Jan Dietrich Reinhardt

Alkohol und soziale Kontrolle

Gedanken zu einer Soziologie des Alkoholismus
Cover: Alkohol und soziale Kontrolle
Ergon Verlag, Würzburg 2005
ISBN 9783899133837
Kartoniert, 118 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Das Buch stellt den vorherrschenden medizinischen und psychologischen Perspektiven auf Alkoholabusus und -abhängigkeit eine soziologische Sichtweise gegenüber, die das medizinisch-psychologische 'Alkoholismus'-Modell teils kritisiert, teils ergänzt.
Dies geschieht in Kombination einer differenzierungstheoretischen mit einer disziplinierungstheoretischen Herangehensweise.
Ein erster Abschnitt rekonstruiert die Problematisierung sowie die spätere Medizinisierung des Alkoholkonsums historisch, und setzt sie zu gesellschaftsstrukturellen Entwicklungen in Bezug. Hierzu wird insbesondere Norbert Elias Theorie der Zivilisation mit Michel Foucaults Theorien der Psychatriesierung und der Bio-Macht verknüpft. Es wird gezeigt, dass sich hinter dem Alkoholismusdiskurs ein typisch modernes Disziplinierungsdispositiv verbirgt.
Der darauf folgende Teil beschäftigt sich mit dem 'disease concept of alcoholism' (Jellinek) und der Funktion der Krankenrolle (Parsons) für die Disziplinierung des Individuums. Ebenso werden die Normstrukturen gängiger Diagnoseverfahren und Screening-Instrumente analysiert, wobei u.a. zwischen klinischen und statistischen Normalbereichen, sozialen Trinknormen und Rollennormen unterschieden wird.
Auf diese Weise können schließlich im letzten Themenabschnitt des Buches, der sich der Ätiologie des Alkoholismus widmet, differenzielle sozialepidemiologische Verteilungen von Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit erklärt werden, die u.a. auf die soziale Isolation bzw. direkte soziale Kontrolle von Individuen zurückgeführt werden wie auch auf die unterschiedliche Normstruktur der Diagnoseinstrumente. Es wird gezeigt, dass eine an Überlegungen Emile Durkheims zum Selbstmord anschließende Theorie des 'egoistischen Alkoholismus' eine gewisse Plausibilität besitzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.07.2005

Eine "anregende Lektüre" sieht Rezensent Andreas Platthaus in Jan Dietrich Reinhardts Studie "Alkohol und soziale Kontrolle". Wie er berichtet, bietet die erste Hälfte der Diplomarbeit einen historischen Überblick über die Trunksucht, den er "kreuzbrav", aber "solide recherchiert" und "methodologisch gut abgesichert" nennt. Richtig interessant wird es für ihn erst in der zweiten Hälfte: die beginne mit einer "spannenden" Erörterung des Verständnisses von Alkoholismus als abweichendes Verhalten und führe zu einer Analyse der Testverfahren zur Entscheidung der Frage, ob man es mit einem Alkoholabhängigen zu tun hat oder nicht. Platthaus hält fest, dass Reinhardt den sozialen Blick auf das Phänomen betont. Den Nutzen des soziologischen Blicks beweise Reinhardt in einer Fortführung von Emile Durkheims Analyse des Selbstmordes als Folge von steigenden Selbstkontrollanforderungen in der modernen Gesellschaft.
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