Javier Marias

Tomás Nevinson

Roman
Cover: Tomás Nevinson
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783103971323
Gebunden, 736 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Eigentlich hat Tomás Nevinson mit dem Geheimdienst abgeschlossen. Doch sein ehemaliger Chef verführt ihn mit einem neuen Auftrag: Nevinson soll in einer spanischen Kleinstadt eine Terroristin, die sich an früheren Anschlägen der ETA und der IRA beteiligt hat, aufspüren und beseitigen. Als er mit einer Frau, die als Zielperson in Frage kommt, eine Beziehung eingeht, gerät er in Gewissenskonflikte.  Lassen sich Schuld und Unschuld zweifelsfrei erkennen? Und darf man einen Menschen töten, um ein größeres Verbrechen zu verhindern?

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 14.11.2022

Zwei Monate nach dem Tod von Javier Marías liegt sein letztes Buch auf Deutsch vor. Mit "Tomás Nevinson", findet Dirk Fuhrig, habe der spanische Schriftsteller noch einmal "eine radikal pessimistische" Studie des menschlichen Wesens vorgelegt. Wer Marías' Roman "Berta Isla" kennt, ist klar im Vorteil. Denn, so Fuhrig, zusammen bildeten die Bücher ein Paar. Angeworben vom britischen Geheimdienst soll der in England und Spanien aufgewachsene Nevinson den Terrororganisationen IRA und ETA auf die Spur kommen. Drei Frauen sind ihm verdächtig. Für Fuhrig ist die Geschichte viel mehr als ein spannender Geheimdienst-Thriller. Denn in seinem unvergleichlichen Stil habe Marías - im ständigen Perspektivwechsel der Figuren - über Schuld, Sühne und Scheinheiligkeit einen "meisterhaft" letzten Roman geschrieben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2022

Wenn Javier Marías in seinem Roman "Tomás Nevinson" von einem Agenten erzählt, der eine Eta-Terroristin ausschalten soll, dann stellt sich Rezensent Josef Oehrlein darauf ein, dass dieser Plot nur der Anlass ist für eine umfassende Wanderung durch die Gedankenwelt des spanischen Autors. Und tatsächlich entfaltet Marías hier vom Mordauftrag ausgehend weitschweifige Reflexionen über das Töten verurteilter Frauen oder das Anzetteln sinnloser Kriege, spickt sie mit etlichen Zitaten und führt über zahlreiche Umwege und Rückblenden an das Ziel seines Erzählens, so der Kritiker. Dabei schreibt Marías schnörkellos und unprätentiös, betont Oehrlein, der den Roman auch atmosphärisch dicht am Spanischen von Susanne Lange übersetzt findet. Für den Rezensenten ist dieser kurz vor dem Tod des Autors entstandene Roman ein geradezu "prophetisches Schlusskapitel" in Marías' gewaltigem Werk.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2022

Hymnisch bespricht Rezensent Rainer Moritz den letzten Roman des kürzlich an Covid gestorbenen Autors Javier Marias. Das Buch ist eine Fortführung von "Berta Isla", erklärt der Kritiker, der noch einmal dem titelgebenden Tomas Nevinson, britischer Agent im Vorruhestand, ins Geheimagentenmilieu der späten Neunziger folgt, um die Nordirin Magdalena Orue O'Dea aufzuspüren, die mutmaßlich für die ETA-Terroranschläge in Barcelona und Saragossa von 1987 verantwortlich ist. Mit vollem Körpereinsatz beginnt Tomas zu recherchieren, eine Restaurantbesitzerin, eine Lehrerin und eine Bauunternehmersgattin kommen in Betracht. Der Rezensent bewundert, wie Marias Exkurse zu Shakespeare, Hölderlin, Baudelaire oder Yeats, außerdem moralphilosophische Fragen einflicht. Und dass dieser herrlich entschleunigte Roman dann auch noch mit Spannung, eleganter Prosa und einer exzellenten Übersetzung von Susanne Lange punktet, macht ihn für Moritz endgültig zum Ereignis.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.10.2022

Rezensentin Meike Feßmann liest diesen letzten Roman von Javier Marias mit Begeisterung. Der kreiselnde, abschweifende Stil des Autors nimmt sie erneut gefangen. Mit Kenntnis der in "Berta Isla" geschilderten Vorgeschichte macht der neue Text noch mal so viel Freude, versichert Feßmann. Wenn der Ex-Agent Tomas Nevinson 1997 vor dem Hintergrund der ETA-Attentate der achtziger und neunziger Jahre von Marias noch einmal auf eine Fährte angesetzt wird, entsteht laut Feßmann ein "Zeitbild von hoher emotionaler Tiefenschärfe", wobei sie den erst kürzlich verstorbenen Maria zugleich als Meister der literarischen Unschärfe preist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.09.2022

Fasziniert, fast schon ehrfürchtig blickt Rezensent Arno Widmann auf das letzte Buch des kürzlich verstorbenen spanischen Autor Javier Marías und auf dessen Schreiben generell. Der Roman beginnt mit einem Mordauftrag, schwingt sich dann aber schnell zur Marías-typischen, eigenwilligen Form auf, die zwischen Erzählung und Essay changiert, analysiert Widmann: Wie in einer Symphonie schiebe sich bei Marías vor das erste musikalische Motiv der Handlung immer wieder ein zweites - in diesem Fall essayistische, in Teilen erörternde Passagen über die perfide Diskrepanz zwischen anerzogener Achtung von Frauen und ihrer gesellschaftlichen Drangsalierung bis hin zur gezielten Ermordung, oder auch eingeschobene Listen mit Namen von Terroropfern - und diese beiden Motive so aufeinander abzustimmen, dass der Leser in einer Grundspannung gehalten wird, beherrsche Marías perfekt, schwärmt Widmann. Wie der Autor, Sohn des Philosophen Julián Marías Aguilera, außerdem die "Unklarheit" des ganzen Daseins in seinem Schreiben hervorkehre, mit Traurigkeit, aber auch Humor, berührt den Kritiker - eindrücklich bündele sich dies im von Susanne Lange hervorragend übersetzten Schlusssatz des Romans, der mit dem Wort "vielleicht" endet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.09.2022

Rezensentin Sigrid Löffler macht Lust auf den letzten Roman von Javier Marias. Wie der Autor seine Geschichte um den Spion Tomas Nevinson mit einem veritablen Eheroman verschneidet, die Spannungsdramaturgie "spielerisch" dehnt und verlangsamt, findet Löffler genial. Wer sich darauf einlässt, so verspricht Löffler, bekommt eine Eheerzählung über Lüge, Verrat und Betrug im Mantel des Spionage-Thrillers. Für Löffler ein Kunststück, weil Marias' Exkurse, Verweise und Abschweifungen nie zulasten der Spannung gehen.
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