Patrick Modiano

Gräser der Nacht

Roman
Cover: Gräser der Nacht
Carl Hanser Verlag, München 2014
ISBN 9783446247215
Gebunden, 176 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Aus der Distanz eines halben Jahrhunderts erinnert sich Jean, wie er sich in die geheimnisvolle Dannie verliebte. Als er sie in den 1960er Jahren kennenlernt, lebt sie in Paris, hat so viele Namen wie Adressen und verkehrt mit einer zwielichtigen Bande, die Kontakte nach Marokko unterhält. Trotz der vage lauernden Gefahr werden der angehende Schriftsteller und die junge Frau ein Paar. Doch dann verschwindet Dannie von einem Tag auf den anderen. Und Jean wird als Zeuge in einem ungeklärten Todesfall verhört, der eine neue Geschichte von Dannie erzählt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.12.2014

Das neue Buch des Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano über sein Alter Ego, den Schriftsteller Jean, liest Rezensentin Barbara Villiger Heilig als Teil der Autobiografie des Autors. Allerdings warnt sie uns, den Text allzu dokumentarisch zu verstehen. Zu sehr vermischt er Gegenwart und Vergangenheit und verharren die Figuren in der Rätselhaftigkeit, meint die Rezensentin. Das Motiv des Verlustes und das der sehnsüchtig vermuteten Seelenverwandtschaft tauchen hier wieder auf, erklärt sie, zögernd, neu ansetzend, vor- und zurückgreifend vom Autor in Szene gesetzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2014

Die Erinnerung des Erzählers an die vergangene Zeit mit einer Frau im Paris der 60er Jahre bringt laut Lena Bopp die melancholische Assoziationsmaschine und die Zeit-und-Raum-Reisen des Patrick Modiano ins Laufen. Der schmale Band fügt sich für Bopp nahtlos in das Werk des Franzosen und dürfte, so Bopp, dem Modiano-Leser keine Irritationen bereiten. Das hier wiederum deutlich werdende poetologische Programm des Autors erläuternd, erklärt Bopp, dass es sich freilich nicht um die bloße Erinnerung der Vergangenheit handelt. Vielmehr gehe es um ein zeitloses Dasein als natürlichem Aufenthaltsraum für den Erzähler, um die Gedankenwelt des Menschen letztlich, in der sich stets Vergangenes und Gegenwart miteinander verbinden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.11.2014

Wie aus einer anderen Zeit erscheint Judith von Sternburg Patrick Modianos soeben übersetzter Roman. Was der frisch gebackene Nobelpreisträger in diesem Thriller auf laut Sternburg gewohnt ruhige, unraffinierte Weise hinzaubert, ist in der Machart zwar offenbar filmisch, mit seinem Rückblick in die Vergangenheit und seiner melancholischen, "substanzlosen" Story kommt es jedoch von weiter her, wie Sternburg mutmaßt, weiter als aus den 60ern sogar, in denen die vom Erzähler erinnerte Mordsache stattfand. Steigerungslos ist für die Rezensentin die Handlung und entwickelt für sie doch einen eigentümlichen Reiz und eine besondere Atmosphäre.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.11.2014

Hymnisch bespricht Rezensent Joseph Hanimann Patrick Modianos neuen Roman "Gräser der Nacht", der ihm als perfekter Einstieg in das Werk des Literaturnobelpreisträgers gilt. Denn in diesem Werk entdeckt der Kritiker alle Qualitäten des Schriftstellers, dem es wie keinem anderen gelinge, zeitgenössischer Erinnerungsliteratur einen ganz eigenen Ton zu verleihen. Und so streift Hanimann gebannt mit Modiano durch das Paris der sechziger Jahre, liest, wie der Autor die Erinnerungen aus seinem Notizheft virtuos mit der Gegenwart verbindet, ein nahezu "Proustsches Schwindelgefühl" heraufbeschwört und um das Gefühl von immer wiederkehrender Ungewissheit erweitert. Inmitten der brillant vernetzten literarischen, zeitgeschichtlichen, politischen und städtebaulichen Motive kann der Rezensent kaum noch Vergangenheit und Gegenwart ausmachen und lässt sich von Modianos feinsinnig und melancholisch flimmerndem Licht- und Schattenspiel entführen. Dass dieser im besten Sinne handlungsarme, Thriller- und romantische Motive verbindende Roman darüber hinaus auch noch nuancenreich und atmosphärisch stimmig von Elisabeth Edl ins Deutsch übertragen wurde, lässt den Kritiker vollends glücklich zurück.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.11.2014

Ein Fest für nostalgische Frankophile bietet der neue Roman des gerade mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Patrick Modiano, schwärmt Hans-Jost Weyandt, der wolkenleicht durch diese sogar noch in Elisabeth Edls deutscher Übersetzung ganz luftig und transparent beschriebene Erinnerung an das Paris der sechziger Jahre schwebt. Der Kritiker assoziiert Piaf-Chansons, die Literatur der jungen Existenzialisten und Melville-Filme, wenn er davon liest, wie sich der Erzähler, ein Mann namens Jean, mit Abstand von vielen Jahren immer wieder neu an eine junge, wahrscheinlich im Milieu tätige Frau namens Dannie erinnert. Dass die Figur des jungen Mannes an das moderne Lebensgefühl der Sechziger in Paris anschließt, ist kein Zufall: Doch zugleich verhält sich Modiano auch kritisch dazu, wenn er das Abstreifen der als bürgerlich empfundenen Empathie als gleichgültige Ignoranz kenntlich macht, erklärt der Kritiker. Entstanden ist dabei ein Werk über das "zauberhafte Dahingleiten in den Erinnerungen", das nicht nur Neulingen in Sachen Modiano als perfekter Einstieg ins Werk wärmstens ans Herz gelegt werden muss, sondern auch eines, das sich in seiner Offenheit und narrativen Klarheit dafür anbietet, nicht notgedrungen strikt von Anfang bis Ende, sondern im freien Zugriff gelesen zu werden, schreibt Weyandt ganz und gar beglückt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 08.11.2014

Tilman Krause schwelgt in Erinnerungen, doch es sind die von Patrick Modianos Figuren. Für Krause eher ein Gewinn, nimmt ihn der Autor in seinem neuen Buch doch mit in das Paris der 60er Jahre. Algerienkrieg, politische Verbrechen, Truffaut - all das klingt an in der Künstler- und Liebesgeschichte, die Modiano erzählt, erklärt Krause. Das Gefühl der Zeitenthobenheit, neu und prägend für den Modiano dieser Tage, meint der Rezensent, macht, dass aus dem Roman kein Zeitroman im herkömmlichen Sinn wird. Auf der Höhe seines Könnens aber ist der Autor für Krause hier allemal.