Nell Zink

Virginia

Roman
Cover: Virginia
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2019
ISBN 9783498076726
Gebunden, 320 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michael Kellner. Peggy Vallaincourt fühlt sich früh zu Frauen hingezogen, Lee Fleming ist der schwule Spross einer konservativen WASP-Familie. Sie besucht das Frauencollege, an dem er als Lyrikdozent lehrt, und zu beider Überraschung fangen sie etwas miteinander an. Das Ergebnis sind Heirat, ein Sohn, Byrdie, und eine Tochter, Mickie. Nach zehn Jahren ist die Ehe gescheitert an Sprachlosigkeit und den verklemmten frühen Sechzigern. Peggy brennt durch und will beide Kinder mitnehmen, am Ende hat sie aber nur Mickie dabei, für die sie sich die Papiere eines toten schwarzen Mädchens erschwindelt. Fortan gilt die hellblonde Tochter als schwarz - falscher Ausweis genügt. Und als "Schwarze" leben Mutter und Tochter nun unerkannt in dem kleinen Ort in Virginia, wo sie sich in einem leerstehenden Haus Nachfragen nach ihrem Verbleib entziehen. Und lernen eine ganz neue Welt kennen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.05.2019

Rezensent Paul Stoop amüsiert sich gut mit Nell Zinks Südstaaten-Roman. Wie die Autorin ein aus den Fugen geratenes Virginia der 60er und 70er Jahre zeichnet, indem sie Geschlechterrollen und Rassezugehörigkeiten gehörig durcheinander wirft, findet Stoop lesenswert. Vor allem Zinks genaue Beobachtungen des College-Lebens und seiner Konventionen und Moden scheinen dem Rezensenten erwähnenswert, ebenso Zinks Situations- und Wortwitz. Krimielemente, Satire und ein politischer Blick, der jeden Versuch "Rasse" zu definieren als Farce entlarvt, kommen hinzu. Ein erfrischend unideologischer Blick auf die Identitätsdebatten von heute, lobt Stoop.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.05.2019

Hans-Peter Kunisch besucht die amerikanische Autorin Nell Zink in ihrer brandenburgischen Wahlheimat im nur vordergründig abgelegen erscheinenden Bad Belzig: Einst wurde hier HJ- und BDM-Führer, später Stasi-Agenten ausgebildet, heute lehrt hier das Zentrum für Experimentelle Gesellschaftsgestaltung die Kunst der Berührung oder die "Trainingsgruppe mehrere lieben". Kunisch nimmt das alles gern mit, das schillernde Leben passt zu Zinks Sechzigerjahre-Roman, in dem es zwischen der lesbischen Peggy und dem schwulen Dichter Lee Fleming funkt. Die beiden heiraten, bekommen zwei Kinder, und als Lee doch lieber wieder mit einem Mann leben will, beschließt Peggy, sich und ihren Kindern eine schwarze Identität zu geben. Was er von dem Roman hält, verrät Kunisch nicht, er deutet allenfalls an, dass er Bestseller-tauglich geschrieben sei, zwischen Ironie und Ernst schwanke und der Autorin immerhin einen Vorschuss von 425.000 Dollar eingebracht habe.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.04.2019

Petra Kohse besucht die amerikanische Wahl-Brandenburgerin Nell Zink in ihrer kleinen Wohnung in Bad Belzig und kommt nach allerlei Biografischem auch auf ihren im Original bereits 2015 und jetzt auch auf Deutsch veröffentlichten zweiten Roman "Virginia" zu sprechen. Darin geht es um die spielerische Dekonstruktion von Identitäten, berichtet die Rezensentin, sexuellen, sozialen, ethnischen. Es geht um die lesbische Peggy, die auf der Uni einen schwulen Dichter aus reichem Hause kennenlernt und mit ihm zwei Kinder bekommt, bevor sie mit dem jüngeren der beiden in den Wald flieht, die Identität einer Schwarzen annimmt und unter prekärsten Bedingungen lebt, bis am Ende schließlich alles gut wird. "Eine einzige utopische Margarinewerbung. Und ein tolles Buch", stellt Kohse fest. Ihr gefällt, dass Zink die Geschichte so märchenhaft und unpsychologisch erzählt, mit überbordender Phantasie und einem "Strauß herrlich blühender Nebenfiguren". Eine besondere Erwähnung findet außerdem die gelungene Übersetzung durch Michael Kellner.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 27.04.2019

Rezensentin Hannah Lühmann hat Nell Zinks Roman regelrecht verzaubert: Einerseits sei die Geschichte der eigentlich lesbischen Peggy, die in kurzer Liebe zu ihrem eigentlich schwulen Lyrikdozenten entbrennt und ihn daraufhin heiratet, die einer klassischen Mesalliance. Andererseits vermische Zink dieses alteingesessene Sujet von Fontane und Co ganz wunderbar mit Gender- und Race-Konflikten, wie sie heute in ähnlicher Form bei Philipp Roth zu finden seien, freut sich die Kritikerin, die diese Mischung so originell wie großartig findet.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 20.04.2019

Großartig amüsiert hat sich Rezensentin Maike Albath mit diesem Roman um eine androgyne jugen Frau, die in den Sechziger, obwohl lesbisch, von einem schwulen Kollegen geschwängert wird, zwei Kinder von ihm bekommt, dann aber mit einem der beiden Kinder abhaut. Mithilfe einer gestohlenen Geburtsurkunde tauchen die beiden unter, was einfach ist: die Urkunde weist die beiden blonden Geschöpfe nämlich als schwarz aus. Hier wird so ziemlich jede "heilige Kuh" der amerikanischen Gender- und Identitätsdebatten genüsslich geschlachtet, freut sich Albath. Und das in rasantem Tempo! Lernen kann man auch noch was dabei, versichert sie.