Urs Bitterli

Golo Mann

Instanz und Außenseiter. Eine Biografie
Cover: Golo Mann
Kindler Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783463404608
Gebunden, 708 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Spätestens seit der Veröffentlichung seines "Wallenstein" gilt Golo Mann - der Wanderer zwischen den Welten und Liebhaber schöner Literatur - als einer der wichtigsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts. Dieses Buch bildet die erste umfassende Biografe des bedeutenden Historikers und politischen Publizisten. Alle Lebensabschnitte der vielschichtigen Persönlichkeit werden eingehend dargestellt: Kindheit und Jugend im Haus des berühmten Schriftstellers Thomas Mann, das Exil in den USA und die Rückkehr als amerikanischer Soldat nach Deutschland, die Jahre in Kilchberg bei Zürich, wo er bis kurz vor seinem Tod wohnte und unter anderem die Belange der Familie Mann verwaltete. Neben dieser bewegten Lebensgeschichte tritt eine zugänglich geschriebene Interpretation des historischen Werks, insbesondere der "Deutschen Geschichte" und des "Wallenstein".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.02.2005

Lob und Anerkennung verdient Urs Bitterlis über 700 Seiten umfassendes Buch über Leben und Werk von Golo Mann allemal, findet der Rezensent Thomas Stölzel. Denn neben den bereits veröffentlichten Texten des Schriftstellers hat Bitterli auch dessen kompletten Nachlass durchgearbeitet. Vor allem aber behandle Bitterli Golo Mann als eigene, eigenständige Persönlichkeit, als "wachen und regen Kommentator des politischen und kulturellen Lebens seiner einstigen Heimat" und nicht lediglich als Sohn von Thomas Mann, an dessen Schatten werfender Figur es sich abzuarbeiten gelte. In zweierlei Hinsicht erntet Bitterli jedoch Kritik von Seiten des Rezensenten. Einerseits neige sein "leicht helvetisch gefärbtes Deutsch" zu "stilistischen Gespreiztheiten", und andererseits werde das Buch dem im Untertitel formulierten Anspruch Biografie zu sein nicht gerecht. Golo Manns Kindheit in nur wenigen Seiten abgefertigt, und auch sonst schrecke Bitterli vor "psychologischen Erkundungen" - zumal in Sachen Partnerschaft und Sexualität - weitgehend zurück. Dies, beteuert der Rezensent, müsse zwar nicht gleich in Voyeurismus ausarten, solle jedoch - zumindest in einer Biografie - Erwähnung finden und ernsthaft behandelt werden. Insgesamt wertet der Rezensent das vorliegende Buch - zusammen mit dem von Klaus W. Jonas und Holger S. Stunz kürzlich herausgegebenen Chronik und Bibliografie "Golo Mann. Leben und Werk" - als "wichtige Vorarbeiten für eine eigentliche Biografie" Golo Manns.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.11.2004

Alexander Kluy bewertet Urs Bitterlis Biografie des Thomas Mann-Sohns, Wallenstein-Biografen und politischen Publizisten Golo Mann insgesamt recht positiv, auch wenn er im Detail einige Kritik anzumelden hat. Eine "Instanz" - so steht's im Untertitel des Buchs - sei Golo Mann schon wegen seiner Homosexualität nicht gewesen, aber Außenseiter auch nicht recht, denn dazu war er wiederum zu bürgerlich-elitär. Allerdings legt Kluy dann selbst dar, wodurch Golo Mann in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit auf Vorbehalte stieß: etwa durch die literarische Prosa seiner historischen Werke, die für dünne Lippen bei den Universitätshistorikern sorgte, oder durch wechselhafte politische Positionen, die mal Willy Brandt, mal Franz-Josef Strauß bevorzugten. Zur Hauptkritik Kluys an Bitterlis Buch gehört, dass Manns Arbeitsweise nicht genug gewürdigt werde und dass seiner Sprache nicht ein eigenes Kapitel gewidmet sei. Dennoch entlässt Kluy den Leser mit einer warmen Empfehlung dieser Biografie, schon weil sie detailreich und ausführlich aus Manns bisher verschlossenem Nachlass schöpfe.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.05.2004

Danken möchte Klaus Harpprecht Urs Bitterli, der sich in seinem neuen Buch dem Leben des einzigen Sprösslings von Thomas Mann widmet, der seinen geistigen Rang und ein "eigenständiges Werk gegen den übermächtigen Schatten" des Vaters zu behaupten mochte. Nicht zuletzt deshalb habe Golo Mann, den der Rezensent als welt- und lebensneugierigen Autor und Europäer in "jeder Faser" seiner Seele verehrt, eine "prominente Biografie" verdient. In seinen Augen hat Urs Bitterli ein "lesbares" Exemplar geschrieben, das auch Golo Manns Neigung zu den Musen "willkommenen Tribut" zolle. Leider sei der Verfasser über Kindheit und Jugend Manns ein bisschen zu schnell hinweggehuscht, nur 13 Seiten widmete er diesem Lebensabschnitt. Mit "distanzierter Sachlichkeit" und diskreter Sympathie führt Bitterli den Leser durch das Leben Golo Manns, manchmal leider in allzu konventionellem Stil, bedauert der Rezensent, für den die Lektüre "lustvoller" gewesen wäre, wenn der Verfasser den Mut zu einer "eigenen kraftvollen" Schilderung gezeigt hätte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.04.2004

Spannung - für den Rezensenten Hanno Helbling ist sie der begriffliche Schlüssel zum Leben von Golo Mann, und weil Urs Bitterli ihn seinen Lesern darreicht, fällt Helbings Bewertung sehr positiv aus. Spannung bestehe für den Biografen schon in der Diskrepanz zwischen Golo Manns Selbstzeugnissen und anderen Dokumenten. Bitterli, so der Rezensent, kommt dabei eine "unbefangen kritische Haltung" gegenüber seinem Subjekt zugute - daraus erwachse die Sicherheit, mit der er die Widersprüchlichkeiten nicht auflöst, sondern herausarbeitet, um darin das Wesen von Golo Manns Leben, vor allem aber von dessen Arbeit zu finden: das Schwanken zwischen Zurückhaltung und dem "Drang, sich vernehmen zu lassen" und "ein nicht so sehr forschender wie bedenkender, reflektierender Umgang mit der Vergangenheit" in fruchtbarer Verbindung mit "einem Grundantrieb zur Formulierung".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.04.2004

Gustav Seibt wirbt herzerwärmend für einen eher unbequemen, weil nicht dem Zeitgeist entsprechenden Historiker, der zeitlebens "von borstiger Depressivität" war und sich auch dazu bekannte. Auch aus seiner Homosexualität machte Golo Mann kein Geheimnis, insofern sind auch in einer neuen Biografie keine Geheimnisse zu ergründen, schreibt Gustav Seibt. Urs Bitterlis Porträt des Historikers sei von "akademischem Geist" geprägt, stellt Seibt fest, wodurch die Persönlichkeit des Historikers für ihn eher blass geblieben ist. Ausreichend sieht er hingegen Golo Mann als öffentliche Figur im Nachkriegsdeutschland gewürdigt. Insgesamt bezeichnet Seibt Bitterlis Biografie als "verdienstvoll" und "gutartig", sie arbeite das reflexiv-politische Temperament und Können Manns heraus, das vor allem in seinen Essays glänzend zum Zuge kam. Manns Kommentare zur amerikanischen Politik lesen sich wie eine Offenbarung, gesteht Seibt, und von einigen "irrlichternden Stellungnahmen" aus der späten Bundesrepublik solle man sich nicht irritieren lassen, warnt er vor schnellen Schlüssen. Wünschenswert an dieser pünktlich zum zehnten Todestag von Golo Mann erscheinenden Biografie wäre ansonsten ein ausführlicher Exkurs zur Quellenlage gewesen, äußert der Kritiker kritisch.
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