Friedrich Wilhelm Graf

Moses Vermächtnis

Über göttliche und menschliche Gesetze
Cover: Moses Vermächtnis
C.H. Beck Verlag, München 2005
ISBN 9783406542213
Broschiert, 100 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Die Diskussionen um die religiöse Verankerung von Verfassungen und Amtseiden, um das Kopftuch im öffentlichen Dienst und das Kruzifix in Schulen, um den Schutz ungeborenen Lebens oder den Verfassungsauftrag zur "Bewahrung der Schöpfung" zeigen, dass die Vorstellung vom "Gesetz Gottes" trotz Aufklärung und Säkularisierung eine nahezu ungebrochene Suggestivkraft entfaltet. Diese geht für manche religiöse Gruppen wieder so weit, dass sie das göttliche Recht dem staatlichen Recht vorordnen und damit die Geltungskraft des "positiven Rechts" unterminieren. Der Theologe und Religionswissenschaftler Friedrich Wilhelm Graf bringt in seinem Essay daher auch die Strategien zur Konfliktvermeidung und Beschränkung des göttlichen Gesetzes zur Sprache, die die Religionen selbst entwickelt haben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.04.2006

Elisabeth von Thadden gerät ins Schwärmen angesichts von Friedrich Wilhelm Grafs Überlegungen zu "Moses Vermächtnis". Einerseits "offen für die Religion", ist das Buch - wie sein Autor - doch auch "aufgeklärt". Graf kommt ohne "skandalisierendes Tremolo" aus, wenn er sein Plädoyer hält für "religionsmoralischen Pluralismus" und einen "wandlungsfähigen Verfassungsstaat". Graf zeichnet, begriffsscharf und dicht, wie von Thadden rühmt, nach, dass auch unser modern-liberaler Pluralismus ein fundamentalistisches Fundament hat, und wie er das tut, das sei "stilistisch ein reines Vergnügen". Zwar muss man die Menschen durch Gesetze voreinander schützen, das hat die Rezensentin aus der Lektüre gelernt; zugleich jedoch liegt "in der Deutungshoheit der Gebote" auch "eine unschätzbare kulturprägende Kraft".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2006

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Horst Dreier sowohl von Friedrich Wilhelm Grafs sprachlicher Formulierungskraft als auch von den vielfältigen Gedankenanstößen seiner Studie. Besonders fruchtbar sei es, wenn Grafe gleich zu Beginn die radikal unterschiedliche Relevanz der doch gleichen Gesetzestafeln vom Berg Sinai für die monotheistischen Religionen herausarbeite. Der Katholizismus beispielsweise leite daraus noch heute eine Verdammung von Selbstbefriedigung und Homosexualität ab, während die Protestanten eine moralische Gesetzgebung gewissermaßen privater handhabten. Aus Sicht von Graf, so der Rezensent, komme der glaubensspaltenden Reformation eine modernisierende und positiv pluralisierende Wirkung zu. Für die Grundfrage der Studie, ob der Staat bei den Konflikten einer zunehmenden religiösen Pluralisierung, wie zum Beispiel in der Kopftuchdebatte, stärker eingreifen solle, laute die Antwort Grafs folgerichtig: nicht intervenieren, pluralisieren! Indirekt stärke eine Relativierung der Einzelreligionen das weltliche Recht, das allerdings nie mehr als ein "ethisches Minimum" gewährleisten könne.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2006

Ein Plädoyer für eine "gewaltfreie Konfliktfähigkeit" sieht Hermut Löhr in Friedrich Wilhelm Grafs Essay über den Konflikt zwischen religiös begründeten Norm- und Ethossystemen und der Rechtsfindung im weltanschaulich neutralen Staat. Deutlich erscheint ihm beim Autor der Bezug auf Kant und eine protestantische Sicht der Wirklichkeit. Dass sich Graf gegen "klerikale Moralrechthaberei" ausspricht und "in individueller Freiheit" das "höchste innerweltliche Gut" sieht, vernimmt Löhr mit Sympathie. Wie er betont, schreibt Graf der Religion durchaus einen hohen funktionalen Wert zu. Dabei empfehle er dem Rechtsstaat, religiöse Lernprozesse hin zu vernünftiger Religion anzustoßen, ohne als Erzieher aufzutreten. Einen "Sittenstaat" lehne Graf ab. Löhr lobt den Autor für seine Besonnenheit und bescheinigt ihm, auf einseitige und vordergründige Schuldzuweisungen zu verzichten.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.02.2006

Lobend äußert sich Rezensent Uwe Justus Wenzel über dieses Buch des Theologen und Theologiehistorikers Friedrich Wilhelm Graf, das sich mit dem komplexen Verhältnis von Religion und Politik befasst. Er betont, dass Graf den Schwierigkeiten des Themas nicht aus dem Weg geht. Im Gegenteil: Graf sondiere die Vielschichtigkeit der religionspolitischen Lage der Gegenwart und registriere Überlagerungen und Verwerfungen in den vielfältigen religiösen Traditionen und verschiedenen politischen Formationen. Wenzel sieht Grafs Position von einem liberalen Kulturprotestantismus geprägt, mit dem er durchaus sympathisieren kann. Auch Grafs Plädoyer für eine "gelassene Liberalität" des Staates im Umgang mit den Religionen erscheint Wenzel überzeugend.