Tanguy Viel

Das Mädchen, das man ruft

Roman
Cover: Das Mädchen, das man ruft
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783803133458
Gebunden, 160 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Laura, bildschön und Anfang zwanzig, ist wieder in die Bretagne zurückgekehrt. Nun braucht sie erstens eine Wohnung und zweitens einen Job. Dass der Bürgermeister persönlich bei seinem alten Freund im Casino ein gutes Wort für sie einlegt, bleibt nicht folgenlos. Ihr Vater Max, einst französischer Boxmeister, steigt nach Jahren wieder in den Ring. Es sind noch einige alte Rechnungen offen in der kleinen bretonischen Stadt am Meer, in der diese Tragödie um Sex und Macht, Schicksal und Gerechtigkeit die Figuren unausweichlich zu Dominosteinen macht. Als Laura Monate später den nun ehemaligen Bürgermeister schließlich anzeigt, ist das Urteil längst gesprochen. Denn: Sie wollte es doch auch...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2022

Rezensent Niklas Bender findet Gefallen an diesem düsteren neuen Polit- und Boxerroman des französischen Schriftstellers Tanguy Viel. Er erzählt zwei miteinander verbundene Geschichten vor der Kulisse der vielgesichtigen Bretagne: der erste Teil des Buches umfasst die Geschichte der zwanzigjährigen Laura Le Corre, die bei einer Polizeibefragung rückblickend davon erzählt, wie sie Opfer des Ministers für maritime Angelegenheiten wurde. Der zweite Teil befasst sich mit der Boxerkarriere von Lauras Vater und tragischerweise auch Initiator des Kontakts zwischen der Tochter und dem Minister, erklärt Bender. Die vielleicht nicht sonderliche komplexe Handlung funktioniert ihm zufolge durch die angedeutete und gut aufgebaute Spannung, Auch, wenn ihn der erste Teil des Buches deutlich mehr mitgerissen hat als der absehbare zweite, so findet der Rezensent das Buch insgesamt sehr lohnend und reflektiert, vor allem hinsichtlich der Frage, was Einverständnis bedeutet, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.05.2022

Paul Jandl hält den Plot von Tanguy Viels neuem Roman nicht für allzu subtil, dafür scheint ihm Viels Methode umso raffinierter. Was der Autor auslässt, hat es in sich, meint er. Geht es oberflächlich um bretonische Kleinstadtganoven, mittelmächtige, korrupte Lokalpolitiker, Nacktfotos und sexuelle Gewalt, steckt darunter die vertrackte Psychologie von Abhängigkeitsverhältnissen, erklärt Jandl. Viels Andeutungsfeuerwerk, von Schmidt-Henkel laut Jandl kongenial übertragen, ist die Lektüre jedenfalls wert, versichert der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 30.03.2022

Rezensent Christoph Vormweg bewundert Tanguy Viels stilistische Fähigkeiten, seine filmische Erzähltechnik wie seine "kühle Distanz" beim Zünden "emotionaler Sprengsätze". Die Missbrauchsgeschichte um ein junges Fotomodell aus der bretonischen Provinz, das in die Fänge eines skrupellosen Politikers gerät, erzählt der Autor laut Vormweg diesmal nicht mit Humor, sondern angemessen auf beklemmende Weise. Dabei lässt Tanguy Spannung, starke Metaphern und eine "Dynamik des Diffusen" im Hinblick auf die Figurenmotivation walten und führt Leser-Erwartungen gekonnt in die Irre, meint der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.03.2022

Rezensent Dirk Fuhrig bedauert sehr, dass der sprachlichen Klasse des kleinen Romans von Tanguy Viel eine allzu große inhaltliche Einfachheit gegenübersteht. Die Geschichte um eine junge Prostituierte, den sie "protegierenden" Machtmenschen und den sehr simpel gestrickten ahnungslosen Vater in einer Kleinstadt in der Bretagne erzählt der Autor laut Fuhrig klischeehaft und was die Figuren angeht, "eindimensional bis zur Karikatur". Schade, denn die Story um Macht und sexuelle Abhängigkeit und die Frage, wann Missbrauch beginnt, ist eigentlich eine spannende, und die elliptische Erzählweise ist durchaus raffiniert, findet Fuhrig.