Tomer Dotan-Dreyfus

Birobidschan

Roman
Cover: Birobidschan
Voland und Quist Verlag, Dresden und Leipzig 2023
ISBN 9783863913472
Gebunden, 320 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Sibirien, 1908. Ein Knall erschüttert den sibirischen Wald Tunguska. Zwei Jahrzehnte später plant Stalin eine jüdisch-sozialistische Autonomie an der Grenze zu China: Birobidschan. Was als stalinistisches Experiment der 1930er Jahre scheitert, wird in Tomer Dotan-Dreyfus' Debütroman zum Dreh- und Angelpunkt einer funkensprühenden Geschichte: Da sind Alex und Rachel, verliebt seit Kindertagen. Boris Klayn, Fischer und Ur-Birobidschaner. Gregory und Sascha, enge Freunde, einer hat Depressionen, der andere nimmt ihn mit auf einen Roadtrip gen Tunguska. Dmitrij, der Angst vor Wölfen hat. Das Leben in Birobidschan geht seinen Gang, die kleinen und großen Sorgen der Bewohner drehen sich fern allen Weltgeschehens - bis sich die Ereignisse überschlagen: Zwei fremde Männer und ein stummes Mädchen bringen die idyllische Gemeinschaft zum Bersten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.09.2023

Rezensentin Elena Witzeck fühlt sich wohl in Tomer Dotan-Dreyfus' Buch. Der Titel verweist, erfahren wir, auf den Ort der Handlung, ein kleiner Ort im sibirischen Nirgendwo, mit jüdischer Bevölkerung. Wie überall in solchen Orten ist es, führt Witzeck aus, auch in Birobidschan gelegentlich langweilig, gerade für junge Leute. Gleichzeitig aber, so fährt sie fort, entwirft das Buch ein Panorama faszinierender Gestalten, die ihre geistige Beweglichkeit vereint. Ziemlich fordernd ist das gelegentlich, findet die Rezensentin: so viele Figuren und auch noch Zeitsprünge, dazu außerdem teils düster und schwermütig. Den Ort gibt es wirklich, weiß Witzeck, aber das ist nicht so wichtig, da der Einfallsreichtum Dotan-Dreyfus' sich selbst genug ist. Besonders positiv hebt die Rezensentin den am Lyrischen geschulten Tonfall der Prosa hervor.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.08.2023

Über die Entstehungsgeschichte dieses Romans weiß Kritikerin Katharina Teutsch schon Spannendes zu berichten: Der israelische Dichter Tomer Dotan-Dreyfuß ist auf den Spuren seiner Vorfahren nach Deutschland gekommen, belegt einen Jiddischkurs und fragt sich, ob Jiddisch irgendwo Amtssprache ist. Ja, in dem autonomen Gebiet Birobidschan, das Stalin einst als jüdische Siedlungsregion bestimmt hat, und dort siedelt auch Dotan-Dreyfuß seine Geschichte an, weiß Teutsch, allerdings mit allerlei Ausschmückungen und magischen Realismen von jungen Paaren und Meteoriteneinschlägen, die das Leben im jüdischen Shtetl aufmischen. Ein Roman, der den jüdischen Witz verinnerlicht hat und von dem die Rezensentin eigentlich kaum genug kriegen kann.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 29.06.2023

Rezensentin Katharina Teutsch hat nur ein einziges Problem mit Tomar Dotan-Dreyfus' Roman: Er nimmt irgendwann ein Ende. Denn Teutsch kann gar nicht genug bekommen von der David-Lynch-Welt, die der israelische Lyriker hier in bildgewaltigen und mysteriösen Episoden ersinnt. Dotan-Dreyfus führt sie ins Oblast Birobidschan, jene autonome jüdische Region, die Stalin kurz vor der chinesischen Grenze errichten ließ. Aber der Autor hat nicht das historische Schicksal der Region, die von den meisten Juden bereits im Laufe der Vierziger wieder verlassen wurde, im Blick, klärt die Kritikerin. Vielmehr entwirft er die Utopie einer "jüdisch-bundistischen Republik" in der ein "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" herrscht, fährt die Rezensentin fort. Sie folgt verschiedenen Familien, deren Alltagsidyll aus den Fugen gerät, als ein Bär auftaucht und zwei Leichen gefunden werden. Und das alles erzählt mit "jüdischen Witz" und magischem Realismus - die Kritikerin ist hingerissen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.04.2023

Rezensent Carsten Hueck wird gut unterhalten von diesem Debüt von Tomer Dotan-Dreyfus. Der in Haifa geborene, seit zehn Jahren in Berlin lebende Schriftsteller verquickt in seinem Roman über die historische Stadt "Birobidschan" Wahrheit und Fiktion, Vergangenheit und Gegenwart auf witzige und poetische Weise, freut sich Hueck. In den 1930er Jahren plant Stalin eine jüdisch-sozialistische Siedlung an der Grenze zu China, informiert der Rezensent. Dotan-Dreyfuß' Geschichte dreht sich nun um die Bewohner dieses "Shtetls" und springt dabei immer zwischen den Gründungsjahren der autonomen jüdischen Siedlung und der Gegenwart hin und her. "Teil märchenhaft, teils mysterymäßig" schildere der Autor skurrile Begegnungen, Todesfälle und Liebende in diesem Ort, so Hueck. Die humorvolle Verflechtung von jüdischer Kultur, "sozialistischen Träumen" und "postsowjetischer Lebensrealität" schafft für den Rezensenten ein magisches Lektüreerlebnis.