Udo Bermbach

Houston Stewart Chamberlain

Wagners Schwiegersohn - Hitlers Vordenker
Cover: Houston Stewart Chamberlain
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart - Weimar 2015
ISBN 9783476025654
Gebunden, 592 Seiten, 39,95 EUR

Klappentext

Mit 46 Abbildungen. Houston Stewart Chamberlain war einer der wirkungsmächtigsten Publizisten im Deutschen Kaiserreich. In England geboren, in Frankreich erzogen, in Österreich und Deutschland der deutschen Kultur assimiliert, gewann er mit dem Bestseller "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" auf den Kaiser, auf führende Politiker und Intellektuelle, auch auf die völkische Rechte in Deutschland entscheidenden Einfluss. Hitler zählte ihn zu den Vordenkern des Nationalsozialismus, NS-Autoren erhoben ihn zum "Seher des Dritten Reiches". Als Schwiegersohn Richard Wagners und enger Vertrauter Cosimas war er der führende Kopf Bayreuths, der über Bayreuth hinaus dachte. Seine Wagner-Biografie blieb bis in die 1950er Jahre verbindlich. Sein Buch über Kant beeindruckte Kant-Spezialisten, das über Goethe wies der Goetheforschung neue Wege, Mensch und Gott entwarf eine folgenreiche Theologie. Studierter Biologe, seiner Neigung nach Literat und Kulturpublizist, eingebunden in die selbst formulierte Kulturmission Bayreuths, ein bekenntnisbesessener Konvertit zum Deutschtum, Rassist und Antisemit, erleichterte er großen Teilen des Bildungsbürgertums den Weg zum Nationalsozialismus. Die hier vorgelegte erste deutsche Werkbiografie will Leben und Weltanschauung im historischen Kontext aufschließen, um einen wichtigen Abschnitt deutscher Geschichte verständlicher werden zu lassen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.09.2015

Christian Geulen plagen Bauchschmerzen bei der Lektüre von Udo Bermbachs Chamberlain-Biografie. Nachdem der emeritierte Politikwissenschaftler bereits einige Bücher über Richard Wagner veröffentlicht hat, nehme er sich nun eines "Klassikers des rassistischen Antisemitismus" an, wie Geulen den gebürtigen Briten Houston Stewart Chamberlain nennt. Bermbach wolle Bilanz ziehen und die Frage beantworten, wie ähnlich sich Chamberlains Ansichten und die der Nationalsozialisten waren. "Durchaus erhellend" findet der Kritiker das Buch auch insofern, als es den Leser gut in die Denkweisen der Intellektuellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts einführe. Doch in Geulens Augen interpretiert der Autor dann zu Unrecht die Nähe Hitlers zu Chamberlain als "illegitime Verfälschung und Vereinnahmung eines Werkes". Dass Bermbach seinen Gegenstand auf diese Weise in Schutz nehme, führt für Geulen zu einer "weitgehenden Enthistorisierung ideengeschichtlicher Zusammenhänge" und lasse den theoretischen Rassismus Chamberlains geradezu nachvollziehbar erscheinen - womit der Rezensent verständlicherweise seine Probleme hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.09.2015

Herfried Münkler zieht den Hut vor Udo Bermbach, der sich für seine sechshundertseitige Studie zu Houston Stewart Chamberlain durch dessen gesamtes Werk gekämpft und dabei der Versuchung widerstanden hat, sein Urteil von vorneherein zu fällen. Chamberlain mag heute kaum bekannt sein, war allerdings einmal eine "weltanschauliche Großmacht" und leistete entscheidende Vorarbeit für die nationalsozialistische Ideologie: Indem er den Rassismus wissenschaftlich zu begründen suchte und ihn als weltanschaulichen Schlüssel gegen einen marxistischen Materialismus in Stellung brachte, erklärt der Rezensent. Gerade wo Bermbach beschreibt, wie das Orientierungsbedürfnis des Bildungsbürgertums dieses empfänglich machte für Chamberlains totale Welterklärung, können wir heute noch eine wichtige Lehre ziehen, so Münkler.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.09.2015

Der hier rezensierende Musikwissenschaftler Jörg Rothkamm nennt die Chamberlain-Monografie des Politologen und Wagner-Forschers Udo Bermbach einen Meilenstein und ein differenziertes Bild des Schwiegersohns von Richard Wagner. Nicht nur sichtet der Autor laut Rothkamm Chamberlains gesamtes Werk, interpretiert es und ordnet es in den biografischen Kontext ein, er schafft es auch, Chamberlain durch "saubere" Textanalyse von Wagner abzusetzen und das Darwinsche Modell als ausschlaggebend für seine Rassentheorie darzulegen. Wenn der Autor Chamberlains eher unpolitisches "Programm" von der "nationalsozialistischen Endlösung" unterscheidet, scheint der Rezensent froh darüber, dass er gleichwohl die Problematik erkennt, die im Einfluss Chamberlains auf Hitler liegt. Bermbachs Neulektüre der Schriften Chamberlains und unbekannter biografischer Quellen scheint dem Rezensenten in jedem Fall gewinnträchtig, schon da der Autor sich des heiklen Gegenstands seiner Untersuchung stets bewusst ist, wie Rothkamm erläutert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.07.2015

Mit einer langen gelehrten Besprechung würdigt Rezensent Jens Malte Fischer Udo Bermbachs umfassendes Gesamtwerk über Houston Stewart Chamberlain. Insbesondere hebt der Kritiker das Verdienst des Politikwissenschaftlers hervor, das Werk des Wagner-Schwiegersohns und Vordenker Hitlers ausgesprochen differenziert zu betrachten: So fokussiere sich Bermbach nicht nur auf die vielgelesenen "Grundlagen des 19. Jahrhunderts", sondern lege den Schwerpunkt vor allem auf Chamberlains "intellektuelle Kapazität": In seinem Goethe-Buch von 1912 etwa weise der Autor bereits deutliche antisemitistische Tendenzen nach, informiert der Rezensent. Neben Chamberlains Verbindungen zu Hitler und den Verwicklungen in Bayreuth liest der Kritiker hier auch nach, wie sehr er sich von Richard Wagners antisemitistischen Schriften inspirieren ließ. Ein bedeutendes Werk, das zu einer kontroversen Diskussion über diesen Vordenker des Nationalsozialismus einlädt, schließt der Rezensent.
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