Sibylle Lewitscharoff

Montgomery

Roman
Cover: Montgomery
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2003
ISBN 9783421056801
Gebunden, 347 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Der Roman spielt 1999 in Rom. Erzählt werden acht Tage aus dem Leben des Filmproduzenten Montgomery Cassini-Stahl. Der intelligente und mächtige Mann um die Fünfzig verliebt sich in eine junge Frau. Er verwirklicht gerade sein Herzensprojekt: eine Neubearbeitung des Jud Süß , um den historischen Joseph Süß Oppenheimer mit einem großen Film zu ehren. Als sein genialer, aber trinkfreudiger Hauptdarsteller in den Spelunken Roms verschwindet, muss Montgomery ihn aufgrund von Ähnlichkeit kurzzeitig ersetzen. In der dramatischen Zuspitzung des Geschehens wird er mit den Schlüsselereignissen seines Lebens konfrontiert mit dem ertrunkenen Bruder und einer schwierigen Kindheit in Stuttgart.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

"Montgomery" ist der Titel eines Romans, dessen Titelheld gleich auf der fünften Seite stirbt. Erzählt wird in der Rückblende. Der Held stammt aus Stuttgart und arbeitet in Rom als Fernsehproduzent. Während der Dreharbeiten an einem Film über Jud Süß Oppenheimer stirbt er. Als er am Morgen nach einer Liebesnacht - im Buch ist es seine einzige - durch Rom geistert, versagt sein Herz und er stirbt. Auch wen die Geschichte nicht interessiert, selbst wem der längst vergangene Zauber von Cinecitta und Via Veneto fremd bleibt, der wird immer wieder begeistert auf einzelne Sätze, Beschreibungen und Charakterisierungen stoßen. Zum Beispiel wenn es von Fotos des kriegszerstörten Süddeutschland heißt...
Lesen Sie mehr in Arno Widmanns 'Vom Nachttisch geräumt'

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.04.2003

Andreas Nentwich ist von diesem Roman, der die letzten acht Tage im Leben eines deutschen Filmtycoons beschreibt - Wahlrömer und von der deutschen Vergangenheit familiär schwer belastet - absolut begeistert. Der Roman befriedige durchaus die "Lesererwartung" mit seinem auf Spannung angelegten Aufbau, der "sinnlichen Sprache" und den "kraftvollen Bildern", so der Rezensent angetan. Er lobt auch den Sinn der Autorin für Komik, die sich mit der Tragik der Handlung leicht verbinde. Ein bisschen Kritik übt Nentwich an den gar zu eilfertigen Erklärungen sämtlicher "Anspielungen", die der Text aufbietet, dies findet er etwas "enervierend", wie er zugibt. Doch insgesamt preist er diesen Roman wegen seiner "labyrinthischen Textur", in der die Autorin das "Böse, und die Masken, die es sich vorhält", beeindruckend schildert, als exorbitant. Im Gegensatz zu ihrer Hauptfigur, die im Gestrüpp ihrer dunklen Triebe und ihrer Vergangenheit gefangen ist, ist Lewitscharoff "frei, die Gegenkräfte" zu mobilisieren, so der Rezensent begeistert, der ihre "Menschenfreundlichkeit", gepaart mit "erzähltechnischen Kniffen", die den fiktionalen Charakter der Erzählung betonen, für das Gelingen dieses Buches verantwortlich macht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2003

Etwas überfordert fühlt sich die Rezensentin Christiane Tewinkel von Sibylle Lewitscharoffs detailreichem Roman "Montgomery". Die Autorin "vergisst nichts. Nichts!" ruft die Rezensentin verzweifelt aus, nachdem sie sich in einer ereignisreichen Woche des Filmproduzenten Montgomery Cassini-Stahl und den Erlebnissen zahlreicher weiterer präzise ausgearbeiteter Charaktere verstrickt hat. Handwerklich ist das wohl alles ganz gelungen, stellt Tewinkel fest, ihr fehlt aber die Freude am Erzählen. Auch die sprachliche Form hat die Rezensentin größtenteils nicht überzeugt. Nur in wenigen Momenten schaffe es die Autorin, die "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen", die Tewinkel als Indikator für Authentizität definiert, herzustellen. "Das Buch quillt über, und außerdem hat es alles unter Kontrolle", resümiert die Rezensentin und empfiehlt die Bestellung des zugehörigen Romanplans, um die komplexe Handlung in den Griff zu bekommen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Ein klein wenig enttäuscht zeigt sich Verena Auffermann von Sibylle Lewitscharoffs erstem Roman, der nicht weniger als eine Mutter-Sohn-Kalamität, einen möglichen Brudermord, eine Filmproduktion, deutsche Schuld und italienisches Ambiente zu bieten habe. Positiv rechnet Auffermann der Autorin an, dass sie nur ein paar Sätze, eine ironische Bemerkung braucht, um die ganzen Abgründe der Stuttgarter Schwabenwelt darzustellen. Auch lasse Lewitscharoff wie schon in ihren Erzählungen keinen Zweifel daran, dass gerade aus dem Kleinen das große Desaster wächst. Gar nicht gefallen hat der Rezensentin dagegen, dass die Autorin über weite Strecken all ihr "Wissen um die Ökonomie der Mittel" beiseite schiebt. So hätte sich Auffermann statt eines topografisch penibel georteten Rom-Romans einen Stuttgart-Roman gewünscht, wie er zwischen den Zeilen doch schon zu lesen sei: "schamlos, böse, direkt, diffamierend und, heiligs Blechle, Material, das ihr auf der Zunge liegt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.03.2003

Beschwingt fühlt sich Maike Albath nach der Lektüre, was wohl an der "großen Leichtigkeit" und der "schalkhaften Nonchalance" des Buches liegen muss. Bei der Geschichte von dem in Schwaben geborenen Wahlrömer und Filmproduzenten Montgomery Cassini Stahl hat Sibylle Lewitscharoff etwas getan, was unter ihren deutschen Kollegen leider viel zu selten passiert, lobt Albath: "Sie hat sich etwas ausgedacht." Sehr geschickt habe die Autorin die Hauptfigur schon am Anfang gebrochen, indem sie den Tod Montgomerys früh ankündigt und den Schulkameraden auf Besuch zum Ich-Erzähler macht. Der entdeckt bei seinen Nachforschungen immer wieder neue Charakterzüge und Geheimnisse des Verstorbenen, was für eine "starke Spannung" über das ganze Buch hin sorgt. Besonders gut gefällt der Rezensentin, wie Lewitscharoffs "bildhafte Sprache" mit dem ritualisierten Alltag des Helden kontrastiert. Dessen sicheres Ende wirke zum Glück nicht bedeutungsvoll "aufgeladen", sondern elegant und wie "beiläufig hingetuscht".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.2003

Eberhard Rathgeb schlägt verbal die Hände über dem Kopf zusammen! Die Geschichte über den schwäbischen Filmproduzenten, der unerwartet stirbt und dem von seinem ehemaligen Schulfreund und Chronisten nun ein Mord am eigenen Bruder angehängt wird, ist dem Rezensenten entschieden zu "hanebüchen". Dazu moniert er die Figuren des Romans als "mickrig und banal" und stilistisch ist ihm das Ganze viel zu "verzuckert und verzogen". Die Autorin, die für ihren ersten Roman den Ingeborg-Bachmann-Preis bekommen hat, sei mit diesem Buch im "Schmock" gelandet, so Rathgeb ungehalten.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.03.2003

Einen großen Roman wie diesen hat Thomas Steinfeld, wie er gesteht, von Sibylle Lewitscharoff nicht erwartet, die 1998 mit "Pong" die literarische Bühne betreten hat. "Montgomery" ist für Steinfeld ein großer Wurf, eine literarische Generalabrechnung - auf bewährt exzentrische Weise, sagt er. Der Roman stecke voller Übertreibungen, bedenkenlos vorgetragen. Der Held trage einen Namen, der die pure Übertreibung sei (so benannt nach dem amerikanischen Schauspieler Montgomery Clift), zugleich leide er an jeder Menge Exaltiertheiten, wie sie einem Filmproduzenten deutsch-italienischer Abstammung zustünden. Montgomery hat sich in den Kopf gesetzt, Feuchtwangers "Jud Süß" zu verfilmen - das würde nicht mal Roberto Benigni wagen, merkt Steinfeld belustigt an. Ein exaltiertes Projekt, das aus Montgomery einen aufrichtigen und bedingungslosen Historiker und Wahrheitssucher macht. Eine Suche, die im Leben nicht gut geht. Eine Verklärung Italiens liegt Lewitscharoff völlig fern, schreibt Steinfeld. Überhaupt sei dieses trotz des leichten Tons eines der schwärzesten Bücher der Zeit, was für unseren Rezensenten an der "fast somnambulen" aber treffsicheren Sprache liegt, mit der sich die Autorin durch die Geschichte bewegt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de