David Vann

Momentum

Roman
Cover: Momentum
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446265943
Gebunden, 320 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Cornelius Reiber. Jim ist Ende dreißig und depressiv. Aus Alaska, wo er lebt, fliegt er nach Kalifornien, wo er aufgewachsen ist. Sein jüngerer Bruder Gary holt ihn vom Flughafen ab - er will auf Jim aufpassen und hofft, dass dieser im Kreis der Familie seine Lebensfreude zurückgewinnt. Doch während Jim wie ein Geist durch die Hinterlassenschaften seines alten Lebens wandelt, wird er von seinen Gedanken vorwärtsgetrieben, auf das Ende zu. In seinem Roman imaginiert David Vann die letzten Tage im Leben seines Vaters. Er ist zugleich ein Zeugnis der Suche nach Sinn und Erlösung in der unermesslichen Natur.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.07.2020

David Vanns Roman "Momentum" ist ein weiterer kräftiger und gut gezielter Schlag gegen das Trugbild des American Dream, erklärt Rezensent Martin Zähringer. Darin erzählt Vann autobiografisch die Geschichte seines Vaters, eines manisch-depressiven Selbstmörders, der von seiner Familie keine Hilfe annehmen will. Vann beschreibt seinen Niedergang nachvollziehbar, empfindsam und mitreißend, so der Rezensent. Doch was er hier literarisch betreibt, ist nicht nur persönliche Aufarbeitung, betont Zähringer, sondern die Ergründung der tieferen, gesellschaftlichen Strukturen, welche den persönlichen Erfahrungen zugrunde liegen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.06.2020

Rezensent Samir Sellami weiß beim Lesen des Romans von David Vann von Anbeginn, wie es ausgehen wird - mit dem Suizid der Hauptfigur nämlich. Dennoch folgt er der Erzählung einer Depression in ihre Verästelungen, folgt Vanns knappen, reduzierten Sätzen und präzisen Dialogen, den "eindringlichen" Charakterstudien und dem von der "eigentümlichen Spannung" der Geschichte erzeugten Sog.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.04.2020

David Vann verarbeitet in seinen Texten schon immer das Trauma vom Suizid seines Vaters und genau das tut er auch in diesem Roman, weiß Rezensent Jörg Magenau. Diesmal lässt der Autor den Depressiven aber selbst zu Wort kommen, indem er seinen inneren Monolog von den letzten Tagen vor dem Selbstmord wiedergibt - eine Entscheidung, die der Kritiker für riskant hält, weil es von Beginn an keine erwartbare "Fallhöhe" gibt, im Gegenteil: Magenau verliert schnell das Mitleid mit dem verzweifelten Nihilisten, der andere in seiner krankhaften Egomanie rücksichtslos verletzt. Sein Fazit: schwer verdauliche Kost, die aber "in ihrer alles vernichtenden Schwärze" dennoch eindrucksvoll ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2020

Rezensentin Lena Bopp liest David Vanns autobiografisch inspirierte Geschichte um eine Depression mit Erleichterung, da es dem Autor laut Bopp gelingt, der Krankheit etwas beinahe Heilendes abzugewinnen. Muss sich Bopp zunächst durch die obsessive Selbstbeschäftigung des Protagonisten lesen, bricht die Perspektive im weiteren Verlauf auf, wird der Text zum Roadmovie durch Alaska, zum Krimi und zur kritischen Gesellschaftsskizze, wie Bopp feststellt. Dass die im Buch verhandelten Themen Einsamkeit, Tod, Familie nicht nur den Einzelnen angehen, sondern immer die gesamte Gesellschaft, ist für Bopp eine wichtige Erkenntnis der Lektüre.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.03.2020

Den Rezensenten Tom Wohlfahrt hat auch der neueste von der eigenen Familiengeschichte inspirierte Roman David Vanns tief beeindruckt. Diesmal schreibt der Autor aus der Perspektive seines manisch-depressiven Vaters, den nach zwei gescheiterten Ehen, einem verlorenen Beruf, einer verdrängten Cherokee-Abstammung und einer hohen Steuerstrafe Suizidgedanken plagen, erzählt der Kritiker. Wohlfahrt zufolge konnte sich Vann nicht nur genau in die Verzweiflung des Depressiven einfühlen, sondern seine Krankheit auch in einen größeren Zusammenhang stellen: Sein Vater erkrankte zu der Zeit, als der Neoliberalismus auch in die letzten Ecken der USA vordrang und die Illusion von einem freien Leben nachhaltig zerstörte, erklärt er. Sein Fazit: ein schonungsloses Buch "voll von feiner Weisheit, Menschlichkeit und literarischer Meisterschaft".