Viktor Schklowski

Zoo. Briefe nicht über Liebe, oder Die Dritte Heloise

Cover: Zoo. Briefe nicht über Liebe, oder Die Dritte Heloise
Guggolz Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783945370346
Gebunden, 189 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja und mit einem Nachwort von Marcel Beyer. Viktor Schklowski schrieb "Zoo. Briefe nicht über Liebe, oder Die Dritte Heloise" Anfang 1923 in Berlin, wo sich zu der Zeit eine ganze Kolonie russischer Autoren und Künstler aufhielt. Schklowski hatte sich in Alja (Elsa) Triolet verliebt (die Schwester von Majakowskis Geliebter Lilja Brik wurde später als französische Schriftstellerin bekannt), stieß jedoch nicht auf Gegenliebe. Da Alja ihn auf Distanz hielt, schrieb er ihr Briefe, die auf Wunsch der Adressatin aber nicht von Liebe handeln durften. Aus dieser Spielregel entstand ein höchst ungewöhnliches Buch, in dem reales Dokument und Fiktion unmöglich auseinanderzuhalten sind - eine flirrende literarische Illusion. "Zoo" erschien noch 1923 in Berlin: Es wurde Schklowskis größter literarischer Erfolg. Der verliebte Korrespondent macht aus der ihm diktierten Auflage das Beste: Seine Briefe erzählen vom mühsamen Alltag im Exil, von Streifzügen durch die deutsche Metropole und ihre Kunstszene, aber auch vom Heimweh nach Russland und den politischen Umbrüchen der Zeit. Doch wo es nirgends um Liebe gehen soll, handelt zugleich alles von ihr - Schklowskis und Triolets Briefe sind durchdrungen von Sehnsucht und Begehren. Traurig und komisch, ironisch und paradox: Olga Radetzkajas Übersetzung zeichnet Schklowskis oft abrupte Tonart- und Themenwechsel in ihrer Übersetzung nach und legt die literarischen, biografischen und politischen Schichten des Textes frei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.01.2023

Rezensentin Judith Leister entdeckt mit Viktor Schklowski einen humorvollen Porträtisten des migrantischen Berlins von 1920. Die deutsche Erstveröffentlichung des Originals von 1923 macht ihr sichtlich Freude. Ob der Autor Künstler-Zeitgenossen bissig zeichnet oder über die Gleichform der Stadt und autobiografisches Liebesleid klagt - stets beschwingt sein assoziativer, energetischer Stil, verspricht Leister. Allerdings hat der Autor seinen Roman auch als systematische Enttäuschung von Lesererwartungen angelegt, warnt sie. Abschweifungen und Verwirrungen muss man daher in Kauf nehmen, so Leister.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.07.2022

Rezensentin Christiane Pöhlmann kann sich nicht vorbehaltlos der Heimweh-Romantik in Viktor Schklowskis Briefen, deren Erstfassung nun in einer Neuübersetzung von Olga Radetskaja vorliegt, hingeben. Denn obwohl die Aufzeichnungen des russischen Literaten über seine Zeit in Berlin in den 20er Jahren stellenweise einen "witzig-grotesken" Reiz entfalten, wird der Rezensentin in den Aufzeichnungen - bei denen es sich eigentlich doch um versteckte Liebesbriefe an eine Alja handelt, so Pöhlmann - zu vieles zugunsten eines "großen Lamentos" einfach übergangen: So zum Beispiel die Tatsache, dass Schklowski nicht wie behauptet durch "Zufall" im von ihm beklagten Berlin landete, sondern dorthin geflohen war, wie Pöhlmann klarstellt. Auch von anderen politisch Verfolgten wie Nikolai Gumiljow oder Juli Aichenwald sei irritierenderweise nicht die Rede, und "Kanten" in den Biografien, beispielsweise der Angebeteten Alja, würden auch von Übersetzerinnenseite "glattgebügelt", kritisiert Pöhlmann. Ihr scheint das alles etwas verharmlosend zu sein.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.07.2022

Rezensent David Hugendick ist glücklich mit der Neuübersetzung von Viktor Schklowskis kleinem Buch aus den 1920er Jahren. Wie der Autor über die Traurigkeit seines Lebens im Berliner Exil schreibt, verklausuliert als Liebesbriefe an eine Unerreichbare, findet der Rezensent entzückend. Zwischen Dramolett, Märchen, Feuilleton, Essay schwebend berichtet der Erzähler laut Rezensent über Berliner Tischgepflogenheiten, Damen mit Albasterteint und die Einsamkeit des Exils, lakonisch, genau und mit "sanfter Ironie".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.05.2022

Rezensent Stephan Wackwitz liest angetan die "autofiktionale Berliner Amour fou" Viktor Schklowskis. Wenn der Mitbegründer des russischen Formalismus hier autobiografische Erlebnisse seines Exils im Berlin der zwanziger Jahre mit fiktionalen Elementen verknüpft, wird für den Rezensenten das erste "autofiktionale" Werk geboren. Zugleich "revolutioniere" der Autor das Genre des erotischen Briefromans, indem er es modernisiert und "verseltsamt", beobachtet der Autor und verweist auf die geliebte Adressatin der Briefe, die im Gegensatz zu ihren Vorbildern explizit kein Interesse an ihrem Verehrer verkündet und eindeutig einer realen Figur zuzuordnen ist, wenn auch fiktionalisiert. Zudem erzähle Schklowski "formal hoch idiosynkratisch" von seinem Alltag in Berlin und verlängert Episoden "kunstvoll-komisch" durch zahlreiche Abschweifungen, schwärmt der Rezensent. Überrascht, stellt er fest, wie zeitgenössisch so das Panorama der frühen Berliner Zwanzigerjahre wirkt. Sehr reizvoll, meint der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.05.2022

Rezensent Hans von Trotha freut sich über die neue Übersetzung von Viktor Schklowskis "Zoo. Briefe nicht über Liebe, oder Die dritte Heloise". Der russische Schriftsteller verknüpft darin Leben - vor allem seine unglückliche Liebe zur Schriftstellerin Elsa Triolet, erklärt Trotha - und Werk. Olga Radetzkaja hat das ganze dem Rezensenten zufolge genau und stark ins Deutsche übersetzt und mit Sprunghaftigkeit und Unberechenbarkeit eine neue Form und Textvariante geschaffen. Auch die zwei Nachworte von Radetzkaja und Marcel Beyer können Trotha begeistern. Gerade in Zeiten, in denen Russland so sehr zum "Feind alles Menschlichen" geworden ist, empfindet es der Rezensent als wichtig, sich mit solcher ungeschönter, großer russischer Literatur auseinanderzusetzen, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.04.2022

Angeregt liest Rezensentin Katharina Granzin den "experimentellen Briefroman" von Viktor Schklowski, einem Mitbegründer des russischen Formalismus. Darin verpackt der Autor seine Exilerfahrung im Berlin der Jahre 1922/23 in die Texte eines Autors, der Briefe an seine Angebetete schrieb, die ihm jedoch verbot, darin die Liebe zu thematisieren. Kunstvoll verfremdet Schklowski dabei das Genre des Briefromans durch "satirische Einsprengsel", allgemein belehrende Abschnitte und freie Assoziationen, bemerkt die Rezensentin, die darüber die Frage nach der tatsächlichen Adressatin vergisst. Nachdem zahlreiche unterschiedliche Fassungen des Textes veröffentlicht wurden, besinnt sich diese Neuausgabe auf die Urfassung und versammelt zugleich alle anderen Texte, die jemals unter gleichem Titel publiziert wurden, erklärt die Rezensentin und empfiehlt das "lesenswerte" Nachwort der Übersetzerin über die Publikationsgeschichte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.03.2022

Laut Rezensent Andreas Bernard gewinnt Viktor Schklowskis literarisches Mosaik mit Eindrücken aus der russischen Diaspora im Berlin der 1920er Jahre gerade ungeahnte Aktualität. Doch auch ohne diesen Bezug bietet der Band für Bernard Unterhaltung auf hohem Niveau. Weitgehend frei von Handlung und Gattungszwängen, teils als Briefroman, teils in Form literaturtheoretischer Überlegungen schreibt der Autor laut Rezensent über die Erfahrung der Stadt als einheitliche Ödnis, über Elektrotaxis (!) und die Einsamkeit des Exils und folgt damit seinem eigenen formalistischen Ansatz einer "Literatur ohne Sujet" und "Kunst als Verfahren". Die Übersetzung von Olga Radetzkaja findet Bernard "vorzüglich".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de