Shumona Sinha

Das russische Testament

Roman
Cover: Das russische Testament
Edition Nautilus, Hamburg 2021
ISBN 9783960542605
Gebunden, 184 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Lena Müller. Tania wächst in den 1980er Jahren in Kalkutta auf. Ihren russischen Vornamen hat sie von ihrem Vater, der eine kleine Buchhandlung betreibt. Von ihrer Mutter ungeliebt und auch von ihm nicht beschützt, findet sie Zuflucht in Büchern. Im kommunistischen Westbengalen ist die russische Kultur überall, und so verschlingt Tania erst russische Kinderbücher und träumt später von der Welt Tschechows und Gorkis. Erst als Studentin gelingt es Tania, sich von ihrer Familie zu befreien und ihrer Sehnsucht nach der fremden Kultur zu folgen: Fasziniert spürt sie dem Schicksal des jüdischen Journalisten und Verlegers Lew Kljatschko nach, der seinen Verlag Raduga in der Stalinzeit schließen musste und nur dank einer Intervention Maxim Gorkis dem Todesurteil entging. Bei Raduga waren in den 1920er Jahren surrealistische, unideologische Bücher für Kinder und Erwachsene erschienen, übersetzt in die ganze Welt, so auch ins Bengalische. Kljatschko starb schon 1933, doch Tania nimmt Kontakt zu seiner inzwischen über achtzigjährigen Tochter auf, die in einem Altenheim in Sankt Petersburg lebt, und die beiden ungleichen Frauen, die doch ähnliche Kämpfe durchlebt haben, nähern sich einander an.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.01.2022

Rezensentin Cornelia Geißler staunt, wie glaubwürdig Shumona Sinha in ihrem Buch Literatur als Vermittler über Grenzen und Kulturen hinweg darzustellen vermag. Die Geschichten zweier literaturbegeisterter Frauen, eine in Kalkutta, eine in Sankt Petersburg, die die Autorin im Text zusammenführt, faszinieren Geißler allerdings auch für sich genommen. Die universelle Kraft von Literatur als Schutzwall gegen Gewalterfahrungen machen die beiden Lebensgeschichten für Geißler deutlich. Stilistisch überzeugt sie der Text mit starker, nur bisweilen etwas übertriebener Symbolik und einem anregenden Anekdotenreichtum.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2021

Rezensentin Marie Schmidt liest mit "Das russische Testament" zwei an sich eindrucksvolle und überaus spannende Geschichten. Doch so sehr der Rezensentin die Idee einer "geheimen, verschlungenen Seidenstraße" zwischen diesen Erzählungen gefällt, in der Umsetzung bleibt sie eine unpassierbare Schotterpiste - was, wie Schmidt feststellt, zum Teil auch Shumona Sinhas opulenter Bildsprache geschuldet sein mag, die in diesem Fall allzu behäbig daherkommt, um tatsächlich eine gangbare Brücke schlagen zu können über Kontinente und kulturelle Unterschiede hinweg: Zwischen der jungen Tania, die in Westbengalen Russisch lernt und so auf die Biografie eines fast vergessenen russischen Intellektuellen stößt, und dessen fiktionalisierter neunzigjähriger Tochter, die in einem Altenheim in Russland über Tanias Briefe sinniert. Doch auch wenn die Verbindung misslingt, so die Rezensent, verdienen beide Geschichten gesonderte Beachtung!
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 16.09.2021

Rezensentin Dorothea Dieckmann findet Shumona Sinhas neuen Roman thematisch überfrachtet und sprachlich kitschig. Wenn die Autorin in ihrer Geschichte um eine junge literaturbesessene Frau im Kalkutta der 1980er nicht gerade Historisches im Lexikonton herunterbetet, verirrt sie sich in poetisch überspannten Trivialitäten, ärgert sich Dieckmann. Die Nachforschungen der Protagonistin auf den Spuren eines dissidenten Moskauer Verlegers scheinen Dieckmann eigentlich interessanter Stoff zu sein. Leider garniert ihn die Autorin mit unnötigen Effekten und windschiefen Metaphern, so die enttäuschte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.09.2021

Rezensent Hans von Trotha spürt die Wut und das Engagement der Autorin Shumona Sinha in diesen Erzählungen über Frauen- und Männerschicksale. Wie Sinha verschiedene Biografien miteinander verbindet und sie in übergeordnete Themen münden lässt, findet Trotha spannend. So wird in der Erzählung über eine bengalische Aktivistin etwa der Einfluss der Sowjetunion auf das Kalkutta der 1970er und 80er für den Rezensenten sichtbar, oder die literarische Kultur Russlands und die staatliche Repression in der Figur eines dissidenten Verlegers. Wie die Figuren Trost und Heil in der Literatur finden, schildert die Autorin nicht immer frei von Pathos, erklärt Trotha.