Rujana Jeger

Darkroom

Roman
Cover: Darkroom
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406517068
Gebunden, 153 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Morana ist in Zagreb geboren und lebt inzwischen in München, ihr Vater ist zum dritten Mal verheiratet und lebt in Amerika, die Stiefmütter werden immer jünger, ihre Mutter ist krank und Kristijan - ihr bester Freund - auch. Moranas Eltern waren Balkan-Hippies, ihre Kindheit und Jugend ein etwas chaotisches, aber liebenswertes Flickwerk aus Tradition und blockfreiem Sozialismus und eher westlich geprägtem Hedonismus, komisch und etwas orientierungslos. Aber dann kamen die Ereignisse der neunziger Jahre, der Zerfall Jugoslawiens und der Krieg, und nichts hat Morana, ihre Familie und ihre Freunde darauf vorbereitet. Heute sind sie in alle Welt verstreut. In kurzen prägnanten Szenen zeichnet Rujana Jeger das Bild einer Generation, die sich jenseits von Familie und Tradition, Staat und Beruf, zwischen Konsum, Krieg, Liebe und Chaos selbst ihren Weg bahnen muss.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.2004

Bei Rujana Jegers "Darkroom" handelt es sich um einen großen, gewaltigen "Darkroom" namens Jugoslawien, erklärt Rezensent Martin Halter. Doch die sexuelle Anspielung im Titel hat zugleich ihre Bewandtnis, , meint Halter, denn "Darkroom" besitze einen rüden, teilweise obszönen und manchmal zärtlichen Ton, der das Buch weniger einem Roman als einem "Album" ähneln lasse, einem Album der jugoslawischen Generation X. Man kann sich aussuchen, ob damit das Platten- oder Fotoalbum gemeint ist. Beides vermutlich. Denn das Leben dieser jugoslawischen Generation, aufgewachsen im Krieg, spielt sich mehr zwischen Clubs, Boutiquen und Coffeeshops ab, kreist um Drogen, Sex und Rock'n Roll, hat Halter erfahren. Ganz anders als bei der hiesigen jungen Literatengeneration "Golf", staunt der Rezensent, findet keine bitterböse Abrechnung mit den 68er-Eltern statt, welche die Autorin, 1968 in Zagreb geboren, doch früh sich selbst überlassen hätten. Bei Jeger spiegeln die verworrenen familiären Verhältnisse die ethnische Zerrissenheit ihres Landes, der sie ihr "rotzig-trotziges Lebensgefühl" und ihren schnoddrigen, auf uns manchmal fast abgeschmackt wirkenden Schreibstil entgegensetzt, schreibt Halter. Doch keine Bange, gibt er Entwarnung, Rujana Jeger hat mehr zu bieten als schrilles Pathos und Bürgerschreckposen, nämlich viele kleine und treffende Momentaufnahmen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.07.2004

Brüche, Scherben, Splitter und Schnipsel - das ist, was Dorothea Dieckmann in dem "mit brillanter Leichtigkeit" übersetzten Debüt der Kroatin Rujana Jeger gefunden hat, und so erleben Jeger und ihre Generationsgenossen augenscheinlich ihre Wirklichkeit: "Ihr Leben liegt in bunten Scherben, gespiegelt in einer postmodernen, aber keineswegs verspäteten Literatur". Von der Form "nur noch dem Namen nach" als Roman zu bezeichnen, handele es sich vielmehr um ein "Mosaik" aus "Erinnerungssplittern und Alltagstrümmern", in dem sich die "Mittelmeeridyllen" neben "schrägen Schwulengeschichten" einreihen. Dies zeige uns - meint Dieckmann - die "disparaten Realitätsschnipsel", aus denen sich der Balkan zusammensetze, von selbst gedrehten Zigaretten über Subkultur bis hin zum Krieg. Die Rezensentin lobt, dass Jeger bemühte "Coolheit" vermeide und statt dessen präzise Glossen schreibe, die "immer pointiert, aber nie glatt" seien. Hier zeigt sich für Dieckmann das "ganze Europa - in einem Comic-Kästchen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.06.2004

Uwe Schütte nutzt sein Lob für Rujana Jegers autobiografisch fundierten Roman "Darkroom" zu einem Seitenhieb auf die "Generation Golf", sowohl auf deren "neoliberalen Feldzug zur Ausplünderung von Gesellschaft und Sozialstaat", als auch auf deren "oberflächenverliebte, aber inhaltsleere Herzergießungen", die von Jegers Debütroman weniger in den Schatten gestellt "als vielmehr beschämt" würden. Auch bei Jeger spiele Popmusik eine zentrale Rolle: Sie habe der Tochter einer Kroatin und eines Serben inmitten der ethnischen Spannungen Ex-Jugoslawiens, in einer "Welt der Entwurzelung", eine "Heimat jenseits des gesellschaftlichen Wahnsinns" geboten. Darum die Zitate von Künstlern wie Iggy Pop oder Lou Reed. Die junge Autorin - Kolumnistin für die kroatischen Ausgaben von "Elle" und "Cosmopolitan" - erzähle ihre Geschichte "in einem unaufgeregten, ungezwungenen Stil", urteilt der Rezensent: "Weder wird krampfhaft nach einprägsamen Formulierungen gesucht, noch inszeniert sich Jeger zur Beförderung der Verkaufszahlen als Teil einer jugoslawischen Generation X". Statt dessen erzähle sie einfach drauf los, und das sei gut so. Stilistisch ergebe sich ein Mosaik von "Kindheitserinnerungen, Emails und Briefen, Erzählungen von Freunden und Familienmitgliedern". Dieses nicht-ingenieurmäßige Verfahren fange "das wilde Chaos des Lebens in seiner ungeordneten Schönheit" ein. "Komische Szenen reihen sich an literarisch prägnante Schnappschüsse, Dialogfragmente verbinden sich assoziativ mit aphoristischen Gedankensplittern."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.05.2004

Ilma Rakusa lobt diesen Debütroman als "vielversprechenden Anfang" und hofft, bald mehr von der in Wien lebenden kroatischen Autorin Rujana Jeger lesen zu können. In ihrem Buch beschreibt die Autorin im Grunde ihre eigene Geschichte, meint die Rezensentin. Die Hauptfigur Morana lebt mit ihrem Mann und ihrem schwulen Freund Kristijan in München und erinnert sich an ihre Jugend im alten Jugoslawien. Dabei erzähle der Roman nicht chronologisch, sondern in Erinnerungssplittern, die von "Tagebuchartig-minutiösen" Schilderungen des Liebeslebens Kristijans unterbrochen werden, so die Rezensentin weiter. Sie attestiert der Autorin ein "genaues Auge" für "Situationskomik, Alltagsmief" und die Verwicklungen des Lebens, wobei sie insbesondere die Schilderungen des "politischen Wahnsinns" Jugoslawiens beeindruckend findet. Für Rakusa fängt Jeger das "Lebensgefühl" einer ganzen Generation ein, die sich dadurch auszeichnet, dass sie "ohne Wertekanon operiert" und in deren Lebensentwürfen sich "scheinbar mühelos" die "unterschiedlichsten Sphären" vereinbaren lassen. Bei aller Komik ist es ein Roman mit "tiefschwarzen" Seiten, betont die Rezensentin, die den "glücklich-traurigen" Tonfall auch in der Übersetzung von Brigitte Döbert "hervorragend getroffen" sieht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2004

"Disparate Geschichten" kreuzen sich in Rujana Jegers erstem Roman, und Rezensent Hans-Peter Kunisch versucht, die verschiedenen Stränge, die sich um die kroatische Ich-Erzählerin Morana winden, zu sortieren. Da sei einmal der sterbende Großvater, dessen Asche es gilt, von Serbien ins kroatische Zagreb zu schmuggeln, damit er dort neben der Großmutter ruhen kann. Da sei der homosexuelle und beste Freund Kristijan, der drauf und dran sei, Don Juan in punkto Liebschaften zu übertreffen, aber gleichzeitig zynisch-tapfer an Hepatitis sterbe, und als "leidender Spötter" eine Art "blasphemische Heiligengestalt" abgebe, während Moranas Liebhaber Boris - der Kontrast könnte nicht größer sein - das Leben in "quietschrosarot" sehe. Disparate Geschichte also, die sich jedoch für den Rezensenten zu einem "stimmigen Bild" zusammenfügen - um die ordnende, kommentierende, "bündelnde" Stimme Moranas herum, die dem Ganzen in ihrer "schnoddrig-poetischen Sprache" und ihrer "nervösen" und trocken witzigen Stimmung "den Gestus eines Tagebuchromans" verleihe. Besonders gefallen hat dem Rezensenten die Dynamik, die sich zwischen dem allgegenwärtigen Krieg und dem Privaten entwickelt. Denn der "Schrecken des Privaten" könne es durchaus mit dem des Krieges aufnehmen, und diesen "überlagern" - gerade wenn die Figuren versuchten, vernünftig zu handeln, und die vernünftige Ordnung ins "Zweifelhafte" umschlage. Und das, wie der Rezensent erfreut bemerkt, mit "angenehm wenig Sentimentalität und Pathos".
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