Hans Ulrich Gumbrecht

Nach 1945

Latenz als Ursprung der Gegenwart
Cover: Nach 1945
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518423042
Gebunden, 360 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Frank Born. In diesem Panorama der Nachkriegszeit begegnen wir nicht nur Beckett, Heidegger oder Camus, sondern auch einem Kind, das 1948 in einer zerbombten deutschen Stadt zur Welt kommt. Gumbrecht experimentiert mit einer Form der Darstellung, die persönliche Erinnerungen in Spannung zur Weltgeschichte setzt. So entdeckt er, warum jene Epoche unser Leben bis heute prägt. "Nach 1945" ist eine Genealogie der Gegenwart, die mit historischer Tiefenschärfe erklärt, wie wir wurden, was wir sind.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.11.2012

Tatsächlich, irgendwas geht seinen Gang, stellt Thomas Macho, des Autors Hausheiligen Beckett zitierend und unheimlich berührt von diesem Erinnerungsbuch Hans Ulrich Gumbrechts, fest. Mehr und nicht weniger lässt sich offenbar sagen nach der Lektüre, die den Rezensenten mit Kindheitserinnerungen des Autors bekannt macht, mit einem uneingelösten Latenz-Begriff, mit Wechselwirkungen aller Art, von Büchern, Filmen, Erfahrungen und Ereignissen, die eine Art Simultan-Wirkung erzeugen, ein Zeitgefühl. Dass der Autor dabei nicht dozierend vorgeht, sondern erzählend, macht das Buch für Macho zu einem berührenden Ereignis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2012

Rezensent Stephan Schlak fürchtet, dass es dem Autor in seiner kalifornischen Klause bald gelingen könnte, Theorie in Ausdruckstanz zu verwandeln. Jedenfalls sieht er Hans Ulrich Gumbrecht mit allen Mitteln danach trachten. Unterdessen übt Gumbrecht schon mal am historischen Objekt, indem er die Hermeneutik Hermeneutik sein lässt und die Nachkriegszeit aus dem Geist der autobiografischen Miniatur auferstehen lässt. Das Argument ersetzt er dabei laut Schlak durch Intuition. Doch wer glaubt, der Autor werfe damit auch den Anspruch über Bord, der irrt. Aus einem wahren "Assoziationsgestöber" aus Nürnberger Prozessen, Sartre, Kinsey-Report und Artaud, zählt Schlak auf, formt Gumbrecht die für die Nachkriegsgeschichte angeblich so bedeutsame kulturelle Konfiguration der Latenz samt Chronotop einer neuen Zeit. Über so viel hybride Deutungsenergie staunt der Rezensent nicht schlecht.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.08.2012

Klug, doch letztlich unabschließbar nennt Jens Bisky den Versuch des Romanisten Hans Ulrich Gumbrecht, den eigenen Platz in der Welt zu erkunden. Das bedeutet nichts weniger, als eigene Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in der Nachkriegszeit mit den damaligen Gegebenheiten kurzzuschließen. Die Zeit der 50er Jahre zu erfassen, gelingt dem Autor laut Bisky vor allem im ersten Teil des Buches mittels assoziativer Lektüre (Beckett, Sartre, Heidegger) und anderer Erfahrungen (Edith Piaf, Kinsey-Report). Was Gumbrecht so und über persönliche Erinnerungen über die Erfahrungsweisen und Zustände der Zeit herausfindet, zählt für Bisky zum Erhellendsten, was er überhaupt über die Nachkriegszeit gelesen hat. Was dann folgt, die akademische Zeit des Autors, hat für ihn dann allerdings nicht mehr diese Erkenntniskraft und Prägnanz. Es fehlen, so mutmaßt Bisky, die zeitgenössischen Lektüren als Gegengewicht.
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