Michel Foucault

Dits et Ecrits. Schriften in vier Bänden

Band 1: 1954-1969
Cover: Dits et Ecrits. Schriften in vier Bänden
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783518583111
Gebunden, 1200 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Daniel Defert und Francois Ewald unter Mirtarbeit von Jacques Legrange. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, Hans-Dieter Gondek und Hermann Kocyba. Die vierbändige Ausgabe der Schriften - Dits et Ecrits - umfasst, in vollständig neuer Übersetzung, sämtliche zu Lebzeiten Michel Foucaults publizierten Aufsätze, Interviews, Vorworte und Reden. Sie versammelt zum einen Vorarbeiten und erste Entwürfe der publizierten Werke, zum anderen zeigt sie Foucaults Versuch, die historisch-philosophischen Analysen seiner Werke für eine Diagnose der Gegenwart fruchtbar zu machen. Die hier versammelten Texte zeigen, wie philosophisches Denken als aktuelles und zugleich politisches Denken ernst zu nehmen ist. Der erste Band der "Schriften" umfasst sämtliche kleineren Schriften, die im Umkreis von Foucaults frühen epistemologischen Arbeiten, der Analyse der "Geschichte des Wahnsinns" und der Studie "Die Ordnung der Dinge" entstanden sind.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.12.2002

Thomas Schäfer lobt insbesondere die Edition dieses 2. Bandes der Schriften Foucaults als begrüßenswert, weil er alle seine Veröffentlichungen aus der ersten Hälfte der 70er Jahre versammelt, die der Rezensent als die "produktivste Schaffensperiode" des französischen Autors bezeichnet. Hier findet er alle "Themen", die man mit Foucault in Verbindung bringe in "aller Frische", freut sich der Rezensent. Besonders zufrieden ist er, dass der Band die "Prozesshaftigkeit" im Denken Foucault dokumentiert, indem er gefestigte Thesen, die in den Büchern ausgearbeitet sind, in den im vorliegenden Band abgedruckten "Diskussionen und Interviews" noch im Stadium "vorsichtigerer, tastenderer" Überlegungen zeigt. Manches, so Schäfer angetan, werde dadurch noch deutlicher, als wenn man nur auf die Hauptwerke des Philosophen zurückgreift. Aus diesem Grund bescheinigt der Rezensent diesem Band, nicht nur von "hohem philologischen", sondern auch "theoretischem Wert" zu sein.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.12.2001

Michel Foucault hat sich dagegen gewehrt, seine Schriften unter dem Aspekt von Kontinuität und Autorschaft zu betrachten. Dass er diesbezüglich Recht und Unrecht zugleich gehabt hat, wird für Thomas Schäfer klar aus dem vorliegenden Band ersichtlich, der Foucaults gesamte schriftstellerischen Arbeiten, Vorträge, Interviews, Einleitungen usw. beinhaltet, die Foucault neben seinen Büchern zu Lebzeiten veröffentlicht hat. Der erste Band, so Schäfer, beinhaltet nur Texte aus der Zeit von 1954 bis 1969. Mehrere Dinge aus Foucaults Frühphase fallen Schäfer auf: seine Wissenschaftsgläubigkeit, die Anerkennung der Psychoanalyse, das Zugeständnis einer literarischen Wahrheitssuche wie es so in seinen späteren Jahren nicht mehr möglich gewesen sei, behauptet der Rezensent. Unübersehbar sind für ihn aber ebenso Grundmotive bei Foucault, die sein Leben lang durchklingen werden: das Pathos der Fremdheit, sein Nietzscheanismus. Der Band liefere insgesamt unschätzbares Material für die Rezeption der großen Studien Foucaults zur Geschichte der Denksysteme, heißt das Resümee von Thomas Schäfer.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2001

Tim B. Müller stürzt sich "in die Fluten des Denkstromes", der den jetzt in einem umfangreichen Band versammelten frühen Schriften Foucaults entspringt. Der Rezensent ist den Herausgebern richtiggehend dankbar, dass sie mit diesem Band ein "historisches Zeugnis" zugänglich gemacht haben, das den "Leser zum Historiker der Lektüre- und Denkgeschichte Foucaults macht". Essays wie 'Ein so grausames Wissen' über die dunklen Seiten Europas in den Revolutionskriegen, über Geheimgesellschaften, Mord, Sadismus, Perversität, oder auch die 'Vorrede zur Überschreitung' über das Zusammengehen des Sprechens über Sexualität mit dem Tod Gottes gehören für Müller zu den "faszinierendsten Texten" des französischen Philosophen. Müller hebt insbesondere das Literarische dieser Texte hervor: Techniken des modernen Romans, erlebte Rede, rhetorische Fragen dokumentierten Foucaults "Ringen um die Sprache". Müller lobt die Übersetzungen der deutschen Ausgabe als "gelungen", kritisiert aber die Fülle der von Eribon und Miller (auf fast 100 Seiten!) angehäuften biografischen Details des Bandes, die zudem oftmals in Klatsch und Tratsch ausarteten. Unverständlich ist für den Rezensenten auch, dass die Publikationsorte früherer deutscher Übersetzungen ("unabdingbar für den Nachvollzug der deutschen Rezeptionsgeschichte Foucaults") nicht angeführt sind.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.10.2001

Für Martin Saar liegt der besondere Wert dieser neuen von dem vorliegenden Band angeführten deutschen Foucault-Ausgabe in der Eröffnung einer weiteren, "in unendlich vielen Details unerwarteten Werkphysiognomie". Weniger auf das, was man noch nicht kannte, spielt Saar hier an, als vielmehr auf die "Beziehungen und Verflechtungen", die zwischen den bekannten und den weniger bekannten Äußerungen Foucaults bestehen und die sich bei der Lektüre der entsprechend dem französischen Vorbild "strikt chronologisch" gehaltenen Ausgabe neu herstellen. In diesem ersten Band mit Texten aus den ersten 15 Jahren von Foucaults Schaffen lösen sich denn auch "einige Rezeptionsselbstverständlichkeiten auf eine produktive Weise von selbst auf", und - dies eine editorische Erkenntnis ersten Ranges, wie der Rezensent betont - jene "Dits", d.h. die Gespräche und Interviews Foucaults, erweisen sich als "integraler Bestandteil" des Werks.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2001

Bernhard Dotzler sieht sich in seiner Besprechung einer gewissen Grundspannung, die von Foucault durch seine selbstbezüglichen Aussagen bewirkt werden, ausgesetzt. So spricht Dotzler einerseits davon, dass der Versuch, Foucaults Begriffsverwendungen zu systematisieren, scheitere, da Foucault immer von seinen Büchern als Erfahrungen gesprochen habe, die ihn verändern würden. Andererseits sieht der Rezensent auch eine gewisse Kontinuität und Einheitlichkeit in den Schriften Foucaults, die bereits von Anfang an auf die 'Archäologie des Wissens' angelegt seien. So finde sich bereits im dritten Text der Sammlung der Erstbeleg für das 'historische Apriori', das später immer wieder als eine zentrale Denkkategorie verwendet werde. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der durch diese Übersetzung aufgedeckt wird, so Dotzler, ist die große Bedeutung der Literatur für das Schaffen Michel Foucaults. So schreibt Dotzler: "Vor allem aber lehren die Schriften zur Literatur, was es bedeutet, den ganzen Foucault begreifen zu wollen." Dieser "ganze Foucault" ist, wie Dotzler befindet, immer auch vor dem Hintergrund eines Spiels mit der Autorenschaft zu verstehen und diese "Selbstverdoppelung" gibt durch sein "parodistisches Moment" vielleicht Hinweis auf eine geeignete Lektüre dieser Schriften, wie Dotzler dem Leser als Lektüretipp mit auf den Weg gibt.