Jörg Steiner

Wer tanzt schon zu Musik von Schostakowitsch

Roman
Cover: Wer tanzt schon zu Musik von Schostakowitsch
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518411735
Gebunden, 106 Seiten, 16,36 EUR

Klappentext

Goody Eisinger ist ein Philosoph, heißt es in der Stadt. Hier wurde er geboren, hier ist er mit dem Bruder zusammen aufgewachsen, hier Vorarbeiter in den städtischen Werkhöfen gewesen, hier Aufseher im Museum für Vorgeschichte geworden, hier geblieben und von hier weggegangen, ohne Abschied zu nehmen. Eines Tages ist er einfach verschwunden, tot oder untergetaucht; und seinem Bruder bleibt nichts anderes als das Unvermeidliche ? von Goody zu erzählen. Und damit auch von sich. Goody ist einer, den die Leute mögen, weil er so erstaunliche und, wie er sagt, wahre Geschichten erfindet, in dessen Gegenwart sich jeder wohl fühlt und sogar "die Äpfel singen". Nach Goodys Verschwinden nistet sich der Bruder in dessen Wohnung ein, hört Musik von Schostakowitsch und entwickelt das Bild einer spiegelbildlichen Realität, in der die Welt nur existiert, indem der Erzähler einem Zuhörer von ihr berichtet. Doch inwieweit verwandelt die Erinnerung an Liebe und Liebesverrat, je intensiver sie wird, den Erinnernden?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Hajo Steinert ist des Jubels voll - "ein stiller Jubel", wie der Rezensent maßvoll bemerkt -, weil er auf ein Buch gestoßen ist, das wunderbar "provinziell und unaufdringlich" (die Schweiz!) eine Familiengeschichte, einen verkappten Liebesroman, einen Bruderzwist schildert, zugleich aber fern von allen Klischees, raffiniert konstruiert und mit einer atemberaubenden Sprache vom "Glück des Versagens" und Verschwindens berichtet. "Jeder ist in diesem Roman jedem ein Rätsel", schwärmt Steinert, die Figuren sich selbst und untereinander und dem Autor und dem Rezensenten auch. Die sympathischere Figur - eine echte Robert-Walser-Figur, meint Steinert mit einer weiteren Verbeugung vor dem Schweizer Autor - verschwindet irgendwann, und die unsympathischere macht sich daran zu ergründen, was an der anderen so sympathisch und an sich selbst so unsympathisch war. Für den einen ist das Verschwinden des anderen eine Chance, folgert Steinert und meint, die Geschichte des ungleichen Brüderpaars sei eigentlich furchtbar traurig, aber so rührend und so liebevoll erzählt, dass der Rezensent, wie schon gesagt, aus dem Jubeln nicht mehr herauskommt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.10.2000

Ohne Einschränkung begeistert ist der Rezensent Rolf-Bernhard Essig von Jörg Steiners neuem Roman und nennt ihn ein "erzählerisches Wunderwerk". Der Fluss von Steiners Text erinnert ihn an Rilke. Das Erzählmotiv "Bruderverhältnis" betrachtet Essig - wie er an Beispielen belegt - sowieso als ergiebigen Stoff, und Steiners Bearbeitung dieser Idee hat ihn so begeistert, dass er den Roman gleich dreimal durchgelesen hat: "Unauslotbar ist seine Kompositionskunst, wundervoll sein Sprachrhythmus, [.?] hochpoetisch die Kleinstadtalltags-Verzauberung", fasst er die erzählerischen Qualitäten des Buches zusammen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.10.2000

Um zwei Brüder geht es hier, schreibt Samuel Moser: um, "Goody", dem alles gelingt, auch wenn alles schief geht, und Niklaus, der ihn sich vorstellt, denn "Goody" ist verschwunden, verschwindet am Ende des Buches noch einmal, und ist vielleicht sowieso nur eine Erfindung des Bruders. Samuel Moser ist entzückt, aber, wie es scheint, auch ein wenig ratlos, wie er dem Leser das Buch schmackhaft machen kann. So ist es etwa kein Buch, das "eine Geschichte erzählt", wie er schreibt. Vielmehr "handelt (es) von einem Geschichtenerzähler. Also auch vom Schweigen, das jeder Geschichtenerzähler um sich herum verbreitet." Jörg Steiner lehrt, so Moser, dass jeder Schriftsteller vor dem Schreiben zunächst Zuhören muss. Und dieses Zuhören, so legt der Rezensent nahe, führt zu Stimmen, die er dann gewähren lässt, nicht in Hierarchien verstrickt, und von denen daher auch keine mehr Recht hat als die andere. Nicht "der Stoff" des Erzählten stammt von ihm, sondern der "Pulsschlag". "Ein Buch, das man hören muss, wenn man es liest", schreibt Moser.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.08.2000

Geradezu hymnisch feiert Beatrice von Matt diesen Roman. Die Geschichte von einem Bruderzwist, die den alten Kain-und-Abel-Konflikt verarbeitet, sei ein "neuer Höhepunkt" im Werk des Autors, schwärmt die Rezensentin. Sie preist die genauen Figurenporträts, die poetische Sprache und die "irrlichternde Philosophie", mit der der Autor seine Erzählung unterfüttere. Dieses äußerst spannende Buch sei ein "Kunstwerk, wie man es nicht alle Tage zu Gesicht bekommt", so die begeisterte Rezensentin.