Gottfried Benn

Briefe an Astrid Claes 1951-1956

Cover: Briefe an Astrid Claes 1951-1956
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002
ISBN 9783608938043
Gebunden, 157 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Mit einem Nachwort von Bernd Witte. "Wenn Sie glauben, mich besuchen zu wollen, ist das sehr nett von Ihnen... Bitte melden Sie sich vorher an." Der Besuch fand nicht statt, doch beginnt mit diesen Zeilen ein Briefwechsel, der bis in die Woche von Benns Tod im Sommer 1956 reicht. Benns Briefpartnerin, die selbstbewusste junge Germanistin Astrid Claes, hatte die erste Dissertation über Benns Lyrik verfasst und ihm geschickt. Bald schon gilt Benns Interesse aber auch der angehenden Schriftstellerin: Astrid Claes schickt einige Gedichte und Erzählungen nach Berlin, die auf großes Lob des berühmten Kollegen stießen. So ist, neben den vielfältiger werdenden persönlichen Aspekten, die gegenseitige handwerkliche Kritik ein Hauptthema dieser Briefe. Sie zeigen aber auch, wie Benn auf den Ruhm, das "Klassisch-werden" reagiert und auf die Tatsache, dass sein Werk zum international wissenschaftlichen Gegenstand geworden ist. Rund achtzig bisher zum großen Tiel unveröffentlichte Briefe Benns sind hier gesammelt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.05.2002

Seit der Veröffentlichung von Benns Briefen an seinen Freund Oelze wusste man, erklärt Gustav Seibt, dass der Dichter auch im Alter mehr als ein schwermütiger Mann mit verschlafenem Katerblick war. Seibt karikiert genüsslich Benns phlegmatisches Aussehen, hinter dem sich ein aufmerksamer Blick verbarg. Und ein lauernder dazu, denn: "Der Kater lässt das Mausern nicht", weiß Seibt nun. Nachdem vor kurzem erst der Briefwechsel Benns mit seiner letzten Geliebten, Ursula Ziebarth, erschienen ist, gibt es nun einen weiteren Band mit Benn-Briefen an die Germanistin Astrid Claes, die Benn allerdings erfolglos umwarb. Der drängende Ton des Dichters verleihe dem schmalen Briefkonvolut eine komische und etwas pikante Note, meint Seibt, Benn habe es mehr auf die weiblichen Qualitäten von Claes abgesehen, als dass er ihre fachliche Kompetenz gesucht oder besonders geschätzt hätte. Fazit: alles ein wenig unter Benns Niveau. Dennoch sind diese Briefe nicht unspannend, gibt Seibt zu, da sie naturgemäß einen dramatischen Bogen beschreiben - werben, hoffen, scheitern. Bedauerlicherweise, so Seibt, seien Claes' Gegenbriefe nicht mitveröffentlicht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.04.2002

Das wurde aber auch Zeit! Seit 1997 liegt der Briefwechsel Benns mit Astrid Claes fix und fertig zur Veröffentlichung beim Klett-Cotta Verlag, berichtet Ina Hartwig. Verhindert hat die Herausgabe bisher Ursula Ziebart, Benns letzte Geliebte, deren Briefwechsel mit Benn im letzten Jahr beim Wallstein Verlag erschienen sind. Ziebarth hatte mit Klage gedroht. Hartwig fragt sich, warum? Sicher, es gebe in den Briefen an Claes ein paar unfreundliche Bemerkungen über das "amoralische Fräulein Z.", aber Hartwig findet das nicht so schlimm. Sie freut sich, dass jetzt endlich das "entscheidende Korrektiv" für die letzten Lebensjahre Benns erschienen ist. Im Gegensatz zu Ziebarth, der "fordernden und unbequemen" Geliebten, war Astrid Claes eine "kontrollierte Akademikerin" aus gutem Haus, die kein erotisches Interesse an Benn hatte, schreibt Hartwig. "Kühn domptiert" sie das Gespräch und ist dabei "nicht ganz frei von Karriere-Kalkül". Immerhin half Benn bei der Veröffentlichung ihrer Gedichte. Eine ihrer Erzählungen, die in dem Band abgedruckt ist, zeigt nach Hartwig eine "außergewöhnliche" wenn auch etwas "altkluge" "Geistesschärfe". Das Beste an den Briefen ist für Hartwig jedoch, dass sich hier der "komplette Benn" zeigt: der "chronische Verführer", "temporeiche Formulierer", "Witzbold", "abgeklärte Menschenkenner" und Arzt. Und nicht zuletzt beweist sich Benn als kluger Mann, der in dieser Viererkonstellation mit Doktorandin Claes, Geliebter Ziebarth, die seine "Apresludes" beeinflusste und seiner Ehefrau, der Zahnärztin Dr. Ilse Benn, "weiß Gott" zeigte, dass er sich aus "dummen Frauen" nichts machte. Die älteren Rezensenten, die Ursula Ziebarth für ihre indiskreten Briefe kritisierten, sind so klug nicht, meint Hartwig.