Marcel Proust

Marcel Proust: Briefe

1879 - 1922. Zwei Bände
Cover: Marcel Proust: Briefe
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
ISBN 9783518425404
Gebunden, 1479 Seiten, 78,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Jürgen Ritte, Achim Russer und Bernd Schwibs. Marcel Proust war ein äußerst produktiver Briefschreiber. Für den Dichter, der häufig ans Bett gefesselt war, trat der Brief oft an die Stelle des persönlichen Gesprächs. In seinen Korrespondenzen erleben wir den Autor von den verschiedensten Seiten: als Schriftsteller, der mit seinem Verleger bis buchstäblich zum letzten Atemzug um jede Zeile seines Werkes kämpft. Als mutigen Literaten, der im Skandalprozess um den jüdischen Hauptmann Dreyfus früh das Wort ergreift und sich für den zu Unrecht Verurteilten einsetzt. Als Muttersohn und als Werbenden in homoerotischen Freundschaften. Diese erste umfassende deutsche Briefausgabe mit ihren annähernd 600 Briefen an Freunde, an die Mutter, an Schriftstellerkollegen, Gesellschaftsmenschen, Kritiker und Verleger dokumentiert aus Prousts unzensiert-privater Sicht seine ganze Entwicklung von den frühen literarischen Fingerübungen bis hin zur Vollendung der Recherche.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.02.2017

Stefan Zweifel legt sich ins Bett neben Marcel Proust und die Druckfahnen der "Recherche". Diese zweibändige Auswahl mit Briefen Prousts ist für Zweifel ein Quantensprung. Einmal weil sie ein "Paralleluniversum" zum Werk eröffnet, in dem der Autor hustend, durchaus intrigant, schmeichelnd und parodistisch, exzentrisch und beißend die Pariser Gegenwart kommentierend waltet. Zum anderen, da sie im Vergleich zur alten Briefausgabe bei Suhrkamp mit "mustergültiger" Chronologie und unterhaltsamen Porträts der Briefpartner aufwartet. Dass die drei Übersetzer nicht unbedingt zu stilistischer Eintracht finden, wie Zweifel anmerkt, scheint da schon beinahe lässlich.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.12.2016

Immerhin 572 der schätzungsweise 90000 Briefe Marcel Prousts liegen nun in einer vorbildlich editierten und kommentierten Ausgabe durch Jürgen Ritte auf Deutsch vor, schwärmt Andreas Isenschmidt. Der Rezensent taucht fasziniert in die Lebenswelt des Autors, der die letzten siebzehn Lebensjahre krankheitsbedingt überwiegend im Bett verbrachte und in den Nachtstunden Briefe an seine Freunde verfasste. Die Briefe erscheinen Isenschmidt wie "gesellige Monologe", in denen Proust seinen Korrespondenten Schmeicheleien und Liebesbekundungen ebenso wie Kritik und Streitigkeiten "bis an die Grenze der Peinlichkeit" schrieb, über seinen Gesundheitszustand informierte und insbesondere in den an Salonkonversationen erinnernden Briefen an Genieve Straus mit seinem "funkelnden" Witz und "sprühendem" Geist überzeugte. Darüber hinaus staunt der Kritiker, wie früh Proust bereits mit dem virtuosen Spiel der Stilimitationen und -parodien begann. Während der Autor seine Homosexualität in den Briefen kaum thematisiert, erhält der Rezensent einige Einblicke in den Entstehungsprozess der "Recherche". In jedem Fall kann Isenschmidt diese Edition nachdrücklich empfehlen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.11.2016

Michael Maar kann nicht genug preisen, was Jürgen Ritte auf Basis der französischen Briefausgabe von Françoise Leriche aus dem Jahr 2004 hier leistet. Die Vorlage klug erweiternd und abstimmtend auf ein deutsches Publikum, meint er, leistet Ritte Stupendes. Den Kommentar nennt Maar ein Wunder an Gelehrtheit und Akribie. Was Ritte an Anspielungen und Übertreibungen aus Prousts eigener Feder entschlüsselt, verschlägt dem Rezensenten den Atem. Dass er dezent bleibt, wenn es um Prousts Privatleben geht, rechnet Maar ihm hoch an. Ob Rittes Entschlüsselungsfuror dem Laien taugt, möchte Maar dahingestellt lassen, aber er muss ja nicht alles lesen, meint er. Schade wärs, setzt er hinzu.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 15.10.2016

Schätzungsweise 50.000 Briefe hat Marcel Proust in seinem Leben geschrieben, wovon etwa 5000 in einundzwanzig Bänden durch den amerikanischen Romanisten Philip Kolb publiziert wurden, informiert Rezensent Wolf Lepenies. Dass dank des Literaturwissenschaftlers Jürgen Ritte nun immerhin zwei reichhaltige Bände mit Briefen Marcel Prousts auf Deutsch vorliegen, erfreut den Kritiker zwar. Empfehlen kann er sie aber insbesondere Kennern der "Recherche", die hier die Schöpfungsgeschichte des Romans miterleben können. Darüber hinaus hat Lepenies auch die Briefe des jungen Prousts, etwa mit der Bitte um Geld für einen Bordellbesuch, um sich von der "schlechten Gewohnheit des Masturbierens" befreien zu können, mit Interesse gelesen. Neben der umfangreichen Korrespondenz mit seiner Mutter, die an den klassischen französischen Briefstil Madame de Sevignes angelehnt ist, entdeckt der Kritiker hier auch überrascht, wie politisch Proust gewesen ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.09.2016

Eberhard Geisler bekommt Lust, die "Recherche" zu lesen mit dieser zweibändigen, von Jürgen Ritte und anderen besorgten Auswahl von Briefen des besessenen Briefeschreibers Marcel Proust. Was steht drin in der auf eine französische Auswahl zurückgehenden Edition? Geisler erlebt viel Zuwendung an Freunde und Bekannte und Kollegen, wie Gide, Giraudoux, Cocteau, Soupault, Daudet u. a., aber auch viel Adelsdünkel und Banales zu Trinkgeldern und Möbeln. Vor allem aber erfährt Geisler hier etwas über die oft schwierigen Umstände der Entstehung von Literatur über die Verlagsgeschichte von Prousts Werken sowie die "berückende" Schreibkunst und "radikale" Ethik des Meisters, denen Geisler nur mit Ehrfurcht begegnen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.09.2016

Wie die "Recherche" entstand, kann Andreas Platthaus anhand der nun vorliegenden deutschen Ausgabe der Briefe Marcel Prousts nachvollziehen. Wie ernst es dem Autor mit seinem Werk war, erfährt Platthaus aus den Briefen an Gallimard, wie Proust den Roman komponierte, erfährt er auch, und analytisch schärfer als in mancher Interpretation, so Platthaus. Darüber hinaus bietet ihm die auf Grundlage von Françoise Leriches Auswahl basierende Edition von Jürgen Ritte auf knapp 1500 Seiten sieben neue Briefe, eine Vervollständigung bekannter Lesarten sowie eine "extrem sorgfältige" Ordnung, Neuübersetzung und Kommentierung. Auch die Gestaltung lässt Platthaus jubeln, Leinenband, Schuber, alles, was das Leserherz begehrt. Kleinere Ungenauigkeiten und Auslassungen, wie das Fehlen der Gallimard-Sekretärin Fräulein Rallet im Register, kann der Rezensent verzeihen. Als Salon-Plaudereien gehen Prousts Briefe nun nicht mehr durch, meint Platthaus.
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