Mario Bellatin

Der Blinde Dichter

Roman
Cover: Der Blinde Dichter
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783627000943
Gebunden, 135 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Carina von Enzenberg. Auf wundersame Weise als Säugling gerettet von armen Fischern, als er in einem Körbchen auf den Wellen des Meers trieb, erweckt der Blinde Dichter schon als Kind Aufmerksamkeit. Denn er ist blind und weiß Rat für die Menschen. Nach einer langen Wanderschaft kommt er in eine Stadt und aus einem Mißverständnis heraus zu Geld. Er kauft ein großes Haus und gründet nach dem Vorbild der Pfadfinder, deren ebenso straffe wie simple Organisationsform er übernimmt, eine neue "Bruderschaft". Glaubensgrundlage des entstehenden Kultes sind die während der Wanderschaft gemachten Aufzeichnungen des Blinden Dichters, festgehalten in seinem Kleinen Heft der schwer zu erklärenden Dinge.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.10.2002

Es gibt zwar zur Zeit viele Geschichten über Sekten wie jüngst erschienene von Kenzaburo Oe, Bodo Morshäuser oder Haruki Murakami, aber keiner von ihnen unterläuft "realistische Erzählmuster" so gekonnt wie der 1960 geborene Mexikaner Mario Bellatin, dem mit "Der Blinde Dichter" eine "rabenschwarze Groteske" über Sekten, Gurus und den "zwanghaften" Glauben ihrer Anhänger gelungen ist, staunt Ulrich Baron. Bellatins Protagonist, ein blinder Dichter, dem seine Anhänger allerlei übermenschliche Fähigkeiten zuschreiben, scheitert letztlich an einem selbst postulierten Zölibat und wird von seiner engsten Vertrauten deshalb erschlagen, verrät der Rezensent das Ende dieses Gurus. Im Stil sei dieses Buch eine "Methodologie des pseudoreligiösen Wahns" und bewege sich konstant auf einer Ebene des "höheren Unsinns, absurder Doktrinen, zwangsneurotischer Rituale und spontaner Gewalttaten". Zutiefst beeindruckt zeigt sich der Rezensent auch von Bellatins Erzählweise des "beflissenen Chronisten", der alles so berichte, als seien diese Absurditäten "völlig selbstverständlich".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Ein "großes Buch" ist dieser anspielungsreiche und zugleich beziehungslose Roman des Mexikaners Mario Bellatin sicher nicht, meint Steffen Richter. Der Struktur nach hat diese Geschichte über einen blinden Dichter und dessen Jünger den Charakter einer Parabel, denkt der Rezensent, der aber nicht herausgefunden hat, worauf diese hinausläuft. Zu viele Elemente, nämlich sozialkritische, literarische, pädagogische und sektierische, werden hier angerissen, ohne dass eines dieser Elemente konsequent verfolgt werden würde, ärgert sich Richter, der es schon während der Lektüre satt hatte, nach "kohärenten Deutungen" zu fahnden. Diese "wunderliche Poetik", so der Rezensent, lässt so viele Interpretationen zu, dass jede einzelne ins Leere führe und hier und da das "Banale" dem "Erhabenen" "den Garaus" mache.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2002

Cristina Nord ist eintäuscht von diesem neuen Buch des mexikanischen Autors Mario Bellatin - vor allem, weil sie sein anderes, in Deutsche übersetzte Buch ("Der Schönheitssalon") in bester Erinnerung hatte. Am "blinden Dichter" stört sie vor allem, dass das Böse, an dem sich der Autor hier abarbeitet, ein "selbstgenügsamer Exzess" ist und keine Ebene eröffnet, die darüber hinaus führt. Diese Schwäche führt in Nords Augen dazu, dass Bellatins Interesse am "Tiefdunklen" "Konstruktion bleibt, Produkt des Fabulierens". An Vorbilder wie Jorge Luis Borges oder Roberto Bolano reicht er da in Nords Augen nicht heran. Zudem findet sie die Dramaturgie und Chronologie der Erzählung wenig schlüssig: "Man bewegt sich im Buch wie in einem Film, dessen Vorführer die Spulen vertauscht hat."