Wer in Russland schreibt, dass der Zweite Weltkrieg
im Jahr 1939 angefangen hat, riskiert Gefängnis. Allenfalls einige Blogger wagen das noch,
schreibt Nicolas Werth, ein Historiker des stalinistischen Terrors (Mitautor des berühmten "Schwarzbuchs des Kommunismus") in
Esprit, auf Englisch in
Eurozine nachzulesen. Inzwischen wird die historische "
Wahrheit" nach schlimmster Orwell-Manier in Verfassungsartikeln festgeschrieben. Darüber hinaus erließ das Regime "eine ganze Reihe von
Erinnerungsgesetzen. Das bekannteste ist Artikel 354.1 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation, der die 'Leugnung oder Rehabilitierung des Nationalsozialismus' unter Strafe stellt. Auf den ersten Blick ähneln seine Klauseln den in anderen demokratischen Ländern verabschiedeten Gedenkgesetzen, doch in Wirklichkeit ist sein Anwendungsbereich
viel weiter gefasst, da er auch die 'Verbreitung falscher Informationen über die Aktivitäten der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs', die 'Verbreitung
respektloser Informationen über die militärischen Ruhmestaten Russlands' und die '
Verunglimpfung von Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges' unter Strafe stellt." Stalinistische Verbrechen werden nicht unbedingt geleugnet, so Werth, aber entpersonalisiert, etwa durch Gesetze, die Akten unzugänglich machen. Und die Organisation
Memorial, deren monumentale Arbeit Werth in seinem Artikel würdigt, ist verboten.