Donald Antrim

Mutter

Kein Roman
Cover: Mutter
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006
ISBN 9783498000691
Gebunden, 240 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. An einem schönen Augustmorgen des Jahres 2000 entschläft Louanne Antrim nach langem Krebsleiden im Morphiumrausch. Was macht ihr Sohn Donald Antrim, der New Yorker Schriftsteller, kaum dass sie unter der Erde ist? Er kauft sich ein Bett. Und zwar nicht irgendeins, sondern ein nach den neuesten Erkenntnissen esoterisch-biotechnischer Schlafforschung gestaltetes, sündhaft teures Monster. Dieses Bett soll seine Befreiung feiern; es soll sein Fluchtort werden, so etwa, wie wenn man zu jemandem sagt: "Ich brauche Raum". Nur dass "Raum" sich dann gewöhnlich auf Gefühle bezieht, Antrim ihn aber mit einem konkreten Ort verwechselt. Darum tut er in diesem Bett nie ein Auge zu. Typisch für ihn. Typisch für den Sohn einer lebenslangen, maß- und schamlos exzentrischen Alkoholikerin, die ihrem Sohn kaum etwas mitgab außer ihrem Selbsthass. Und ihn in eine Affenliebe zwang, die jede noch so verrückte Marotte von ihr zu tolerieren, ja zu verteidigen hatte...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.09.2006

Mit erstaunlicher Leichtigkeit gelinge es Donald Antrim, von den schwer belasteten Familienbeziehungen seiner Kindheit zu erzählen, vor allem aber vom tragischen Schicksal seiner Mutter. Rezensentin Angela Schader lobt ausdrücklich, dass der Roman keinesfalls nur um eine Mutter-Sohn Geschichte kreise, sondern "verstörende" Porträts beispielsweise auch des Onkels zeichne, und überhaupt das Gewebe der Familienbeziehungen beschreibe. Dabei gehe der Autor äußerst feinfühlig vor, gewissermaßen ohne seinen Figuren zu nahe zu treten. In seiner erzählerischen Struktur werde der Roman durch heftige Kontraste und Inszenierungen, willkürliche Wechsel bestimmt. Den Kontrast wiederum zu diesen harten Schnitten und dem überspannten Familienleben bilden beschreibende und reflektierende Passagen über Gemälde oder Häuser, von denen laut Rezensentin eine Art "inneres Leuchten" ausgeht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.08.2006

Schwer beeindruckt zeigt sich der Rezensent Richard Kämmerlings von Donald Antrims erstem Nicht-Roman - dies jedenfalls die Genre-Bezeichnung des deutschen Verlags, im Original hieß das Buch im Untertitel noch: A Memoir. Nicht, dass Kämmerlings von den drei bisher vorliegenden Romanen des Autors nicht schon ziemlich begeistert gewesen wäre. Sie sind durch Komik, Absurdität und Abschweifungen geprägt. Mit "Mutter" aber mache Antrim nun - freilich auch nicht ohne Komik - autobiografisch Ernst. Es geht, wie der Titel sagt, um die Mutter, die als Alkoholikerin den liebenden Sohn fast in den Wahnsinn trieb. Darüber schreibt Antrim, auch über die Wende weg vom Alkohl hin zu Esoterik, Mode und esoterischer Mode. Antrim hat seine Mutter geliebt und gehasst bis zu ihrem Tod - und wie er darüber schreibt, das findet der Rezensent ganz und gar überzeugend. Weitere Figuren kommen ins Spiel, alles ist "sorgfältig komponiert", nicht linear erzählt, aber doch immer wieder zur nachvollziehbaren Narration zurückfindend.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.07.2006

Einigermaßen verstört berichtet der Rezensent Kolja Mensing von der lakonischen Diagnose, die Donald Antrim nach dem Tod seiner Mutter stellt: "Endlich - Ich hatte genug von Louanne Antrim." Auf "nüchterne, fast distanzierte" Art und Weise, so der Rezensent, erzählt Antrim die Geschichte seiner Mutter als die Geschichte eines lebenslangen, mit Alkohol und Zigaretten verschärften Verfalls. Die Rolle des Sohnes, so der Rezensent weiter, wird nachdem sich der Vater von der Mutter wiederholt und endgültig getrennt hat in eine ganz neue Dimension überführt: Er wird zum Mann der Mutter, muss "genauso wie und zugleich ganz anders als alle anderen Männer" sein. Es sei Antrim hoch anzurechnen, dass er aus dieser "amerikanischen Mittelklassentragödie" (die sich nicht nur auf die Mutter beschränkt, sondern sich über die ganze, verzweigte Familie erstreckt) keine "Muster" und keine dramatische Handlung gewinnen wolle. Es gehe ihm lediglich um einen "Bericht des Scheiterns". Erschreckend und aufrüttelnd findet der Rezensent jedoch Antrims bittere Erkenntnis, dass die Literatur die Qualen des Verlassenwerdens nicht zu durchbrechen vermag, sondern sie im Gegenteil endlos verlängert.