Claus Leggewie, Erik Meyer

'Ein Ort, an den man gerne geht'

Das Holocaust-Mahnmal und die Geschichtspolitik nach 1989
Cover: 'Ein Ort, an den man gerne geht'
Carl Hanser Verlag, München 2005
ISBN 9783446205864
Gebunden, 397 Seiten, 23,50 EUR

Klappentext

Wie sollen die Deutschen der Ermordung der europäischen Juden gedenken? Im Mai 2005 wird in Berlin das von Peter Eisenman entworfene Holocaust-Mahnmal der Öffentlichkeit übergeben. Der erbitterte Streit, der seiner Realisierung vorangegangen ist, führt vor, wie schwierig es ist, mit der Erinnerung an den Holocaust umzugehen. Kann solches Erinnern vom Staat ausgehen? Wie verhält es sich zu den anderen Opfern des Nationalsozialismus? Und wie zu den Opfern der DDR? Das Buch beschreibt den komplizierten Weg, der zur Entscheidung für Eisenmans Mahnmal führte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.08.2005

Wer sich für das Holocaust-Mahnmal und Erinnerungskultur in Deutschland interessiert, wird nach Ansicht von Claudia Schwartz an diesem Buch von Claus Leggewie und Erik Meyer nicht vorbeikommen. Wohltuend empfindet sie den sachlichen Ton der Autoren, der sich abhebt von den zahllosen schrillen Debatten und Polemiken, die die Entstehung des "Denkmals für die ermordeten Juden Europas" begleiteten. Schwartz hebt hervor, dass sich die Publikation nicht als neuerlicher Beitrag zur Debatte um das Berliner Denkmal versteht, sondern als detaillierte Chronik der Mahnmals-Entstehung und der damit einhergehenden Diskussionen. Diese nähmen die Autoren auch zum Anlass für eine Reflektion des Wandels in der Geschichtspolitik und im Geschichtsbewusstsein der Deutschen seit der Wende von 1989. Das Buch verdeutlicht für Schwartz noch einmal, "dass all die Fragen (etwa zur Opferkonkurrenz oder zur Schlussstrichdebatte), die mancher bereits ad acta gelegt glaubte, nichts an Brisanz verloren haben".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.07.2005

Als "umfassende und kritische, in der Darstellung ebenso transparente wie im Duktus flüssig geschriebene Geschichte" des Holocaust-Mahnmals würdigt Micha Brumlik dieses "vorzügliche Buch", das die Politologen Claus Leggewie und Erik Meyer vorgelegt haben. Die Autoren zeichneten nicht nur ein "anschauliches Bild" bundesdeutscher Geschichtspolitik in ihrer Verflechtung von Bürgerinitiativen, Politikern und Intellektuellen, schreibt Brumlik, sie lieferten auch einen systematischen Aufriss der Debatte um Schuld, Verantwortung und die Einzigartigkeit des Holocaust. Er lobt die "profunde Recherche" der Autoren sowie ihren distanzierten, "völlig unaufgeregten" Tonfall. Trotz gelegentlicher Polemik und kritischer Einwände sieht er Fairness und Objektivität der Darstellung stets gewährt. Indem die Autoren die angeführten Positionen auf der Basis von Protokollen, Reden und Zeitungsberichten aller Couleur präzise belegen, sei ihnen über die Geschichte des Denkmals ein "Meisterstück der Zeitgeschichtsschreibung" gelungen. Eine Arbeit, die die vorherrschende Meinung widerlegt, "dass Zeitgeschichte ob der mangelnden Distanz der Beobachter gar nicht möglich sei."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.06.2005

Peter Reichels Rezension von Claus Leggewies und Erik Meyers Buch über das Berliner Holocaust-Mahnmal ist leicht widersprüchlich. Zum einen tut sich Reichel mit der Entscheidung schwer, ob er nun das Mahnmal oder das Buch besprechen will, zum anderen hält er letzteres für "verdienstvoll", obwohl es doch dem "Kernproblem" aus dem Weg gehe, nämlich der Frage, ob es nun eine "'gute oder schlechte Idee' war, dieses Denkmal zu errichten". Zu einer ausführlichen Klärung dieser "zentralen geschichtspolitischen Problematik" sieht sich nun Peter Reichel selbst berufen, so dass den wenigen der Publikation von Leggewie und Meyer gewidmeten Zeilen nur Folgendes zu entnehmen ist: Sie hätten eine detaillierte Beschreibung des Planungsverfahrens geliefert und selbiges "in den Kontext der Erinnerungs- und Geschichtspolitik" der vergangenen Jahrzehnte eingebettet. Und zwar auf großartige Weise, denn das Buch enthalte "viel wissenschaftlich Wissenswertes". Wie es sich in Reichels Rezension darstellt, ist den beiden also ein abwegiges Glanzstück gelungen: Thema verfehlt, Eins.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.05.2005

Harald Welzer, als Sozialpsychologe selbst ein Erinnerungsspezialist, nimmt erfreut ein weiteres Buch "im Jahr des memorialen Overkills" zur Kenntnis, das den schwierigen Weg zur Realisierung des Holocaust-Denkmals in Berlin resümiert. Das Buch stammt aus der Feder zweier Politologen, denen die seltene Gabe zu eigen ist, gesteht ihnen Welzer neidlos zu, elegant und stellenweise sogar amüsant formulieren zu können. Dazu gehört für ihn auch, dass sie sich ironische Kommentierungen nicht verkneifen. Claus Leggewies und Erik Meyers Rekapitulation der Mahnmalsdebatte sei sehr ausführlich, lobt Welzer, verschiedene Details waren ihm entfallen beziehungsweise zeigten sich im Nachhinein in einem anderen Licht. Schon damals habe der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann seine antisemitischen Positionen unverhohlen geäußert, stutzt Welzer und auch an Helmut Kohls zentrale Rolle bei der Mahnmalgestaltung konnte er sich kaum erinnern. Besonders lobenswert sei es, meint Welzer, dass die Autoren die Auseinandersetzung um das Mahnmal in den Kontext anderer erinnerungspolitischer Debatten stellten: erinnert sei an die Walser-Bubis-Debatte, an die Aufregung um das Goldhagen-Buch oder den Anti-Graffiti-Anstrich der politisch belasteten Firma Degussa. Ob das Buch in seinem Umfang tatsächlich den angestrebten Leser ohne Vorkenntnisse erreicht, bezweifelt Welzer. Noch enthält es, der Aktualität geschuldet, vermutet der wohlmeinde Rezensent, einige peinliche Flüchtigkeitsfehler.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.05.2005

Ein "lesenswertes" Buch, so Julius Schoeps kurz und knapp, das noch einmal darstellt, wie es zur Entscheidung kam, ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin zu errichten, und worum sich der öffentliche Streit drehte, der jahrelang nicht abklang und nach wie vor schwelt - der Streit um die Frage, ob man ein "nationales" Denkmal "für die Opfer der eigenen verbrecherischen Politik errichten" sollte. Die Autoren, so Schoeps, betrachten das Hin und Her um das Mahnmal als eine "Nahaufnahme der Bundesrepublik, die gern 'ein ganz normaler Staat wäre - und ganz genau weiß, dass sie das nicht werden kann'."