Fatma Aydemir (Hg.), Hengameh Yaghoobifarah (Hg.)

Eure Heimat ist unser Albtraum

Cover: Eure Heimat ist unser Albtraum
Ullstein Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783961010363
Gebunden, 208 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Wie fühlt es sich an, tagtäglich als "Bedrohung" wahrgenommen zu werden? Wie viel Vertrauen besteht nach dem NSU-Skandal noch in die Sicherheitsbehörden? Was bedeutet es, sich bei jeder Krise im Namen des gesamten Heimatlandes oder der Religionszugehörigkeit der Eltern rechtfertigen zu müssen? Und wie wirkt sich Rassismus auf die Sexualität aus?  Dieses Buch ist ein Manifest gegen Heimat - einem völkisch verklärten Konzept, gegen dessen Normalisierung sich 14 deutschsprachige Autor_innen wehren. Zum einjährigen Bestehen des sogenannten "Heimatministeriums" sammeln Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah schonungslose Perspektiven auf eine rassistische und antisemitische Gesellschaft. In persönlichen Essays geben sie Einblick in ihren Alltag und halten Deutschland den Spiegel vor: einem Land, das sich als vorbildliche Demokratie begreift und gleichzeitig einen Teil seiner Mitglieder als "anders" markiert, kaum schützt oder wertschätzt. Mit Beiträgen von Sasha Marianna Salzmann, Sharon Dodua Otoo, Max Czollek, Mithu Sanyal, Margarete Stokowski, Olga Grjasnowa, Reyhan Şahin, Deniz Utlu, Simone Dede Ayivi, Enrico Ippolito, Nadia Shehadeh, Vina Yun, Hengameh Yaghoobifarah und Fatma Aydemir.  

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.03.2019

Interessant findet Venera Mayer an diesem Sammelband, dass die Autoren eigentlich ganz selbstverständlich Deutschland als ihre Heimat betrachten, und von dieser Selbstverständlichkeit aus erkunden, wo denn ihr Platz sei. Am eindrücklichsten findet sie dabei den schlicht "Arbeit" betitelten Text der Herausgeberin Fatma Aydemir, der die "Überarbeitung als Lebensgefühl" der arbeitsmigrantischen Existenz beschreibt. Aydemirs Großvater arbeitete sieben Tage die Woche in einer Stahlfabrik. Überhaupt scheint für die Kinder und Enkel der Immigranten der Begriff Heimat einerseits stärker mit dem Herkunftsland der Eltern verknüpft zu sein als mit Deutschland, zum anderen wird diese Heimat als ständiger Quell der Scham beschrieben, weil sie einen von anderen unterscheidet. Am Ende erkennt die Rezensentin, dass Heimat in Deutschland auch das - eigentlich ebenfalls ganz selbstverständliche - Recht bedeutet, "sich ihrer Umklammerung zu entziehen".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.03.2019

Klug und horizonterweiternd findet Rita Vock dieses Buch, das ihr zeigt, wie rassistisch sie ist beziehungsweise alles um sie herum. Ob die afrobritische Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo von Diskriminierungserfahrungen ihres Sohnes berichtet, Herausgeberin Fatma Aydemir beklagt, dass die Jobs am Ende doch an "die Weißen" gingen oder der Journalist Enrico Ippolito seine generelle Genervtheit über den "Rassismus" entgegenschleudert, die Rezensentin ist gleichermaßen beeindruckt von den Beiträgen in diesem Band. Denn auch wenn sie ahnt, dass hier nicht unbedingt die Zukurzgekommenen der Mediengesellschaft schreiben, so erfahren doch diejenigen, die von echter Ausgrenzung betroffen sind, dass es selbst "erfolgreichen Kulturschaffenden" ähnlich gehe, ist Vock überzeugt. Was die Autoren für einen Rassismus-Begriff haben, verrät die Rezensentin nicht, auch ihr eigener bleibt schleierhaft.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.02.2019

Boris Pofalla liest den von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah herausgegebenen Band mit gemischten Gefühlen. Einerseits erscheint er ihm cool und links genug, um Wellen zu schlagen, andererseits kann er sich nicht darüber freuen. Wieso? Weil Pofalla die Selbsterfahrungstexte von Autoren wie Margarete Stokowski und Max Czollek, vor allem aber von Sasha Maria Salzmann über die Untiefen queerer Räume problematisch findet, insofern sie den "neuen Hass" progressiver Milieus auf Schwule in den Mainstream tragen, wie er befürchtet. Wenn es um Homonationalismus geht, wie in Salzmanns Beitrag, ahnt Pofalla, ist das Ressentiment nicht weit, auch wenn es von links und betont feministisch oder antirassistisch daherkommt. Die hier bemühte Zielscheibe "weißer Schwuler" findet Pofalla ideologisch.