Hannah Arendt

The Modern Challenge to Tradition: Fragmente eines Buchs

Kritische Gesamtausgabe / Complete Works, Critical Edition. Band 6
Cover: The Modern Challenge to Tradition: Fragmente eines Buchs
Wallstein Verlag, Göttingen 2018
ISBN 9783835331921
Gebunden, 924 Seiten, 49,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Barbara Hahn, Ingo Kieslich, James McFarland und Ingeborg Nordmann. Im Kontext der politischen Philosophie ist Hannah Arendts Werk einzigartig. Es stellt sich in kritischen Lektüren der Tradition, und es nimmt die Herausforderung an, die dieses von Gewalt geprägte Jahrhundert dem Denken stellt. Angesichts der historischen Ereignisse entwickelte Hannah Arendt den Gedanken des Traditionsbruchs, in dessen Horizont sie die Fragen und Begriffe des politischen Denkens von Grund auf neu stellte. Der Rahmen war die europäische und ebenso die US-amerikanische Tradition. Erst langsam kommt in den Blick, wie unterschiedlich Arendt auf beiden Seiten des Atlantiks gelesen wird. Nach ihrer Ankunft in den USA begann sie auf Deutsch und auf Englisch zu publizieren, sodass die überwiegende Mehrheit ihrer nach 1943 verfassten Bücher und Aufsätze in beiden Sprachen vorliegt, wobei sich die Fassungen oft erheblich unterscheiden.
Nach Arendt lässt sich die Welt nach den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts nur begreifen, wenn man sie aus unterschiedlichen Perspektiven und in verschiedenen Sprachen betrachtet. Die Reihe startet mit Band sechs, der ein Buchprojekt präsentiert, das Fragment blieb und an dem Arendt nach Abschluss ihrer großen Studie über den Totalitarismus arbeitete. Am Anfang sollte es "Karl Marx and the Tradition of Political Thought" benannt werden, später "The Modern Challenge to Tradition". Überliefert sind neben wenigen publizierten Aufsätzen ca. 550 Seiten mehrheitlich fragmentarischer Texte, die hier zum ersten Mal erscheinen. In ihnen öffnet sich Arendts Denk- und Schreibwerkstatt, in der die gesamte westliche Tradition politischer Theorie und Philosophie nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts neu befragt wird.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.04.2019

Marie-Luise Knott nimmt sich die ersten beiden Bände der Kritischen Gesamtausgabe des Werks von Hannah Arendt vor. Was die Herausgeber Barbara Hahn und James McFarland hier leisten, findet sie höchst respektabel, sowohl was die Rekonstruktion des fragmentarischen Textes "The Modern Challenge to Tradition" betrifft, als auch was die sechs Essays in Band 3 angeht. Die Rekonstruktion der Entstehung letzterer lobt Knott als akribisch. Der Abdruck verschiedener Fassungen ermöglicht es der Rezensentin, Arendts Denkprozesse und Arbeitsweise nachzuvollziehen. Arendts Vielsprachigkeit und Interdisziplinarität trägt die Edition mit ihrem mehrsprachigen, interdisziplinären Herausgeberteam und dem Nachvollzug des Sprachwechsels innerhalb der Texte Rechnung, stellt Knott erfreut fest. Der geplanten digitalen Ebene der Edition sieht die Rezensentin mit einiger Vorfreude entgegen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.12.2018

Der Philosoph Michael Hampe liest Hannah Arendts Buchfragment aus dem Jahr 1952 mit Schaudern. Hampe ahnt die Gültigkeit von Arendts auf ein Buch über Marx und seine Indienstnahme durch den Stalinismus abzielenden Analysen zur Unterscheidung von Tyrannei und Totalitarismus für unsere Gegenwart bzw. Zukunft. Arendts Diagnosen zum Verständnis des Totalitarismus im Nationalsozialismus und im Stalinismus, zum Umschlag von legitimer Macht und gerechten Gesetzen in Terror lassen Hampe die heutige Beliebtheit von Geschichtsmythologien und die zunehmende Lähmung politischer Handlungsfähigkeit mit noch größerer Besorgnis betrachten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.12.2018

Helmut König kann Hannah Arendt beim Denken zuschauen in diesem Auftaktband der neuen Göttinger kritischen Gesamtausgabe. Die enthaltenen Texte aus den Jahren 1951-1954 bilden die Fragmente eines nie fertiggestellten Buches, eine schwierige Editionsaufgabe, die die Herausgeber laut König zwar meistern, deren Ergebnis aber nichts für Leseleser ist, sondern vor allem für Experten, da die vielen Kommentare, Nachweise und Anmerkungen die Lust am Text dämpfen, wie König feststellt. Arendts Vorhaben, das Nachdenken über den Konnex zwischen geistiger Tradition und totalitärer Herrschaft unter besonderer Berücksichtigung des Marxismus, wird für den Rezensenten allerdings ebenso deutlich wie die Gründe, warum das Projekt scheiterte. Diese erkennt er in Arendts Erkenntnis, dass das gesamte abendländische philosophische Denken sich eher wenig um das Wesen des Politischen und um öffentliche Angelegenheiten schert, womit dann der Stoff laut König den Rahmen von Arendts Buchprojekt sprengt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2018

Rezensent Dieter Thomä freut sich einen Ast über die neue Gesamtausgabe der Schriften Hannah Arendts. Dass die Herausgeber als ersten Band Arendts Würgen an der "Fischgräte namens Karl Marx" herausbringen, findet er mutig. Einerseits. Denn nicht nur als Dokument des Scheiterns der Autorin an der Einordnung von Marx in den Traditionszusammenhang taugt der Band für Thomä. Die versammelten Princeton-Vorträge und ihre sorgfältig gestaltete Zugänglichkeit sieht er als großes Geschenk. Das darin zu verfolgende Dilemma um das Verhältnis von Politik und Wirtschaft findet er aktueller denn je - als Maßstab für den Ernst und die Unvoreingenommenheit, mit der die Debatte geführt werden sollte.
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