Ian Kershaw

Achterbahn

Europa 1950 bis heute
Cover: Achterbahn
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2019
ISBN 9783421047342
Gebunden, 832 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. In seinem neuen Buch "Achterbahn" nimmt der Historiker die Jahre von 1950 bis heute in den Blick und spannt einen großen Bogen von der existentiellen Unsicherheit, die die Staaten Europas im Kalten Krieg durchlebten, bis zu den Herausforderungen, vor denen sie heute, in Zeiten ökonomischer und politischer Krisen stehen. Trotz einer bis heute andauernden Phase des Friedens, so Kershaw, sind die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für Europa eine Achterbahnfahrt - voller Aufs und Abs, voller Nervenkitzel und Ängste. Und mit ungewissem Ausgang.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 29.04.2019

Hans von Trotha findet Ian Kershaws Technik metaphorischer Argumentation hilfreich. Wenn der Autor in seiner Fortsetzung der Geschichte Europas bis in unsere Zeit erstarrte Metaphern wie "Tauwetter" hinterfragt und neue ins Spiel bringt, ist das laut Trotha der Veranschaulichung der historischen Umstände förderlich. Die "Matrix der Unsicherheiten", die der Autor für die Zeit nach '49 ausmacht, birgt eine Faktenfülle, die Kershaw auszuerzählen weiß, wie Trotha feststellt. Eine ereignis-, sozial- und kulturgeschichtlich vorgehende Arbeit, aus der Kohl und Gorbatschow als Ausnahmeakteure herausragen, so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.04.2019

Micha Brumlik zeigt großes Interesse an Ian Kershaws Geschichte Europas. Schon die Tatsache, dass der britische Historiker seine Erzählung von 1950 bis in die Gegenwart von Brexit ausdehnt, macht das Buch für Brumlik spannend. Kershaws Analyse der Ostblockbildung und der Entkolonialisierung scheinenen ihm lesenswert, auch wenn ihn wundert, dass der Autor den Suezkrieg auf das Jahr 1959 datiert. Mit dem Schwerpunkt auf der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien und nie nur ereignisgeschichtlich, sondern auch sozialgeschichtlich argumentierend, wie Brumlik erkennt, streicht Kershaw die Rolle des deutschen Wirtschaftswunders für Europa heraus. Themen wie die Integration von Frauen und '68 und seine Folgen kann der Autor dem Rezensenten vermitteln und kulturelle Schlaglichter auf Musik und Dichtung einflechten. Der düstere Blick in eine intolerante Zukunft wird im Buch laut Brumlik relativiert durch die Erkenntnis, dass Europa die Freiheit ja bereits errungen hat.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 02.04.2019

Otto Langels lobt den britischen Historiker Ian Kershaw für seine Geschichte Europas von 1950 bis heute. Dass Deutschland darin eine bedeutende Rolle spielt und der Autor sein Land für den Brexit kritisiert, fällt Langels auf. Ebenso die Kritik am Krieg der USA gegen den Terror. Detailreich findet Langels die Darstellung und überzeugend durch die Einordnung bedeutender Ereignisse in größere Kontexte. Hier erweist sich der Autor als Kenner geschichtlicher Vorgänge, so Langels. Doch nicht nur, stellt der Rezensent fest, wenn Kershaw auch Musik, Literatur und Film in seine Betrachtungen aufnimmt. Den Vollständigkeitsanspruch des Buches, das jedes europäische Land in seiner Entwicklung beschreibt, findet Langels allerdings leicht übertrieben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2019

Laut dem hier rezensierenden Hildesheimer Geschichtsprofessor Michael Gehler gehört Ian Kershaw mit dem zweiten Band seiner Geschichte Europas nun auch zu den ganz großen Historikernamen wie Hobsbawm oder Mazower. Der von 1950 bis in die Gegenwart reichende Band berichtet laut Gehler in einer überzeugenden Mischung aus "Querschnittbetrachtungen" u.a. vom Kaltem Krieg, von der Entstalinisierung, vom Bruch mit allen Werten in den sechziger Jahren, von der Ölkrise und dem Thatcherismus. Nicht alle Deutungen des Autors muss Gehler unterschreiben, doch insgesamt scheint ihm der Überblick überaus gelungen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.03.2019

Cord Aschenbrenner empfiehlt dringend die Lektüre von Ian Kershaws neuem Geschichtsbuch. Wie der Autor Analyse und Erzählung verbindet, scheint ihm bemerkenswert. Wenn Kershaw Gorbatschows Rolle im historischen Prozess erkundet oder die Folgen des Irakkriegs, ist Aschenbrenner genauso Ohr wie bei all den anderen Ereignissen, die der Autor anhand von Texten anderer Autoren über die jüngere Geschichte und mit eigener Gedankenschärfe angeht und chronologisch ordnet. Die so entstehende Geschichte Europas bis in die Gegenwart, düster und offen wie sie ist, ist für Aschenbrenner höchst lesenswert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.03.2019

Äußerst bemerkenswert an "Achterbahn", dem zweiten Teil von Ian Kershaws Geschichte Europas seit 1900, findet der rezensierende Freiburger Historiker Ulrich Herbert, dass sich sein britischer Kollege nicht wie üblich auf die Zeit bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion oder bis zur Jahrtausendwende beschränkt, sondern die Entwicklung tatsächlich bis in die Gegenwart nachzeichnet. Die Kapitel über die jüngsten zwanzig Jahre liest Herbert daher mit besonderer Aufmerksamkeit und großem Gewinn. Drei gravierende Fehler des Westen macht Kershaw für die zahlreichen gegenwärtigen Krisen verantwortlich, fasst der Rezensent zusammen: den abschätzigen Umgang des Westens mit Russland in den 1990er Jahren, der Putins neoimperiale Politik zur Folge hatte, den "digitalen Turbokapitalismus", der zu absurdem Reichtum auf der einen und prekärer Beschäftigung auf der anderen Seite und nicht zuletzt zur Finanzkrise von 2008 führte, sowie den Irakkrieg in Folge von 9/11, der den Mittleren Osten destabiliserte, dem Dschihadismus Auftrieb gab und letztlich auch die Flüchtlingskrise einleitete. Bisweilen vermisst Herbert bei Kershaws erzählerischem Ton die Analyse kausaler Zusammenhänge, insgesamt aber, daran lässt der Rezensent keinen Zweifel, gibt es für das Verständnis der Gegenwart "derzeit kaum etwas Sinnvolleres als die Lektüre dieses klugen Buches".
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