Magazinrundschau - Archiv

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Magazinrundschau vom 27.04.2021 - 168 ora

Nachdem die "inrichtung eines Roma-Kulturzentrums in Budapests 8. Bezirk gescheitert ist, überlegt der Maler Norbert Oláh, wie fruchtbar der Begriff "Roma-Kunst" ist: "Meiner Meinung nach kann man im ästhetischen Sinne nicht von Roma-Kunst sprechen, zumindest als Terminus technicus kann er nicht verwendet werden. Trotzdem hat der Begriff eine Bedeutung, obschon er nicht über klare Grenzen verfügt und in manchen Fällen sogar zu Missverständnissen führt. (...) Was soll nun der Künstler tun, um eine Kategorisierung, Vorurteile, kulturelle Segregation zu vermeiden und sich trotzdem nicht verleugnen zu müssen? Was soll er tun, wenn er nicht aus der wahrlich wertvollen Diskussion herausgelassen werden möchte, aber sich auch nicht assimilieren möchte? Diese widersprüchlichen Gefühle und Gedanken verursachen in jedem schaffenden Menschen mit einem minimalen Sinn für Kritik eine furchtbare Beklommenheit. (...) Eine Lösung ist nicht in Sicht."

Magazinrundschau vom 16.02.2021 - 168 ora

Im Interview mit der Wochenzeitschrift 168 óra spricht der renommierte Geiger Sándor Déki Lakatos über die katastrophale Situation der Roma-Musiker in Ungarn aufgrund der anhaltenden Auftrittsverbote während der Pandemie. "Viele von uns mussten die Geige und den Kontrabass in die Ecke stellen. Manche von uns arbeiten als Lieferboten, Taxifahrer oder beim Sicherheitsdienst, was meinem Herzen weh tut. Dies ist ein Beruf, den man nicht in der Schule lernen kann. Ich habe ihn von meinem Vater gelernt, er lernte ihn von seinem Vater, mein Sohn lernt es von mir. Es macht mich sehr traurig, dass die Pandemie, die Schließungen, und die langsame, schrittweise Regenerierung des Tourismus das Ende für diesen Beruf bedeuten kann. Denn für viele Restaurants wird es billiger sein, GEMA-Gebühren für MP3-Playlists als eine drei-vier-fünfköpfige Roma-Band zu bezahlen. (…) Auch wenn die Restaurants und Gästehäuser endlich aufmachen, werden die Roma-Musiker die letzten sein, an die man denken wird. Als ich das letzte Mal bei einem Restaurant anfragte, was wir denn ungefähr erwarten können, hieß es: 'Wir werden uns melden', und wir wissen alle, was das bedeutet."

Magazinrundschau vom 26.01.2021 - 168 ora

Der Sturm auf das Kapitol in Washington sind auch in Ungarn ein Thema, zumal die Staatsmedien und Regierungspresse in Ungarn bis heute die Verantwortung für die Ereignisse den Demokraten und dem Umfeld des neuen Präsidenten Joe Biden zuschreiben. Für den Staatsrechtler und Publizisten Richárd Szentpéteri Nagy mag diese Darstellung im Interesse des ungarischen Ministerpräsidenten liegen, aber nicht im Interesse Ungarns: "Auf die Frage, warum die Regierungspresse ihre Darstellung, die nichts mit der Wahrheit zu tun hat, mantrahaft wiederholt, bleibt eine Antwort übrig: weil der ungarische Machtapparat dies im Einklang stehend mit den Interessen des Ministerpräsidenten betrachtet. (...) Das heißt, das Zielpublikum der öffentlich-rechtlichen Medien ist eine einzige Person."

Magazinrundschau vom 19.01.2021 - 168 ora

Der Schriftsteller János Háy schreibt über die Veränderung des ländlichen Ungarn, aus dem auch er stammt, seit der Wende. "Die Bewohner meines Dorfes haben sich verändert, sie sind ausgetauscht worden. Die Kinder der einstigen Lenker des Dorfes wohnen ausnahmslos in den Städten. Nach der Wende gelangte Grund und Boden zunächst in die Hände von entfremdeten, in den Städten lebenden junger Enkel und Enkelinnen, dann schließlich zu oft in die Hände von profitgierigen Investoren. Vom Grundeigentum profitierten nicht die Dörfer, sondern diese Investoren und das Land verlor nicht nur seine Bräuche, sein Funktionssystem, seine Organisation, sondern auch seine Einkünfte. Arbeit war die Grundlage des gemeinsamen Lebens, des Gemeinschaftslebens, doch diese Arbeiten existierten nicht mehr und anstelle der gemeinschaftlichen Funktionen gelangen keine städtische Bräuche und Beziehungen im bürgerlichen Sinne. Hunderte von Dörfern verkamen und das Entkommen wurde zur Unmöglichkeit, denn die Kultur, die dort gelebt wird, wird vom Bildungssystem nicht honoriert. Die Schule honoriert nur die Kultur der Mittelschicht und vollendet oder konserviert damit die Chancenungleichheit. Entweder kannst du dir diese Kultur aneignen und dann kannst du in der Stadt bleiben, die eine bessere Lebensmöglichkeit verspricht, oder du wirst zurückgeschickt, wo du herkamst, in die Ausweglosigkeit und existentielle Quarantäne. Die Konsequenz ist, dass Mobilität im Lande kaum noch existiert und ein wirtschaftliches Kastensystem etabliert wurde."
Stichwörter: Hay, Janos, Ungarn, Mittelschicht

Magazinrundschau vom 12.01.2021 - 168 ora

Die Schauspielerin und Regisseurin Eszter Csákányi spricht in einem Interview mit József Barát u.a. über die längerfristigen Auswirkungen der Pandemie als Generationserfahrung. "Ich weiß nicht, ob wir besser sein werden, doch ich bin mir sicher, dass sich nichts so fortsetzen lässt, wie früher. Ich gehöre zu einer Gruppe, die auch als Lotse dienen möchte. In diesem hinter uns liegendem Jahr versuchte die normale Mehrheit der Menschen Sachen aufzuarbeiten. Es wird nicht einfach sein, aber wir werden dem, was wir jetzt durchmachen eine Bedeutung geben müssen. Ich bin 67, unsere Generation erlebte im Gegensatz zu unseren Eltern keinen Krieg. Unsere Großeltern erlebten zwei Kriege. Wir und die etwas jüngeren erhielten jetzt eine große Abmahnung. Das ist unser Krieg, den es durchzustehen gilt, und es wäre gut, ihn klug durchzustehen und daraus zu lernen. Es wird schwierig, denn niemand wird diese Zeit ohne Verletzungen durchstehen."

Magazinrundschau vom 05.01.2021 - 168 ora

Die aus Siebenbürgen (heute Rumänien) stammende Lyrikerin Anna T. Szabó (mehr hier und hier) erklärt im Interview mit Éva Veronika Kalapos, warum sie es nie als Last empfunden hat, zu einer Minderheit zu gehören: "Ich gehöre zu einer Minderheit - als Siebenbürgerin und als Frau, so lernte ich aber nicht Repression, sondern Zusammenleben. (…) Um mich herum gab es nicht diese verwundete Erbostheit, Verletzung und Frustration, die ich jetzt spüre, dagegen herrschte in einem guten Sinne bürgerliche Akzeptanz. Dort lernte ich das Zusammenleben der Sprachen, dass nicht deine Sprache die Mitte der Welt ist, sondern dass es sehr viele wunderbare Sprachen gibt und das Ganze ist ein Zauber. (…) Wo ich aufwuchs, dort mussten wir lernen, den anderen zu verstehen. Ich glaube an die menschliche Güte, die Macht jedoch kennt keine Güte und ich bekam in meiner Kindheit die Lektion, nie der Macht und den Machthabern zu trauen."

Magazinrundschau vom 17.11.2020 - 168 ora

Im Interview mit Zsuzsanna Sándor spricht die Dramatikerin, Regisseurin Andrea Pass über die schwierige Situation der freien Künstler, die in der zweiten Welle der Pandemie  ohne staatliche Unterstützung auskommen müssen. "Die Mehrheit der freiberuflichen Schauspieler muss ihr Überleben mit unglaublich viel Arbeit sichern. Um sie bin ich am meisten besorgt. Für sie sind die Einschränkungen eine finanzielle Katastrophe. Die Branche müsste sich schleunigst zusammensetzen und darüber beraten, was getan werden muss und wie wir unsere Interessen gemeinsam vertreten können. Das hätten wir nach der ersten Welle tun müssen. Es ist auch unser Fehler, dass wir uns auf diese jetzige Situation nicht vorbereitet haben. (...) Die Zuschauer sind höchstwahrscheinlich in einer ähnlich schlimmen Situation wie wir, vielleicht haben sie gerade ihre Arbeit verloren. Und warum sollen sie ausgerechnet uns unterstützen, wenn vom Gesundheitswesen bis zur Bildung fast alle auf solche private Unterstützung angewiesen sind? Es wäre die Aufgabe des Staates die freien Künstler in Zeiten der Pandemie zu unterstützen."

Magazinrundschau vom 13.10.2020 - 168 ora

Der Schriftsteller Gábor Németh unterrichtet seit über zehn Jahren an der Budapester Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE), war zuletzt Mitglied des Universitätssenats, bis der Senat aus Protest gegen die angeordneten Umstrukturierungen geschlossen zurücktrat. Die Studenten der Universität halten das Gebäude seit einem Monat besetzt und weisen das neue Kuratorium als illegitim zurück (mehr dazu hier). Németh sieht in den Schritten der Regierung nicht nur eine Umstrukturierung, sondern auch eine langfristige Besetzung der Kulturszene sowie der Forschung und Lehre durch die Regierungspartei in Ungarn. "Das Kuratorium ist frei, die Universität aber nicht. Darüber hinaus wird das Kuratorium auf unbegrenzter Zeit berufen. Wenn einer von ihnen aus irgendeinem Grund ausfallen sollte, wählen die anderen ein neues Mitglied. Alle sind tief in das gegenwärtige 'System der nationalen Kooperation' eingebettet, die Priorität der politischen Loyalität steht außer Frage. Die Regierung betonte mehrmals, dass sie an allen hiesigen Hochschulen und Universitäten genau dieses Modell umsetzen will. Ab Januar 2022 wird der Staat alle Gründungsrechte abgeben und sie an die Kuratorien der Privatstiftungen übertragen. (…) Auch wenn Fidesz dann die Wahlen verlieren sollte, ihre Vertrauten werden auf unbestimmte Zeit in den Kuratorien sitzen. Und so kann das jetzige System weiterhin die gesamte Hochschulbildung, das kulturelle Leben und die Wissenschaftslandschaft unter seiner geistigen Lenkung halten."

Magazinrundschau vom 08.09.2020 - 168 ora

Tamás Somlymosi ist Intendant des Staatsballetts an der Ungarischen Staatsoper und steht immer wieder in der Kritik, weil er die Inszenierungen nicht öfter mit ungarischen Nachwuchstänzern besetzt. Im Interview mit Eszter Herskovits erklärt er, warum das nicht so einfach ist: "Wenn, sagen wir mal, Messi in irgendeiner ungarischen Fußballmannschaft spielen wollte, würden wir uns darüber nicht freuen? Um beim Ballett zu bleiben, wenn der Star des Moskauer Bolschoi bei uns tanzt, ist das schlecht? Wenn ein Tänzer aus einer Schule kommt, die als Hochburg des Balletts gilt, stärkt uns das auch hier (...) Als ich mich beim Staatlichen Ballettinstitut bewarb, wählte man aus tausend Jungen und zweitausend Mädchen jeweils zwölf aus. Wenn heute gleich welche Schule zum Probetanzen aufruft, freut man sich, wenn 50 bis 60 Kinder zusammenkommen. Es ist natürlich nicht sicher, dass alle fünfzig genommen werden und es ist bei weitem nicht sicher, dass all Angenommenen auch dabeibleiben. Aber es ist nicht das gleiche, ob man aus fünfzig oder aus tausend ein Talent aussucht. Es nicht angenehm für mich, in einer Abschlussaufführung zu sitzen, in der es keinen einzigen Jungen als Abschlusskandidaten gab. Wie soll ich da ungarische Jungen anheuern? Und selbst von den angeheuerten Mädchen haben die Hälfte ausländische Wurzeln. Als was zählen sie dann? Ein bisschen ausländisch oder sehr ausländisch? Oder wo ist das Problem?"
Stichwörter: Ungarn

Magazinrundschau vom 01.09.2020 - 168 ora

Im Interview mit Zsuzsanna Sándor spricht der Schriftsteller István Kerékgyártó unter anderem über die Verengung des kulturellen Raumes im gegenwärtigen Ungarn. "Sie ist auch spürbar durch die extrem rechte Verschiebung der Macht und die zunehmende gesellschaftliche Angst. Solche Angst gab es in den Achtzigern nicht mehr. Aber es ist sowieso schwierig, die zwei Äras miteinander zu vergleichen. Ich wurde 1953 geboren und - abgesehen von der Zeit nach 1956, als ich ein Kind war - spürte ich stets, dass ich zunehmend freier wurde. Der politische Druck nahm ab und immer mehr schwappte aus der kulturpolitischen Kategorie des Verbotenen in das Geduldete. In den letzten zehn Jahren jedoch ist der öffentliche Raum wesentlich geschrumpft und die Zentralisierung nahm zu. (...) Über mich wird nur noch in der abnehmenden Oppositionspresse berichtet. Darüber hinaus ist es so, als würde ich nicht existieren."