Dag Solstad

Scham und Würde

Roman
Cover: Scham und Würde
Dörlemann Verlag, Zürich 2007
ISBN 9783908777274
Gebunden, 207 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Elias Rukla, seit 25 Jahren Studienrat für Norwegisch, macht im Unterricht eine äußerst aufregende Entdeckung.Die Nebenfigur Dr. Relling in Ibsens Wildente hat eine ganz zentrale Funktion! Innerlich erregt von dieser spontanen Eingebung bittet er einen Schüler, die wenigen Einsätze Rellings laut zu lesen. Genervt blättern alle vor und zurück, und der Schüler liest demonstrativ gelangweilt vor. Der Unterricht wird zur Qual. Das erlösende Klingeln ertönt, Rukla atmet erleichtert auf. Als sich auf dem Pausenhof sein Regenschirm nicht öffnen lässt, verliert er die Haltung, er trampelt darauf herum, beschimpft dabei die gaffenden Schüler aufs Wüsteste. Und er weiß, er will nicht mehr in sein altes Leben zurückkehren, seine Scham über den Verlust der Würde ist zu groß.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.12.2007

Erwartungsfroh nimmt Martin Halter Dag Solstads tragikomischen Roman um einen desillusionierten und an der Gesellschaft verzweifelnden Lehrer zur Hand, ist aber nach anfänglicher Begeisterung am Ende ernüchtert. In dem 1994 entstandenen Buch, das jetzt auf Deutsch vorliegt, hängt ein von Ibsen und dem Alkohol gleichermaßen beeinflusster Pädagoge seinen Beruf frustriert an den Nagel und ergeht sich in Tiraden über die flache Mediengesellschaft, unzeitgemäße Pädagogik und überhaupt über den Niedergang Norwegens. Das liest sich auch zu Anfang sehr unterhaltsam, und der Rezensent freut sich an der bitterbösen Komik und den "labyrinthischen" Schachtelsätzen. Spätestens aber, wenn die Hauptfigur den Blick zurück in die eigene Vergangenheit lenkt, die ebenfalls als eine Kette von persönlichen und gesellschaftspolitischen Enttäuschungen erscheint, gehen Halter die endlosen Suaden auf die Nerven. Die Klagen des Lehrers über norwegisches Eishockey oder literaturgeschichtliche Spitzfindigkeiten können Halter auf die Dauer nicht fesseln, zumal er bemängelt, dass sie sich redundant und an der Oberfläche kreisend nie wirklich bis ins Innenleben der Figuren vortasten.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.08.2007

"Kunstvoll" findet Rezensent Tobias Heyl den jüngst erschienenen Roman des norwegischen Autors Dag Solstad "Scham und Würde", in dem Scheitern Programm zu sein scheint: So sucht der Protagonist Elias Rukla, ein etwas in die Jahre gekommener Studienrat, angestrengt nach dem verloren gegangenen Sinn seines Daseins. Als er dann eines Tages Ibsens Schauspiel "Wildente" in die Finger bekommt, glaubt er, in der Figur des "Dr. Relling", mit welcher er sich im Verlauf des Romans immer mehr identifizieren wird, neuen Halt zu finden. Da aber weder seine Schüler, noch die Kollegen seine neue Leidenschaft teilen können, kommt er zu dem Schluss, sich auf Kosten seiner bürgerlichen Existenz ganz der literarischen hinzugeben. Dass dies nicht seine letzte Flucht aus der gemeinen Realität sein wird, weiß Heyl: "Man kann die Kompliziertheit dieses Lebens nicht in wenigen Sätzen auflösen, wie sich eben kein Leben in ein paar Sätzen erschließt." Auch wenn dieser Roman kein Trostpflaster für erschöpfte Lehrer sei, gefällt dem Rezensenten die "präzise" und "witzige" Schilderung Solstads, dessen "Sound" ihn allenthalben sogar "an die besten und musikalischsten Stellen bei Martin Walser" erinnert.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.05.2007

Was Aldo Keel über diesen Roman erzählt, klingt ehrlich gesagt etwas durcheinander, scheint sich aber aus derart interessanten Elementen zusammenzusetzen, dass man versucht ist, eine Lektüre des Romans zu wagen. Keel verweist zunächst auf den Rang des Autors, der in Norwegen als Repräsentant der jüngeren Autorengeneration gelte und sich dabei auf Autoren wie Thomas Mann und Milan Kundera bezieht, deren ironisch verschachtelte Konstruktionen ihn zu inspirieren scheinen. In Rukla, einem Lehrer in Existenzkrise, der an der Vermittlung von Ibsens "Wildente" an eine agressiv desinteressierte Schülerschaft verzweifelt, erkennt Keel ebenfalls einen Repräsentanten - die Figur eines gescheiterten Intellektuellen der Nach-68er-Zeit, der auf seinen Anspruch längst verzichtet hat, wie so viele einigermaßen Begabte aus seiner Generation, die unter Zuhilfnahme fader Popironie der Rente entgegendämmern. In einer tragikomischen Szene mit Regenschirm beweist Rukla aber immerhin genug Statur, um mit seiner Situation zu brechen. Keel scheint sehr angetan.
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