Josef Haslinger

Mein Fall

Cover: Mein Fall
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020
ISBN 9783100300584
Gebunden, 144 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Als Zehnjähriger wurde Josef Haslinger Schüler des Sängerknabenkonvikts Stift Zwettl. Er war religiös, sogar davon überzeugt, Priester werden zu wollen, er liebte die Kirche. Seine Liebe wurde von den Patres erwidert. Erst von einem, dann von anderen. Ende Februar 2019 tritt Haslinger vor die Ombudsstelle der Erzdiözese Wien für Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Dreimal muss er seine Geschichte vor unterschiedlich besetzten Gremien erzählen. Bis der Protokollant ihn schließlich auffordert, die Geschichte doch bitte selbst aufzuschreiben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.02.2020

Rezensent Martin Lhotzky empfiehlt Josef Haslingers Schilderung seines eigenen Missbrauchs im bäuerlich-katholischen Milieu einer Klosterschule. Nichts Aufbauendes oder nur Tröstliches enthält es laut Rezensent zwar, aber lesenswert scheinen ihm Haslingers Schilderungen, die auch die Aufarbeitung der fast 50 Jahre zurückliegenden Erfahrungen beeinhaltet und den Versuch, aus dem eigenen Fall eine Affäre zu machen, dennoch. Literarisch soll der Leser aber lieber nicht viel erwarten, rät Lhotzky.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.02.2020

Rezensent Rudolf Neumaier zeigt sich tief verstört angesichts von Josef Haslingers Bericht über seine Erlebnisse als Schüler an einem Klosterinternat und den erfahrenen sexuellen Missbrauch durch den verantwortlichen Pater einerseits, über die ernüchternden Erfahrungen, diesen Missbrauch publik zu machen, andererseits. Bewegend findet er die geschilderte "Opferschutz-Odyssee", literarisch brillant erscheint ihm, wie Haslinger dieselbe mit den Kindheitsvorgängen verwebt. Dass der Autor eine Art lebenslanges "Stockholm-Syndrom" offenbart und nur wenige Details beschreibt, lindert Neumaiers Verstörung kaum.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 14.02.2020

Rezensent Ralph Gerstenberg ist beeindruckt von Josef Haslingers Buch über die eigene sexuelle Missbrauchsgeschichte. Nachdem Haslinger 1983 bereits eine fiktionale Erzählung zum Thema veröffentlichte, erscheint nun diese sehr "sachliche" Abhandlung, so Gerstenberg, in der der Autor berichtet, wie er in den 60er Jahren als Kind im Stift Zwettl von mehreren Mönchen sexuell missbraucht wurde. Detailliert und nüchtern, so der Rezensent, erzählt der Autor in kurzen Sätzen von der Ahnungslosigkeit seiner Mutter, von seinem einstigen Schutzmechanismus, sich nicht in der Position des Opfers, sondern des "Mitspielers" zu denken, und davon, wie er die Täter immer noch nicht am Pranger sehen will und sie deshalb - sofern noch nicht verstorbenen - anonym hält, was ja an sich zunächst wenig nachvollziehbar scheint, merkt Gerstenberg an. So gerate dem Autor eine "aufrichtige und selbstreflexive" Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit, lobt der Rezensent und nennt die Lektüre "aufwühlend und erhellend".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.02.2020

Rezensentin Petra Pluwatsch dankt Josef Haslinger für seine offenen Worte zum sexuellen Missbrauch im Stift Zwettl und zu seinen eigenen Erfahrungen dort als Sängerknabe. Dass es 50 Jahre gedauert hat, bis der Autor "Klartext" redet, kann die Rezensentin verstehen angesichts des perfiden psychologischen Bündnisses zwischen Täter und Opfer, wie es Haslinger am eigenen Beispiel schildert. Ein Lehrstück, das über die bloße Fallschilderung hinausgeht, meint Pluwatsch.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.02.2020

Rezensent Christoph Schröder liest Josef Haslingers Buch mit Bestürzung. Was der Autor als Internatsschüler im Stift Zwettl an sexueller Gewalt erleben musste und hier erinnert, entzieht sich laut Schröder jeder Kritik. Die Art der Darstellung, eine Mischung aus Reportage, Memoir und Chronik, jedoch kann der Rezensent bemerkenswert finden, schlüssig und durch Haslingers Sinn für Ambivalenzen und Zweifel in der Wirkung auf den Leser nur noch beklemmender.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.01.2020

Josef Haslinger beschreibt in diesem Buch seine Missbrauchsgeschichte als kindliches Opfer physischer und sexueller Gewalt im Kloster Zwettl, rechnet aber auch mit den österreichischen Opferschutzverbänden ab, die ihn nach seinem Hilfeersuchen zunächst nur herumreichten, erklärt Rezensent Jens Uthoff. Der Kritiker versteht, dass Haslinger sich einfachen Täter-Opfer-Schemata verweigert, aber dennoch offenlegen wollte, wie sehr ihn seine Erlebnisse verfolgen. Auch wenn Haslingers Bericht ihm wie die Suche nach der Wahrheit erscheint, stehen die Dämonen des Autors dem Rezensenten jetzt nur allzu deutlich vor Augen.