Stephen Kelman

Pigeon English

Roman
Cover: Pigeon English
Berlin Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783827009753
Gebunden, 298 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Auch Harri könnte gut einer der Jungs sein, die dort drüben an der Ecke rumlungern. Er könnte einer von ihnen werden. Er würde irgendwann mit dem Dealen anfangen oder seine Tags an die Wände der Hochhäuser sprühen. Dafür spricht einiges, auch wenn Harri erst elf Jahre alt ist. Gerade aus Ghana angekommen, lebt er mit seiner Mutter und Schwester im neunten Stock eines Londoner Sozialbaus. Harri Opoku könnte eine Figur aus der gefeierten Serie "The Wire" sein, einer der weiß, dass Respect und Credibility die Währung sind, mit der man sich auf der Straße durchschlägt. Aber Harri liebt Haribo, den Aufzug, obwohl er nach Pisse stinkt, die Tauben und seine modischen Turnschuhe, Unikate mit selbst gemalten Adidas- Streifen, und mit diesen flitzt er durch sein neues Leben.
Doch hier in den grauen Schluchten eines abgehängten Stadtviertels stimmt nichts. Die meisten sind illegale Einwanderer, haben lausige Jobs, und häufig genug werden die Mädchen schon mit vierzehn schwanger. Dann wird ein Nachbarsjunge auf offener Straße erstochen, doch keinen kümmert's. Nur Harri beginnt seine abstrusen Ermittlungen. Er versucht zu verstehen, wer gut ist, wer böse, wer verdächtig. Er macht sich die Welt um ihn herum so gut begreifbar, wie er kann, doch er spürt, dass nichts dem entspricht, was es zu sein vorgibt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.07.2011

Burkhard Müller freut sich schon allein deshalb, weil sich mit "Pigeon English" von Stephen Kelmans ein Publikationswunder ereignet hat, indem das unaufgefordert eingesandte Manuskript eines vollkommen unbekannten Autors in England zum Überraschungserfolg wurde. Aber auch die Geschichte des 11-jährigen Ghanaers Harri, der in einem Hochhaus in London lebt und seiner Familie den in der alten Heimat zurückgebliebenen Vater ersetzen zu müssen meint, hat den Rezensenten gleichermaßen gerührt und fasziniert. Wenn er auch den Einfall, seinen kindlichen Protagonisten mit Tauben kommunizieren zu lassen, die er als Schutzengel verehrt und die ihm mitunter antworten, nicht besonders gelungen findet. Die Erlebnisse aus dem proletarischen Londoner Norden laufen nie Gefahr, Vorabend-Serien-Seichtigkeit zu versprühen, wie Müller betont, der die große Originalität dieses Romans preist.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2011

Jan Wiele hat seinen Salinger gelesen. Daher kommt er gut zurecht mit der streng limitierten Erzählerperspektive in Stephen Kelmans Debütroman und der vom elfjährigen Erzähler bevorzugten Mischung aus Jugend-Slang und Einwanderer-Englisch. Eine allwissende Taube als kommentierende Hilfestellung wäre laut Wiele also nicht nötig gewesen. Das auf einem wahren Fall von Kinder- und Jugendgewalt basierende Buch spricht ihn an, weil es ihm einige, wenngleich auch nicht sehr erfreuliche Einzelheiten des Einwanderer-Daseins auf ziemlich authentische Weise vor Augen führt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.04.2011

Berührt und hingerissen ist Claudia Kramatschek vom Debütroman Stephen Kelmans, in dem der aus Ghana nach England immigrierte 11-jährige Harri den Mord an einem Jugendlichen in seinem von Gangs, Gewalt und Drogen beherrschten Vorortviertel aufzuklären sucht. Sie preist das Buch als einfühlsamen und hellsichtigen Immigrantenroman, der mit seinem jungen, unschuldigen Protagonisten einen fremden Blick auf die von Elend, Verboten und Grausamkeit geprägte Vorstadtwelt wirft und dennoch nicht verurteilt, wie die Rezensentin eingenommen bemerkt. Dieses Buch hat die Kraft wirklich zu berühren, ohne kitschig oder pathetisch zu sein, preist Kramatschek, die auch von der Übersetzung sehr angetan ist. Der Roman befördert das Verständnis dort, wo "Debatten" um die Integration nicht weiter kommen, lobt die Rezensentin noch, die dieses Buch schlicht "wunderbar" findet.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.04.2011

Ähnlich ambivalent wie der Titel von Stephen Kelmans britischem Überraschungserfolg fällt auch das Urteil des Rezensenten Ulrich Rüdenauer nach der Lektüre aus. Es geht um Harri Opoku, ein zehnjähriges Migrantenkind, das, begleitet von einer klugen und mit ihm befreundeten Taube, in gebrochenem - von den Übersetzern bestens wiedergegebenem - Pidgin English von seinen Erfahrungen in einem Londoner Problembezirk berichtet. Die Geschichte, halb Jugendroman, halb Milieuerkundung mit Krimielementen, steht und fällt mit ihrer aus kindlicher Perspektive erzählten Sprache, meint der Kritiker. Den naiv-moralischen Blick des Kindes auf seine Umwelt findet Rüdenauer bis zu einem gewissen Grad sehr "rührend", auch raffiniert. Auf die Dauer, so muss er leider gestehen, hat ihn die Altklugheit des Jungen aber doch ein wenig genervt.
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