Lutz Raphael

Jenseits von Kohle und Stahl

Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom
Cover: Jenseits von Kohle und Stahl
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783518587355
Gebunden, 525 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden viele Staaten Westeuropas von einem beispiellosen Strukturwandel erfasst: Die Fabriken der alten Industrien verschwanden, Millionen von Arbeitsplätzen gingen verloren, vormals boomende Städte gerieten in die Krise und neue soziale Fragen bestimmten die politische Agenda. Was aber ist aus dem stolzen Industriebürger geworden - aus seinen Arbeitsplätzen, Karrierewegen und Wohnquartieren? Wie haben sich soziale Rechte und politische Teilhabe von Arbeiterinnen verändert, als der Wettbewerb global, das Management schlank und der Finanzkapitalismus dominant wurde? Welche Ideen und Ideologien begleiteten den Wandel?Am Beispiel der Industriearbeit in Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik erzählt Lutz Raphael die außerordentlich vielschichtige und spannende Geschichte der westeuropäischen Deindustrialisierung. Sie dauerte drei Jahrzehnte, ging mit einer Steigerung der Produktivität und des Lebensstandards einher, brachte aber auch Niedriglöhne, wachsende Ungleichheiten und eine Krise der demokratischen Repräsentation. Und vielleicht das Entscheidende: Sie wirkt bis heute fort - als Vorgeschichte unserer postindustriellen Gegenwart. Dieses Buch hilft, sie zu verstehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2019

Der Historiker Lutz Raphael hat sich mit seiner Gesellschaftsgeschichte Westeuropas einiges vorgenommen, meint Rezensentin Jenny Hestermann. Aber die Rechnung geht auf, fügt sie hinzu: Wie der Autor den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft in Folge des Aufstiegs des Neoliberalismus in Deutschland, Großbritannien und Frankreich skizziert, findet die Kritikerin aufschlussreich, auch im Hinblick auf die Verbindungen von Struktur- und Sozialgeschichte, die Raphael zieht. Sie liest hier von der Entstehung neuer Armutsregionen und der Auflösung "soziokultureller Milieus" zwischen 1970 und 2000 und lobt vor allem, dass der Autor sein Interesse nicht nur auf die "Musealisierung der industriellen Lebenswelten" richtet, sondern auch die sprachliche Repräsentation mit in den Blick nimmt: Die "Bilder von oben und unten" seien maßgeblich durch Medien, Wissenschaft und Politik geprägt worden, liest sie. Raphaels Vorstoß, den Begriff der Gesellschaftsgeschichte zu erneuern, indem die "Idee national abgeschlossener Räume" überwunden werde, stimmt die Rezensentin gern zu. Ein lesenswertes und aktuelles Buch, schließt sie.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.08.2019

Auch wenn Lutz Raphaels These, dass der Krise der politischen Repräsentation der Rechtspopulismus folgt, für den Rezensenten wenig überraschend ist, lernt Jens Balzer eine Menge mit diesem Buch. Wie grundsätzlich und differenziert der Autor zu dieser Erkenntnis hinführt, indem er den Auswirkungen des ökonomischen Umbruchs von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft bis in die kleinsten privaten Verästelungen nachspürt, scheint ihm lesenswert. Die gewählte Perspektive des Malochers, der Vergleich verschiedener Länder und die Verbindung aus Wirtschafts- und Kulturgeschichte machen das Buch für Balzer zu einer besonderen Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.06.2019

Rezensent Gustav Seibt gefällt die Nüchternheit, mit der Lutz Raphael sein umfangreiches Material bändigt, um eine vergleichende Gesellschaftsgeschichte der Industriearbeit im 20. Jahrhundert in Großbritannien, Frankreich und Deutschland zu schreiben. Dass er Bildung und Globalisierung nur streift, kann Seibt verkraften, schon weil der Autor die Krisen der 70er Jahre und ihre Folgen dafür umso genauer vergleichend herausarbeitet, den Blick tief in soziale Wirklichkeiten versenkend. Bedauerlich findet Seibt die zahlenselige Kleinteiligkeit des Buches, die den Leser seiner Meinung nach stellenweise überfordert.
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