J. M. Coetzee

Die Schulzeit Jesu

Roman
Cover: Die Schulzeit Jesu
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018
ISBN 9783103973099
Gebunden, 320 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke. In der Fortsetzung von 'Die Kindheit Jesu' schreibt der Nobelpreisträger J. M. Coetzee in seinem neuen Roman über Immigration und das Rätsel vom Ankommen. Der kleine Junge David und seine Stiefeltern Inés und Simón geraten auf der Suche nach einem neuen Leben nach Estrella. Beschützt von seinem Hund Bolívar schließt David neue Freundschaften und tobt über die Felder. Aber er wird schon sieben und muss eine Schule finden. Unterstützt von den geheimnisvollen drei Schwestern wird David in die Tanzakademie aufgenommen. In seinen goldenen Tanzschuhen lernt er, die edlen Zahlen vom Himmel zu rufen. J. M. Coetzee entfaltet sein Denken in Geschichten, die Fragen stellen, und gibt sie dem Leser als Rätsel weiter. Existentielle Situationen stellt er in seinen Romanen wie auf einer Experimentierbühne nach: was es bedeutet, Eltern zu sein, heranzuwachsen, seinen Platz im Leben zu finden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.03.2018

Rezensentin Judith von Sternburg zeigt sich zunächst genervt von den vielen Warum-Fragen, die J.M. Coetzees inzwischen sechsjähriger Jesus-Wiedergänger David seinen Eltern in diesem Roman stellt. Immerhin: So belehrend wie beispielsweise Eric-Emmanuel Schmitt kommt der Autor nicht zuletzt dank seiner "mageren", von Reinhild Böhnke gelungen ins Deutsche übersetzten Sprache nicht daher, atmet die Kritikerin auf, die zudem lobend erwähnt, dass Coetzee große philosophische Lebensfragen ohne kulturelle Färbungen untersucht und keine leichtfertigen Antworten bietet. Dass der Autor noch eine "krude" Sex- und Mordgeschichte unterbringt und die unterschiedlichen Erzählstränge offen enden lässt, scheint der Rezensentin gefallen zu haben. Zumindest fürchtet sie die Fortsetzung nicht, wie sie erklärt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.03.2018

Stephan Wackwitz scheint Gefallen zu finden an der "Übermalung" der Lebens- und Sterbensgeschichte Jesu Christi durch J. M. Coetzee. Coetzees zweiten Teil dieser Anverwandlung des heiligen Textes ist für den Rezensenten der Versuch, einen Gott als Menschen zu erzählen. Dass der Autor an der "Leerstelle" der kanonischen Evangelien ansetzt, die über die Lebenszeit Jesu vor seiner eigentlichen Wirkungszeit schweigen, hält Wackwitz für raffiniert. Die Frage, was wäre, wenn Jesus neben uns im Bus sitzen würde, beantwortet ihm der Autor unter Umgehung des Risikos der Banalität, indem er die Realität seiner Geschichte surrealistisch verfremdet. Anders als viele andere Rezensenten findet Wackwitz den Text weder seltsam noch unverständlich.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.03.2018

Rezensent Andreas Isenschmid scheint selbst nicht recht zu wissen, ob er die mindestens drei Böden, die J.M. Coetzees Roman "Die Schulzeit Jesu" habe, tragend findet. Der zweite Band des Jesus-Zyklus führt den Leser in ein "fiktives philosophisches Experimentalgelände", in dem das Wunderkind David die großen Fragen des Lebens stelle, informiert der Rezensent. Nicht nur mit den Namen der Figuren, sondern auch mit der Frage, ob der Handlungsort das Jenseits sei, und mit den vielen intertextuellen Bezügen spielt der Autor nach Isenschmid "penetrantes Gedankenschach". Die Geschichte ist dennoch leicht zu lesen, wundert sich der Rezensent, Coetzee könne in karger Prosa beeindruckend gut über die gewichtigsten Lebensfragen sinnieren. Allerdings scheinen Dostojewski und Platon, die Coetzee Pate standen, auf Isenschmid doch einen nachhaltigeren Eindruck gemacht zu haben als "Die Schulzeit Jesu".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2018

Nach "Die Kindheit Jesu" liegt nun also die "Schulzeit" vor und Rezensent Lothar Müller ist hingerissen. Nicht nur, weil Coetzee hier mit gewohnt "spröder" Erzählstimme erneut von jenem David erzählt, dessen Lebensgeschichte kaum Parallelen zu jener Jesu aufweist - spielt sie doch im 20. Jahrhundert und erinnert eher an den Don Quijote, wie der Kritiker informiert, sondern auch, weil Coetzee ein herrlich "düsteres Feuerwerk der Leidenschaften" zündet, so Müller. Mehr noch: Wenn der Autor seinen Helden in eine Anstalt schickt, in der Sex, Wahn und Tod regieren, meint der Kritiker gar den Pulsschlag Dostojewskis zwischen den Zeilen fühlen zu können.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.02.2018

Angela Schader liest J. M. Coetzees Fortführung der Geschichte Jesu in der "bewährten" Übertragung durch Reinhild Böhnke mit Skepsis. Wie ernst es Coetzee mit den im Buch dargestellten esoterischen Lehrjahren des Kindes ist, wird für Schader nicht klar. Aber dass sogar gewogene Leser hier ihre Zweifel haben dürften, ahnt die Rezensentin schon. Erzähltechnisch scheint ihr der Band geradezu auseinanderzubrechen durch die Kollision der ätherischen Geisteswelt mit dem Drama eines Mordes von dostojewskijscher Tragweite, willkürlich und ungesühnt.