Hans Magnus Enzensberger

Dialoge zwischen Unsterblichen, Lebendigen und Toten

Cover: Dialoge zwischen Unsterblichen, Lebendigen und Toten
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518416280
Gebunden, 216 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Der berühmte Philosoph Zhuangzi streitet sich mit einem Mann, der seit 500 Jahren tot ist. Diderot empfängt einen aufdringlichen Reporter aus dem 20. Jahrhundert zum Interview. Ein gealterter Anarchist erklärt einem enttäuschten Jünger, woran die Revolution gescheitert ist. Weimarer Zeitgenossen Goethes fallen in einer Fernseh-Talkshow über den Olympier her und merken nicht, wie sie sich dabei blamieren. Der gezielte Anachronismus dient Enzensberger als Falle, in die er den Zeitgeist zu locken sucht. Enzensberger greift mit diesen Dialogen die Form der antiken Götter- und Totengespräche wieder auf und bringt damit ein menschliches Organ auf die Bühne zurück, das im Regietheater der Gegenwart in Vergessenheit geraten ist: das Gehirn. Spielend nehmen es die Tragikomödien der Intelligenz mit denen der Körper auf. Wer am Ende recht hat, ist keineswegs ausgemacht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.11.2004

Für Martin Krumbholz verkörpert Hans Magnus Enzensberger mindestens "zwei kluge Menschen in einem" und insofern ist er prädestiniert zum Verfassen von Dialogen, in denen er seine ganze Kunst der Dialektik ausspielen kann. Denn Enzensberger, schwärmt der Rezensent, könne stets mindestens ebenso gut und überzeugend die gegenteilige Position des gerade Behaupteten vertreten, wobei, räumt Krumbholz ein, die eigentliche Position des Autors immer etwas differenzierter herauszuhören sei. Die diskutierenden Paare sind bei Enzensberger, stellt Krumbholz weiter fest, stets männlichen Geschlechts, wobei am Ende weder der eine noch der andere eindeutig Recht bekäme oder behielte. Einer der häufigeren Gäste in Enzensbergers Diskutiergängen heißt Diderot, als Aufklärer bekannt, wenn er auch nie, weist der Rezensent darauf hin, das Wort "Aufklärung" gehört haben wird. Im philosophischen Plauderton wird gestritten über die Ungleichzeitigkeit, die Zukunfts-Sucht, den Anachronismus oder über Goethe - "Unterhaltung" im weitesten Wortsinn, stellt Krumbholz mit Befriedigung fest.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

Außer Arno Schmidt fällt Christoph Bartmann neben Hans Magnus Enzensberger kaum einer ein, der die Tradition und Kunstform des literarischen Dialogs aufgenommen und fortgeführt hat. Enzensberger erledigt das außerdem so lässig und undogmatisch wie möglich, schwärmt Bartmann. Sein Vorbild wurzelt in der Dialogkultur der Aufklärung, erklärt der Rezensent, in der geistreichen Konversation, die Literatur und Wissenschaft elegant miteinander ins Gespräch bringe. Der vorliegende Band versammelt Dialoge aus 25 Jahren Enzensbergerscher Dialogproduktion, die teilweise bereits veröffentlicht wurden, in den seltensten Fällen gespielt und anderenfalls noch ungedruckt waren. Denn für die Bühne, behauptet Bartmann, die ohnehin in den letzten Jahrzehnten den Weg vom Dialog zum Monolog beschritten habe, seien diese Dialoge "zu zerebral, zu souverän, zu unaufgeregt". Tröstlich, dass seines Erachtens die Enzensbergerschen Texte die Bühne auch gar nicht nötig haben. Sie entfalten ihre volle Wirkung schon beim Lesen, staunt der Rezensent. Am gelungensten seien die Dialoge dort, wo Enzensberger literarisch bleibe und Textfunde mit eigenen Befunden mische; begebe er sich aufs glatte Feld der Zeitkritik, kämen auch schon mal Ausrutscher ins Nichtssagende vor.
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