Wolfgang Koeppen, Siegfried Unseld

'Ich bitte um ein Wort ...'

Der Briefwechsel
Cover: 'Ich bitte um ein Wort ...'
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518417683
Gebunden, 584 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Ein neuer Roman von Wolfgang Koeppen ist anzukündigen - entstanden im Briefgespräch mit Siegfried Unseld. Die Handlung setzt 1957 ein und endet mehr als 500 Briefe später in den neunziger Jahren. Im Mittelpunkt steht die spannende Frage, welche Faktoren die Niederschrift eines Manuskriptes verhindern. Die Protagonisten: ein Verleger, der auch in den aussichtslosesten Situationen der Maxime treu bleibt,"seinem" Autor die Voraussetzungen zur literarischen Produktion zu gewährleisten. Und ein Autor, der wie kein anderer das Schreiben eines neuen Buches durch das Verfertigen von Briefen über die nicht vollendeten, weil von den Umständen verhinderten Romane ersetzt. Die verschiedenen Kapitel des Romans erzählen in überraschenden Wendungen das Epos vom scheiternden Autor: Koeppen kündigt immer wieder den bevorstehenden Abschluß eines Werkes an und nennt sogar ein genaues Datum dafür. Unseld befördert dieses Unterfangen mit seinem ganzen verlegerischen Repertoire. Dann setzt die erste Schreibkrise ein, die unweigerlich im psychischen Zusammenbruch Koeppens und im ökonomischen Desaster mündet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.04.2006

Recht streng beurteilt Lothar Müller den nun vorliegenden Briefwechsel zwischen Wolfgang Koeppen und seinem Verleger Siegfried Unseld. Die Korrespondenz offenbart für Müller eine "große Illusion". Die nämlich, der Autor der Romane "Tauben im Gras" (1951), "Das Treibhaus" (1953) und "Tod in Rom" (1954) werde seinen großen Roman für Unseld endlich fertig stellen. Doch dazu kam es in über 30 Jahren nicht. Müller versteht den Briefwechsel daher als ein Dokument des Scheiterns. Die von Unseld und Koeppen unter der Hand vorgenommene Umwertung des Scheiterns zum Kunstwerk ist für ihn fauler Zauber. Seines Erachtens wird das Scheitern hier nämlich allenfalls als psychologisches Problem reflektiert, nicht aber als ästhetisches und intellektuelles. Täuschung hält er auch dem Klappentext des Bandes vor, der einen "neuen Roman von Wolfgang Koeppen, entstanden im Briefgespräch mit Siegfried Unseld" verspricht. Das Resümee des Rezensenten: ein "furchtbares, quälendes Buch des ewigen Aufschubs".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.04.2006

Roman Bucheli liest diesen Briefwechsel als die vier Jahrzehnte währende Geschichte eines "ergreifenden Scheiterns." Wie hier ein Schriftsteller sein "in lauter Notizen ausfransendes Lebenswerk" hinter ausgesuchten Formulierungen und immer neuen und lang gehaltenen Briefen verbirgt - das sei ebenso erschütternd, wie Unseld als Verleger in äußerster Behutsamkeit auf Konzentration und Sammlung drängt und Koeppen damit kränkt. Im Gegensatz zur Korrespondenz zwischen Unseld und Uwe Johnson gewähre dieser Briefwechsel nicht eben zwingend neue Einsichten in ästhetische Fragen, aber darauf kommt es auch nicht an: Bucheli liest ihn vielmehr als "epistolarisches Gespräch" zwischen zwei ungleichen Freunden, das in seiner "respektvollen Schonungslosigkeit" und "intimen Diskretion" seinesgleichen sucht. Dass im sachkundigen Nachwort mit Unselds Notizen gleichsam die "Rückseite der Briefe" mitgelesen werden könne, erfreut den Rezensenten, bedauerlich sei lediglich, dass mit den Aufzeichnungen Koeppens nicht ebenso verfahren wurde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.03.2006

Der Briefwechsel zwischen dem Verleger Siegfried Unseld und seinem Autor und Freund Wolfgang Koeppen ist die "atemberaubende Verarbeitung einer literarischen Fehlanzeige", meint Harry Nutt. Denn die Korrespondenz dreht sich vor allem um einen angekündigten neuen Roman von Koeppen, der aber in der fast 40 Jahre währenden Bekanntschaft der Briefpartner nicht geschrieben wird, erklärt der Rezensent, der dafür die Alkohol- und Tablettensucht von Koeppens Ehefrau und die sich vertiefenden Depressionen des Autors verantwortlich sieht. Die Briefe geben damit nicht nur "Einblicke" in die mühsamen Versuche Unselds, Koeppen zum Fertigstellen des Romans zu bewegen, sondern sie sind auch Dokument einer "Kommunikation mit psychopathologischen Zügen", meint Nutt. Dabei berührt ihn besonders, dass Unseld trotz der Einblicke, die er in die Schwierigkeiten Koeppens erhält, nie seinen "vorsichtigen" und respektvollen Umgang aufgibt. Die Korrespondenz kann als Zeugnis für ein wichtiges "Kapitel bundesdeutscher Literaturgeschichte" gelten und beleuchtet zudem den Verlegeralltag, meint der Rezensent. Vor allem aber ist der Band selbst ein "bestürzender wie eindrucksvoller Briefroman", resümiert Nutt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.03.2006

Für Gerrit Bartels manifestiert sich im Briefwechsel zwischen Wolfgang Koeppen und seinem Verleger Siegfried Unseld das wohl "berühmteste, wohlgelittenste Scheitern der deutschen Nachkriegsliteratur". Denn der Roman, der von Koeppen immer wieder angekündigt und von Unseld stetig unterstützt und ermuntert wird, entsteht dennoch nicht, so der Rezensent. Erstaunlich findet er, dass der Tod von Koeppens Frau Marion, deren psychische Erkrankung und Alkoholsucht der Autor immer wieder als Gründe für neuen Aufschub für sein Romanprojekt angeführt hatte, in den Briefen mit keinem Wort erwähnt wird. Denn die "furiosesten, bewegendsten, längsten" Briefe des Schriftstellers, die wegen ihres Duktus und ihrer Expressivität auch als die "literarischsten" gelten müssen, drehen sich um die Krankheit seiner Frau und die schwierigen Zustände im Hause Koeppen, die sich daraus ergeben, meint Bartels. Wenigstens bis in die Mitte der 80er Jahre, als die Intensität des Schriftverkehrs nachlässt, stellt diese Korrespondenz ein "einzigartiges Epos" dar. Vor allem demonstriere der Briefwechsel. wie Unseld "Autorenpflege" betrieb und teilt so viele Interna eines großen Verlagshauses mit. Bartels sieht in dem Band auch so etwas wie eine "kleine Suhrkamp-Geschichte".