Inger-Maria Mahlke

Archipel

Roman
Cover: Archipel
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
ISBN 9783498042240
Gebunden, 432 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

"Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten. In La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 Grad. Der Himmel ist klar, wolkenlos und so hellblau, dass er auch weiß sein könnte". Damit fängt es an. Und mit Rosa, die zurückkehrt auf die Insel und in das heruntergewirtschaftete Haus der vormals einflussreichen Bernadottes. Rosa sucht. Was, weiß sie nicht genau. Doch für eine Weile sieht es so aus, als könnte sie es im Asilo, dem Altenheim von La Laguna, finden. Ausgerechnet dort, wo Julio noch mit über neunzig Jahren den Posten des Pförtners innehat. Julio war Kurier im Bürgerkrieg, war Gefangener der Faschisten, er floh und kam wieder, und heute hütet er die letzte Lebenspforte der Alten von der Insel. Julio ist Rosas Großvater. Von der mütterlichen Seite. Einer, der Privilegien nur als die der anderen kennt. Inger-Maria Mahlke führt rückwärts durch ein Jahrhundert voller Umbrüche und Verwerfungen, großer Erwartungen und kleiner Siege. Es ist Julios Jahrhundert, das der Bautes und Bernadottes, der Wieses, der Moores und González' - Familiennamen aus ganz Europa. Aber da sind auch die, die keine Namen haben: Die Frau etwa, die für alle nur 'die Katze' war: unverheiratete Mutter, Köchin, Tomatenpackerin - und irgendwann verschwunden. Denn manchmal bestimmen Willkür, Laune oder Zufall  über das, was geht, und das, was kommt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2018

Rezensentin Judith von Sternburg hat sich von Inger-Maria Mahlke gern in die Vergangenheit Teneriffas führen lassen: Mahlke erzählt in umgekehrter Chronologie von den dort ansässigen Familien Baute und Bernadotte. Dabei sind ihr sogar Cliffhanger gelungen, staunt die begeisterte Rezensentin. Geschickt beleuchte die Autorin so die historischen Ereignisse zwischen 1919 und 2015, vor allem die Franco-Diktator und ihre Folgen seien "unausgesprochen allgegenwärtig". Die Zeit selbst scheint der beeindruckten Rezensentin deshalb eines der Hauptthemen des Romans zu sein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.09.2018

"Archipel" erzählt laut Rezensent Christoph Schröder die Geschichte Teneriffas als eine des allgegenwärtigen Verfalls: Hier werde über die Zeitspanne von 2015 bis zurück ins Jahr 1919 geschildert, wie die Familienmitglieder der Bautes und Bernadottes sämtlich scheitern und die Natur der Insel zeitgleich leidet. Den Anfang des Romans fand Schröder noch äußerst beeindruckend, denn hier entfaltet die Autorin in seinen Augen ihr Talent, mit sprachgewaltigen Milieu- und Ortsbeschreibungen Atmosphären heraufzubeschwören. Allerdings nimmt die umgekehrte Chronologie dem Roman seiner Meinung nach zunehmend die Spannung, weshalb er lieber die einzelnen Passagen für sich genommen bewundert - im Ganzen betrachtet, überzeugt ihn "Archipel" nicht unbedingt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.09.2018

Rezensentin Ursula März findet heraus, was an Inger-Maria Mahlkes Roman schwierig ist: Das Gewagte der Konstruktion. Mahlke erzählt ihr Teneriffa-Epos über fünf Generationen rückwärts von 2015 bis 1919, wird laut März gebremst von der Fülle des empirischen Materials im Text, das die Autorin aus eigener Teneriffa-Zeit beisteuert. Der Erkenntnisgewinn durch Details wird letztlich vom Gefühl des Überkonstruierten überwogen, so März. Für bewundernswert hält die Rezensentin Mahlkes Sinn für Logik, der sich hier in der für März durchaus originellen antichronologischen Erzählweise zeigt. Der "hochinteressante" Stoff aber leidet letztlich darunter, findet sie.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.08.2018

Rezensentin Eva Behrendt hat Inger-Maria Mahlkes Roman "Archipel" als "Geschichtspanorama" der Kanaren gelesen. In umgekehrter Chronologie und mit vielen liebevollen Detailaufnahmen erzählt die Autorin von Familie Baute-Gonzalez und ihren Dienstboten, schreibt Behrendt. Dabei entfalte sie nach und nach den Kontrast zwischen großbürgerlich-kolonialem Leben und den kleinen Leuten, die auch im Jahr 2015 oftmals noch immer ein leibeigenenähnliches Dasein fristen. Besonders gelungen findet die Rezensentin, dass die geschilderten Momente immer weniger detailreich werden, je weiter die Geschichte in die Vergangenheit vordringt, denn so bildet Mahlke in ihren Augen ab, wie Erinnerungen tatsächlich aufgebaut sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.08.2018

Rezensentin Sandra Kegel kann sich keine bessere Begleitung für eine Jahrhundertreise durch die Kanaren vorstellen, als die Autorin und Juristin Inger-Maria Mahlke, die selbst auf Teneriffa aufwuchs. Die Kritikerin liest hier die komplett auf Chronologie verzichtende und multiperspektivisch erzählte Geschichte verschiedener Familien, die allesamt aus unterschiedlichen Beweggründen auf Teneriffa gelandet sind, springt von der Gegenwart zum Spanischen Bürgerkrieg zu den Kolonialkriegen und zurück, erlebt allerhand Tragödien und staunt nicht nur, wie Mahlke Ursache und Wirkung auf den Kopf stellt, sondern auch das große Ganze erst nach und nach zusammensetzt und doch stets im Blick behält. Die reduzierte, mit spanischen und kanarischen Begriffen durchsetzte Sprache macht dabei den besonderen Reiz aus, findet Kegel.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.08.2018

Rainer Moritz hält Inga-Maria Mahlkes Roman für bemerkenswert. Als "eigenständige Stilistin" mit "spartanischer" Sprache tritt ihm die Autorin hier entgegen. Den Roman findet er kühn konzipiert als Geschichte Teneriffas, die sich zu einem "Lehrstück" über das 20. Jahrhundert weitet, so Moritz. Auch wenn manches im "Schnelldurchlauf" berichtet wird, bleibt die Verbindung von privaten Schicksalen und Historie (Franco, Westsahara-Konflikt etc.) für Moritz stets anschaulich und frei von Besserwisserei.