Christoph Fehige

Soll ich?

Cover: Soll ich?
Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen 2004
ISBN 9783150183397
Broschiert, 263 Seiten, 6,00 EUR

Klappentext

Welchen Grund haben wir, anderen zu helfen? Christoph Fehige beantwortet die alte Frage der Moral neu: mit einer apriorischen Mitleidsethik. Von der unsicheren Hoffnung, dass Natur oder Erziehung des Menschen für die richtigen Affekte sorgen, hat sich diese Moralbegründung befreit - dass wir Gründe haben zu helfen, entpuppt sich als begriffliche Wahrheit.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.04.2005

Die Philosophie, findet Uwe Justus Wenzel, beantwortet Fragen, die sich auch Kinder stellen, und sie beantwortet sie längst schon im Bewusstsein der von der Tradition gegebenen Antworten. Etwas neckisch begibt sich auch der Rezensent aufs Niveau der Kinderfrage und erläutert Christoph Fehiges Untersuchung am einfachen Beispiel: "Lotte zum Beispiel muss Hans den Bagger nicht zurückgeben, aber sie soll es." Warum sie soll, anders gesagt: welche guten Gründe es gibt, das, was sie soll, sogar freiwillig zu wollen, das werde von Fehige erörtert. Das Argument, bei dem er lande, habe mit dem Wunsch zu tun, das eigene Mitleid, bei dem einem unwohl ist, besser durch Vermeidung des Leids des anderen, dessen Leid man so schwer ertragen kann, zu vermeiden. Anders gesagt: "Dieses konjunktivische Unwohlsein angesichts deines Leids ist der implizite Wunsch, du mögest nicht leiden." Wenzel bescheinigt dem Autor Raffinement in der Nuancierung vorhandener Theorien.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.03.2005

Durchaus kritisch betrachtet Manfred Geier diesen Versuch von Christoph Fehige, eine Ethik des Mitgefühls logisch zu begründen. Skeptisch stimmt ihn schon dessen Ansatz, das Handeln der Menschen, ihre Motive und Neigungen zugunsten "apriorischer" Gründe zurückzustellen, um eine "Empathie a priori" als Prinzip des moralischen Handelns ins Spiel zu bringen. Fehiges deduktive Argumentation bringt Geier auf folgende Formel: "Jeder wünscht, dass jeder glücklich ist und keiner leidet." Zwar räume Fehige ein, dass dies nicht unbedingt den Tatsachen entspreche. Aber er sehe darin kein grundlegendes Defizit, zumal wenn man das deduktive Argument immer subtiler, differenzierter und formalisierter mache, um seine logisch zwingende Kraft zu erhöhen. Der formale Beweis für eine "apriorische Glücksthese" und "apriorische Mitleidethik", den Fehige dann entwickelt, erscheint Geier "nur noch für Fachspezialisten nachvollziehbar". "Verblüffend" findet er Fehiges dabei trickreichen Einsatz des Konjunktivs. "Er spricht von dem, was wünschbar wäre und was empathisch mitgefühlt würde, wenn man sich das Glück und Leid des anderen 'vollständig, lebhaft und korrekt' vorstellte." Fehiges Ausführungen über das "konjunktivische Unwohlsein" im Falle fremden Leids quittiert er dann spöttisch: "Welch ein Glück, dass es für den strengen Logiker den grammatischen Konjunktiv gibt! So kann er als vernünftiger Mensch aus apriorischen Gründen ein gutes Gewissen haben, auch wenn er nichts tut."
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2005

In seinem Buch "Soll ich?" untersucht Christoph Fehige die Rolle der Gefühle beim moralischen Handeln, berichtet Rezensent Gustav Falke. Dabei komme es dem Autor nicht so sehr darauf an, von moralischen Handlungen zu zeigen, dass sie geboten sind, sondern nachzuforschen, welchen Grund wir haben könnten, das Gebotene auch zu wollen. Fehige sehe in der Empathie, dem Mitleid und der Mitfreude, ein apriorisches Prinzip. Sofern die Menschen vor dem Leid des anderen nicht die Augen verschlössen, hätten sie den deutlichen Impuls zu helfen. Die Aufgabe der Ethik sei damit zu der Frage verschoben, "warum die meisten von uns meistens nicht genau genug hinsehen und wie damit umzugehen ist." Falke merkt an, dass sich Fehige im Detail allerdings eher für die vorstellungs- und handlungstheoretische Abgrenzungen interessiere, was es heißt, etwas 'eigentlich' zu wissen oder zu wünschen. Da wird es dann doch deutlich abstrakter und blutleerer. Falke kommt nicht umhin, auf den Widerspruch zwischen der "auf Popularität zielenden Aufmachung" des Bändchens und den "engschrittigen Schulabgrenzungen" hinzuweisen. Und so resümiert er: "Der allgemeinen Wende von der Rationalität zu den Gefühlen, vom Sollen zum Sein entspricht nicht gleichermaßen eine Wende von der Abstraktion zur Fülle ethischer Phänomene."
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de