Hans-Ulrich Treichel

Der irdische Amor

Roman
Cover: Der irdische Amor
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518413524
Gebunden, 256 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Albert, Student der Kunstgeschichte, lernt in Berlin die italienische Kellnerin Elena kennen, und glaubt, die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als Elena in ihre Heimat zurückkehrt, um sich dort mit einem Kosmetiksalon selbständig zu machen, geht Albert mit. Dort aber, in einem tristen Bergarbeiterdorf, verändert sich Elena. Und Albert, der im Hinterzimmer des Salons ein eher eintöniges Dasein fristet, beginnt von Berlin zu träumen und von Klara, einer Kieler Geologiestudentin, die er am Strand kennengelernt hat...

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.11.2002

Auf Sympathie stößt Hans-Ulrich Treichels "Irdischer Amor" bei Christiane Tewinkel. Bei diesem handelt es sich um einen Studenten der Kunstgeschichte auf ziemlich tolpatschigen Freiersfüßen, so dass die Leser zwischen Mitleid und Bewunderung für den nicht aufgebenden Liebesidioten hin- und hergerissen werden, beleuchtet Tewinkel ihre Symapthiegefühle näher. Der angehende Kunsthistoriker begibt sich auf Italienreise, mit jeder Menge "bildungsbürgerlichem Gepäck" dabei, ein Umstand, der Tewinkel das Geschick des Autors lobend erwähnen lässt, verschiedene Ebenen geschickt verknüpfen zu können. Mit der irdisch-römischen Liebessuche gehe nämlich zugleich eine "backstage comedy" im Universitätsleben einher, stellt Tewinkel amüsiert fest, außerdem biete das kunstgeschichtliche Milieu Gelegenheit zu ernsten wie heiteren Plaudereien über Caravaggio und seine Bilder. Am Ende des Romans angelangt, ist sich Tewinkel immer noch nicht sicher, ob Albert, der Student, nun ein "moderner Parzival oder ein vollkommener Trottel" ist. In jedem Fall hat er ihre Nachsicht errungen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Wie ergiebig die Scham gerade für die literarische Produktion sein kann, schickt die Rezensentin Andrea Köhler erst einmal vorweg und bemerkt, dass sich Scham keineswegs auf das Sexuelle beschränkt, sondern Körper und Seele mit einschließt. Treichels Romanfigur heißt Albert, erzählt Köhler, und ist ein "etwas zu dicker Provinztropf", dessen Sehnsucht auf die Welt "orkanartig" ist, der aber von der Welt abgelehnt wird und auch noch in dieser unerfüllten Sehsucht gedemütigt wird. Was der Rezensentin vor allem gefällt, ist die "Virtuosität", der "Witz" und die "Lakonie", mit der Treichel die "Verwirrungen des Geschlechts ... in allen Varianten durchdekliniert". Verwirrungen deshalb, weil die Scham ein "zumindest mit dem Weiblichen identifiziertes Gefühl" sei. Darüber hinaus zeichne Treichels Roman das Bild der untergegangenen westdeutschen Republik, die Enge der Nachkriegszeit, den trügerischen Aufbruch in den siebziger Jahren und die "uneingelösten Sehnsüchte". Hier, bemerkt die Rezensentin, geht es eindeutig um den "irdischen Amor", mit "schnödem Realitätssinn" und Selbstironie, und ohne den "dunklen Glanz des Glücks" oder die "tödliche Macht der Wünsche".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.08.2002

Der 50-jährige Ulrich Treichel, für Martin Lüdke ohne Zweifel "einer der größten Begabungen unserer gegenwärtigen Literatur", hat mit "Der irdische Amor" zwar einen äußerst unterhaltsamen Roman über einen "akademischen Trottel" geschrieben, aber trotzdem seinen Humor ein wenig verspielt, meint der Rezensent. Denn Treichel lasse seinen Deppen zwar dumm "bleiben", aber er lässt nicht die Chance, selbst von dem noch etwas zu lernen. Im Gegenteil. Treichel schlage aus der "Dummheit Kapital" und damit sei der neue Roman ein Schlag ins Kontor, oder deutlicher, "in die Hose", so Lüdke wörtlich. Der Plot ist schnell erzählt. Der Kunstgeschichte-Student Albert hat einfach Pech, mit seiner Niederlassung in Rom, mit seinem Studium und mit den Frauen. "Albert bleibt ein Trottel", berichtet der Rezensent, trotz aller vergeblichen Mühe, endlich mal Erfolg zu haben. So eine Figur sei bei Treichel nichts Neues, und doch sei auch dieser neue Treichel ein Genuss, verspricht Lüdke. Wieder einmal sei es dem Professor am Leipziger Literaturinstitut gelungen, eine "flotte", "vergnügliche", "unterhaltsame" und "effektvolle" Geschichte zu erzählen, nur, kehrt der Rezensent zu seiner Ausgangskritik zurück, im Stoff stecke mehr, als der Autor umgesetzt habe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.08.2002

Eine Erzählung eher, kein Roman. Für die Rezensentin nichtsdestotrotz eine Kunsthistoriker-Satire, "auf die insbesondere Caravaggisten und ihre Feinde schon lange gewartet haben". Und eine Anleitung zum Unglücklichsein ist dieses Buch auch, "für Studierende und ewig Pubertierende" nämlich, wie Kristina Maidt-Zinke hinzufügt. Dem Helden, einem Berliner Kunststudenten und veritablen Poveretto, den es auf akademischen und liebestechnischen Exkurs nach Sardinien verschlägt und der den Vergleich mit Gregor Samsa nicht scheuen muss, attestiert Maidt-Zinke eine entsprechende Ganzkörper-Blässe. Treichels Arte-Povera-Prosa hingegen sei immerhin mit "kleinen Glanzlichtern des Komischen und Rührenden" gespickt, wobei dem Autor sein westfälischer Humor zugute komme, "dem Abgründe, Schnörkel und Bizarrerien fremd sind".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.07.2002

Eins stellt die Rezensentin Ina Hartwig gleich zu Anfang unumwunden fest: Diese "Sexualkomödie" kennt nur eine Perspektive, nämlich die des Mannes. Albert sein Name und ein Held ist er nicht. Dauererregt zwar von Kindesbeinen, gelegentliche Erfüllung nicht ausgeschlossen, alles in allem aber doch: ein "Anti-Verführer". Aufgerieben wird er zwischen der Kunstgeschichte, die er studiert, insbesondere Caravaggios vom Autor als, so Hartwig, "schweres Zeichen" herbeizitiertem "Amore vincitore" und den vielen Frauen, die nicht wollen, wie er will. Vieles endet peinlich, kein Wunder. Die Rezensentin fühlt sich, sprachlich, an Thomas Bernhard erinnert, inhaltlich eher an Nicholson Baker, das eine wie das andere ist sehr freundlich gemeint: "Funken" sprühen aus dem Buch, findet sie, "elegant" ist es und "liebevoll" bleibt die "Grundeinstellung".