Link des Tages

Literaturnobelpreise 2018 und 2019

10.10.2019. Die Schwedische Akademie hat gleich zwei Literaturnobelpreise vergeben - und zumindest für eine Überraschung gesorgt: Die Medaillen gehen an die Polin Olga Tokarczuk (2018) und den Österreicher Peter Handke (2019).
Die Schwedische Akademie hat gleich zwei Literaturnobelpreise vergeben - und zumindest für eine Überraschung gesorgt: Die Medaillen gehen an die Polin Olga Tokarczuk (2018) und den Österreicher Peter Handke (2019). Hier die um 13.07 Uhr noch recht nackte Mitteilung auf der Website des Nobel-Komitee.

Tokarzcuk wird ausgezeichnet für ihre "erzählerische Vorstellungskraft, die mit enzyklopädischer Leidenschaft das Überschreiten von Grenzen als Lebensform" darstelle, Handke wird ausgezeichnet "für ein einflussreiches Werk, das mit linguistischem Einfallsreichtum die Randbereiche und die Besonderheit der menschlichen Erfahrung erforscht".

Von Handke zählt die Perlentaucher-Datenbank (wir existieren ja seit immerhin 19 Jahren) glatt 106 Bücher und Hörbücher. Zuletzt erschien ein Band mit Zeichnungen Handkes. Der Suhrkamp-Verlag bringt gerade eine monumentale Werkausgabe heraus. Immer wieder faszinierend, ist es, den jungen Handke in seiner Mischung aus hochfahrender Geste und Schüchternheit zu sehen, hier etwa in einem Film Georg Stefan Trollers:



In den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien nahm Peter Handke eindeutig für die serbische Seite Stellung. Seitdem ist die Literaturkritik damit beschäftigt, den politischen vom literarischen Handke zu trennen und (in der Regel) nur letzteren zu empfehlen. Der Perlentaucher hat die Debatte um Handke im Jahr 2006 in einem Link des Tages zusammengefasst. Der Streit war damals wegen des Heine-Preises für Handke und der Absetzung eines Handke-Stücks in Paris wieder aufgelammt. Sylvie Matton schreib damals in Libération: "Im Herbst 1995 fordert er 'Gerechtigkeit für Serbien': 'Wer sind die Aggressoren?' Die Gegend von Srebrenica, Schauplatz zahlreicher Massaker, scheint ihm 'friedlich und schön'. Irgendwie hat er den Eindruck, dass 'etwas hat geschehen können', aber er weiß nicht, was das sein kann, und lauscht in einem bukolischen Traum den Vögeln und dem Murmeln der Bäche."

Olga Tokarczuk hat den nachgereichten Preis für das Jahr 2018 erhalten. Ihr Romandebüt "Prodroz ludzi ksiegi" (Die Reise der Buchmenschen) erschien 1993 und wurde von der Gesellschaft der polnischen Buchverlage als bestes Prosadebüt der Jahre 1992 und 1993 ausgezeichnet. Ihr bis heute erfolgreichter Roman ist "Prawiek i inne czasy" (Ur und andere Zeiten) aus dem Jahr 1996.

Im New Yorker porträtierte Ruth Franklin Tokarczuk erst kürzlich. Kurz vor den polnischen Wahlen ist es sicher auch interessant, diesen Zeit-Beitrag noch einmal zu lesen, in dem Tokarczuk auch die hasserfüllte Sprache der regierenden PiS und ihrer Anhänger für die Ermordung des polnischen Bürgermeisters Paweł Adamowicz verantwortlich machte. Auf Deutsch sind von Tokarczuk zuletzt das Buch "Die Jakobsbücher" bei Kampa (2019) und im Jahr 2011 der Roman "Der Gesang der Fledermäuse" bei Schöffling und Co. erschienen. Immer wieder haben wir im Perlentaucher auch Romane von Olga Tokarczuk vorgeblättert, hier etwa ihr Buch "Unrast".