Klappentext
Aus dem Finnischen von Angela Plöger und Maximilian Murmann. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist in hohem Maße ein Geschlechterkrieg: Russland setzt sexuelle Gewalt in der Ukraine als Waffe ein, aber Frauenfeindlichkeit ist auch ein Instrument der internen Zentralisierung der Macht in Russland. Und sie ist ein Werkzeug des Imperialismus. Das Grauen, das Familien des Baltikums bereits einmal erleben mussten und das bis heute Wunden in den Familien hinterlassen hat, Deportationen, Besetzungen, Terror, Folter, Nazibeschuldigungen, Vergewaltigungen, wiederholt sich, aber wie nie zuvor können Kriegsverbrechen dokumentiert werden, weil Journalistinnen, Richterinnen, Staatsanwältinnen und Anwältinnen beteiligt sind. Die Hoffnung besteht, dass die Straffreiheit Russlands ein Ende haben wird. In diesem sorgfältig recherchierten Essay zeigt sich Sofi Oksanen erneut als Kennerin Russlands, seiner Geschichte und seiner strategischen Frauenfeindlichkeit.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.2024
Rezensentin Sarah Obertreis hält Sofi Oksanen sehr zugute, dass die Autorin nicht besserwisserisch auftritt. Grund dazu hätte sie allerdings, meint Obertreis. Schließlich hat die finnisch-estnische Oksanen bereits 2014 und seitdem immer wieder vor Russlands Großmachtpolitik und Gewaltbereitschaft gewarnt, wie die Rezensentin weiß. Oksanens neues Buch ist laut Obertreis weniger Analyse von Putins Misogynie als der Versuch einer Erklärung der Hintergründe des Krieges in der Ukraine. Dazu holt Oksanen weit aus, verbindet genaue Beschreibungen von Russlands Methoden und Geschichtliches mit der eigenen Familiengeschichte und bemüht sich nicht eben um Sachlichkeit. Letzteres geht auf Kosten der Struktur und Lesbarkeit, weshalb man das Buch auch nicht chronologisch zu lesen braucht, wie Obertreis findet.
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buecher.deRezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.02.2024
Sofi Oksanens Buch stellt Misogynie laut Rezensent Ulrich Rüdenauer als einen zentralen Bestandteil der Putinschen Machtpolitik dar. Die Autorin zeigt, dass Vergewaltigungen im Ukrainekrieg gezielt als Kriegswaffe eingesetzt werden, aber auch andere Teile der russischen Innen- wie Außenpolitik sind von Frauenfeindlichkeit geprägt. Die finnisch-estnische Autorin, deren Großmutter von russischen Soldaten vergewaltigt worden war, zeichnet Rüdenauer zufolge dar, wie Gewalt gegen Frauen - ein Grundzug aller kriegerischer Auseinandersetzungen - von Putin noch einmal forciert eingesetzt wird. Einen Grund hierfür macht Oksanen, lesen wir, darin aus, dass der russische Präsident seine Machtbasis von Forderungen nach Gleichberechtigung der Geschlechter gefährdet sieht, die er mithilfe antifeministischer Hetze über Staatsmedien bekämpfen möchte. Damit steht er, führt Rüdenauer mit Oksanen weiter aus, in einer schlechten russischen Tradition der Geschichtsklitterung, die auch die Umdeutung des Begriffs Nazi umfasst - damit bezeichnet werden inzwischen schlicht die Feinde Russlands. Ein wichtiges, mutiges Buch, so das Fazit.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.02.2024
Der hier rezensierende französische Journalist und Schriftsteller Olivier Guez findet es spannend, wie sich die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen in ihrem neuen Buch und in einem Treffen in ihrer Wohnung in Helsinki zur russischen Politik äußert. So verfolge die schon immer sehr russlandkritische Intellektuelle in ihrem Essay zwei Anliegen: zum einen den Angriffskrieg auf die Ukraine in eine lange Tradition des russischen Kolonialismus einzuordnen, der in der westlichen (Populär-)Kultur kaum gesehen werde, und zum anderen diesen Kolonialismus als einen herauszustellen, der sich auch in einer Aggression gegen Frauen äußere - sowohl in Form politischer Ausgrenzung als auch ganz konkret durch sexuelle Gewalt. Eine interessante, feministisch geframte Perspektive auf die Historie russischer Außenpolitik, vermittelt Guez, in der Oksanen etwa auf den russischen Einfluss auf die ukrainische Stadt Dnipro eingehe, auf die gewalttätige sowjetische Besetzung Estlands in den 1940er Jahren, oder auf die Abwesenheit dissidenter Künstler aus Osteuropa im Londoner Museum Tate Modern.
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