Stephan Oswald

Im Schatten des Vaters

August von Goethe
Cover: Im Schatten des Vaters
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406791390
Gebunden, 424 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

August von Goethe fristet in der allgemeinen Wahrnehmung ein trauriges Dasein als Sohn seines berühmten Vaters und schwarzes Schaf der Familie. Stephan Oswald erzählt seine Geschichte erstmals aus seiner eigenen Perspektive. Gestützt auf zahlreiche unbekannte Quellen, macht er einen ganz anderen Menschen sichtbar und eröffnet zugleich einen intimen Einblick in das Leben am Frauenplan und die Verhältnisse im klassischen Weimar. Was weiß man über August von Goethe? Dass er ein Alkoholproblem hatte, ist bekannt und soll zu seinem frühen Tod geführt haben. Überhaupt soll er seinem Namen wenig Ehre gemacht haben. Doch August stieg nach seinem Jurastudium rasch in der herzoglichen Verwaltung Weimars auf und wurde mit gerade mal 34 Jahren zum Geheimen Kammerrat ernannt. Er gehörte dem Hof an, heiratete eine Frau aus altem Adel und war ein angesehenes Mitglied der Weimarer Gesellschaft. Wie Stephan Oswald entdeckt hat, unternahm er eigene literarische Versuche - die erhaltenen Fragmente werden hier erstmals veröffentlicht. Wahr ist allerdings auch, dass sein Vater ihn mehr und mehr zu seinem Faktotum machte, zum Assistenten in allen möglichen Angelegenheiten. Stephan Oswalds einfühlsame und lebendig geschriebene Biographie zeigt, in welchem Maße der Schatten des Vaters auf August lastete und seiner Entfaltung enge Grenzen setzte. Hier liegt die ganze Tragik dieses Lebens.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.06.2023

Rezensent Malte Osterloh stellt fest, dass Stephan Oswald, obgleich er sich genau das vornimmt, den Schatten Goethes nicht von dessen Sohn August nehmen kann. Das Ansinnen einer Ehrenrettung des Sohnes, der sich selbstlos in den Dienst des Vaters stellte und dafür kaum Dank erhielt, findet Osterloh zwar ehrenhaft, gelingen will es dem Autor allerdings nicht. Eher noch wird Goethes Schatten dunkler, meint der Rezensent. Das Buch liest sich laut Osterloh zwar flüssig, nervt aber mit Sottisen und abenteuerlicher Psychologie, für die Oswald Belege schuldig bleibe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.04.2023

Was Thomas Mann schon in "Lotte in Weimar" beschrieb, hat Stephan Oswald mit seiner Biografie eindringlich untermauert, findet der hier rezensierende Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer: August, der Sohn von Johann Wolfgang von Goethes und Christiane Vulpius stand so unter der Knute sozialer Zensur, dass er es nicht wagte, sich die Freiheit für ein eigenes Leben zu erlauben. Oswalds Buch löst für den Rezensenten die Biografie von Wilhelm Bode aus dem Jahr 1918 ab, auf die sich Mann in seinem Roman stützte. Denn Oswald, so Borchmeyer, habe es sich zur Aufgabe gemacht, August von der Häme zu befreien, die dem außerehelichen Kind des deutschen Dichterfürsten bis heute anhaftet. Außerdem, lobt der Rezensent, habe der Autor nicht den Fehler anderen Biografen begangen, den Sohn als Opfer seines Vaters darzustellen. Eine sensible Biografie sei so entstanden, meint der Kritiker. Dass August von Goethe die kindliche Sehnsucht nach Nähe so prägte, dass er sich von seinem Vater nie lösen konnte, ist für Borchmeyer die Quintessenz dieser empfehlenswerten Biografie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2023

Was für ein Unglück, Goethe als Vater gehabt zu haben, bedauert Rezensent Gustav Seibt den unehelichen Sohn, über den Stephan Oswald eine Biografie vorgelegt hat. Zwar sei der Philosoph Fichte der einzige gewesen, der August ganz offen unter Druck gesetzt habe, dem Herrn Papa nur ja keine Schande zu machen - aber was Oswald aus Archiven zusammengetragen hat, zeichnet für Seibt eine zu Herzen gehende Tragödie. Die habe der Dichterfürst zwar nur zum Teil zu verantworten, findet der Rezensent, weil die Welt damals eben eine besonders patriarchale war. Verwundert ist er deshalb über Oswalds "moralischen Furor", mit dem er sein Buch als eine einzige Anklage gegen Vater Goethe angelegt habe. Trotzdem, resümiert Seibt, ersetze diese Biografie, was Wilhelm Bode 1918 über August geschrieben habe, zumal Oswald in Thüringen auf Material gestoßen sei, das beweist, wie bewusst sich der Sohn über die Last seines Lebens war.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.2023

Rezensent Andreas Kilb freut sich, dass Stephan Oswald einige Vorurteile betreffend Goethes Sohn August aus dem Weg räumt. Als Nichtsnutz erscheint ihm August nach der Lektüre dieser Biografie jedenfalls nicht mehr, eher als durchaus belesener, dauerbeschäftigter Verwalter des Lebens seines übermächtigen Vaters. Wie Goethe dazu stand und welche Folgen das für August hatte, beschreibt der Autor laut Kilb nach allen Regeln der "Biografenkunst". Dass Oswald ausgerechnet die Vermutung, August sei Alkoholiker gewesen, nicht zu zerstreuen vermag, findet Kilb bedrückend. Umso schöner, dass es nun einen "würdigen Rahmen" für dieses Leben und Ringen im Schatten Goethes gibt, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 03.03.2023

Dass August von Goethe von der Familie geringgeschätzt wurde und zeit seines Lebens unter der Knute des Vaters stand, wusste Rezensent Michael Opitz zwar auch schon vorher, aber dank des Germanisten Stephan Oswald erhält er nun ergänzende, teils korrigierende Informationen. Bei Oswald erscheint der Goethe-Spross auch als durchaus dienstbereiter, fleißiger Kammerrat und kluger Mineralienforscher, der einiges aushalten musste. Der Vater, so Opitz, hat Schritt für Schritt das Leben seines Sohnes überwachen lassen, die Ehe ist gescheitert und er starb - hier wird ein lange kolportiertes Vorurteil widerlegt - nicht an alkoholbedingter Leberzirrhose, sondern an einer Hirnhautentzündung. Der Kritiker begrüßt, dass diese Informationen nun ansprechend, spannend und lesenswert dargeboten werden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.02.2023

In einer ausführlichen Besprechung widmet sich der hier rezensensierende Kunsthistoriker Golo Maurer, der selbst schon zu Goethe publiziert hat, einer neuen Biografie über dessen Sohn August, bei dem, so viel verrät er gleich zu Beginn, unter der Übermacht des Dichtervaters einiges schiefläuft. Über Augusts Lebensstationen von der unehelichen Geburt, der oft unglaublich kalten Zurückweisung des Vaters und dem frühen Tod in Rom weiß Maurer vieles zu berichten. Dabei zieht er auch frühere Biografien heran, die wichtigsten, neuesten und auch sorgfältigsten Informationen bezieht er dabei aber von Stephan Oswald, den er für seine Akribie lobt, auch wenn er über den Begriff der "Ehrenrettung", die dieser im Sinn hat, stolpert. Für den Kritiker eine lohnende, intensive Lektüre, bei der er sich auch mit der Frage befasst, ob das wenig rühmliche Verhalten des Vaters Goethe schon als elterlicher Missbrauch zu werten ist.