Percival Everett

Erschütterung

Roman
Cover: Erschütterung
Carl Hanser Verlag, München 2022
ISBN 9783446272668
Gebunden, 288 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Der Paläontologe Zach Wells hat sich in seiner selbstironischen Abgeklärtheit bequem eingerichtet: Idealen misstraut er, ob an der Universität, wo er, selbst Afroamerikaner, sich nicht für Gleichberechtigung einsetzt, oder zu Hause in der erkalteten Beziehung zu seiner Frau. Einziges Licht in seinem Leben ist die zwölfjährige Tochter Sarah. Als diese ihr Sehvermögen verliert und eine erschütternde Diagnose folgt, flieht Zach in die Wüste New Mexicos. Dort geht er einem mysteriösen Hilferuf nach, den er in einer Second-Hand-Jacke gefunden hatte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.05.2022

Rezensentin Verena Lueken hält Percival Everett und seinen neuen Roman für eine echte Entdeckung. Dass der Autor schon 30 Romane geschrieben hat, bis er mit dem vorliegenden zu einem, wie Lueken findet, erstaunlichen Stück experimenteller Literatur gelangt ist, gibt die Rezensentin zu Bedenken, wenn sie uns einlädt, der ungewöhnlichen Geschichte eines Kontrollverlusts zu folgen, der einen Geologen ereilt, als seine Tochter schwer erkrankt. Eine Erschütterung, die sich laut Lueken gleichsam bis in den Text fortsetzt, bis zu dem Umstand, dass drei leicht verschiedene Versionen des Romans existieren. Eine komplexe Versuchsanordnung, die der Autor mit realistischen Passagen, einem "coolen" Ton und philsophischer Tiefe zu einer erstaunlichen Lektüre verarbeitet, wie Lueken erklärt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2022

Rezensent Adam Soboczynski würde Percival Everetts "Erschütterung" nicht unbedingt in die Hand nehmen, wenn er nur etwas über den Inhalt des von Schicksalsschlägen geprägten Romans wüsste, doch letztendlich ist der Plot dieser "großen Literatur" für ihn nur Nebensache. Der 65-jährige amerikanische Englischprofessor lässt darin einen Familienvater erzählen, der nach der Diagnose des Batten-Syndroms bei seiner zwölfjährigen Tochter kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht. Besonders berührend findet der Rezensent die gelungen dargestellte "Intensivierung des Daseins" des Protagonisten, ein Wandel von der anfangs trockenen Erzählung hin zur Lebensfeier aufgrund der Konfrontation mit dem Tod. Das wird dann am Ende sogar Roadmovie-ähnlich und überzeugt den Rezensenten durch menschenfreundliche, großartige Literatur.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.02.2022

Rezensentin Wiebke Porombka gefällt der deutungsreiche Roman "Erschütterung" von Percival Everett. Der 1956 geborene amerikanische Autor beschreibt darin aus der Perspektive des unzuverlässigen Ich-erzählenden Paläontologen Zach Wells, wie er nach der Diagnose des unheilbaren Batten-Syndroms bei seiner 12-jährigen Tochter der Realität auszuweichen versucht, indem er sich auf den Weg macht, um zwei mexikanische Arbeitssklavinnen zu befreien, erklärt Porombka. Die Verschiebungen und Verwirrungen in dem Buch verhindern der Rezensentin zufolge Klischees und das Fadenscheinige, das man bei der Dramaturgie und dem Protagonisten erwarte. Everetts Sprache ist hier zwar eher langweilig und erprobt, aber der Spielraum des Romans ermöglicht ihm das zeitgleiche Eröffnen und Verbergen des Unerträglichen, schließt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.02.2022

So erschüttert wie Percival Everetts Held ist auch Rezensentin Ursula März - und zwar von der ungewohnten emotionalen Wucht dieses Romans. Es ist ein Schicksalsschlag "geradezu metaphysischen Ausmaßes", der den lebenskriselnden Professor Zach Wells ereilt: Der Verlust seiner Tochter - das und die einzige, an die der alternde Akademiker noch rückhaltlos glauben konnte, nachdem ihn das Leben und seine Lehrtätigkeit Jahr für Jahr, ganz gemäß der Tradition solcher Professoren-Romane, allen Idealismus' beraubt haben, lesen wir. Seine Rettung ist ein kleiner Zettel, erklärt März, den Zach in der Tasche einer Second-Hand-Jacke findet. Auf dem Zettel - ein Hilferuf, dem der Professor in seiner existenziellen Verzweiflung zu folgen beschließt und der ihn in eine Lagerhalle nach New Mexiko führt. Das Verbrechen, das der fiktive Professor so aufdeckt, ist ein reales: Die Entführung mexikanischer Frauen, die in derartigen Lagerhallen unter unmenschlichen Bedingungen zum arbeiten gezwungen werden. Everett erzählt von diesem Verbrechen und dem Leid seiner Figuren auf eine Weise, die nicht nur berührt, sondern aufwühlt, und das ohne jemals in den Pathos abzurutschen, so die beeindruckte Rezensentin.