Anklage, der Abschlussplädoyers und der Urteilsbegründung enthält der Band die forensische Beschreibung der Hinrichtungsstätten, der Gräber und der Leichen; als Kronzeugen kommen zwei Überlebende der Massaker ausführlich zu Wort. Entstanden ist für Hänsel eine "gelungene" und "zugleich quälend zu lesende Dokumentation", die den Massenmord von Srebrenica bestätigt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.12.2002

Stefan Ulrich würdigt den Band über den Prozess um das Massaker in Srebrenica an 8000 Muslimen im Jahr 1995 als wichtigen Beitrag dazu, dass der "Legendenbildung" entgegengewirkt wird und der genaue Ablauf der schrecklichen Geschehnisse nicht in Vergessenheit gerät. In der Dokumentation des Prozesses vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegen General Krstic, der maßgeblich den Völkermord in der UN-Schutzzone zu verantworten hat, werden die Aussagen von Überlebenden, Zeugen, eines UN-Blauhelmsoldaten, eines Täters des Erschießungskommandos und anderen versammelt, dazu Plädoyers der Anklage und der Verteidigung und das abschließende Urteil abgedruckt, informiert der Rezensent. Er zeigt sich sehr bewegt von den geschilderten Grausamkeiten und findet, der Band sei eine "eindrucksvolle Dokumentation" der Geschehnisse in Srebrenica. Als eines der erschütterndsten Lektüreerlebnisse beschreibt Ulrich die Aussagen eines zum damaligen Zeitpunkt 17jährigen Muslimen, der "unter Toten" die Massenerschießung überlebte. Auch wenn das Buch nur ausgewählte Passagen des Prozesses wiedergeben könne, so vermittele es einen "ergreifenden Eindruck" dieses "ersten Weltstrafgerichts der Geschichte", so der Rezensent beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.11.2002

Engagiert bespricht Christian Schmidt-Häuer, selbst Beobachter des Kriegsverbrecherprozesses in Den Haag, diese aus "10.200 Seiten Protokollen, Beweisunterlagen und forensischen Gutachten" getroffene Auswahl der beiden Journalistinnen aus Belgrad und Berlin. Schmidt-Häuer zitiert eingangs aus Zeugenaussagen und erinnert den Leser an das "bisher schlimmste Debakel der Vereinten Nationen und der Nato, die dunkelste Stunde Europas nach dem Zweiten Weltkrieg". Durch dieses Buch fühlt er sich "noch einmal in Bann" gezogen, und zwar nicht nur durch die beklemmenden Taten, von denen hier die Rede ist, sondern auch durch den Blick auf das hartnäckige Bemühen der Richter und Ankläger, "viele Amerikaner unter beiden", um Aufklärung und Rechtsprechung: "ernste, einer Kultur der internationalen Rechenschaft verpflichtete Frauen und Männer". Damit zeigt Schmidt-Häuer sich als Warner nicht nur vor generalisierenden Äußerungen über Amerikaner, sondern schließlich auch vor einem drohenden "Kriegsabenteuer Irak".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2002

Als "Synonym für das größte Verbrechen auf europäischem Boden seit Ende des 2. Weltkriegs" bezeichnet Franz-Josef Kos die Geschehnisse in Srbenica, als serbische Soldaten in die muslimische Schutzzone Bosniens eindrangen, die Bevölkerung selektierten, in Lager brachten, vergewaltigten, folterten oder exekutierten. Was damals geschehen ist, lässt sich laut Kos nun ansatzweise aus der Zusammenstellung von Bogoeva/ Fetscher nachvollziehen, die vor allem Zeugenaussagen aus dem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dokumentieren - neben Auszügen aus Anklage, Eröffnungsplädoyer und Urteilen. Kos lobt die unterschiedliche Perspektivwahl der Herausgeberinnen, die ebenso Opfer des Massakers ausführlich zu Wort kommen lassen wie auch ein Mitglied der holländischen Schutztruppe. Insgesamt würde deutlich, so Kos, dass die Hauptschuld beim UN-Sicherheitsrat und den Mitgliedsstaaten liegt, die eine halbherzige Politik betrieben und die Serben völlig unterschätzt hätten. Eine historische Einführung in die Thematik hätte Kos für sinnvoll erachtet.
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