Magazinrundschau - Archiv

The Marshall Project

1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 05.05.2015 - The Marshall Project

David Simon hat nicht nur die großartige, in Baltimore spielende HBO-Serie "The Wire" geschrieben, sondern war zuvor auch viele Jahre als Polizeireporter vor Ort tätig. Schon deshalb ist er im Angesicht der Aufstände, die Baltimore nach dem gewaltsamen Tod von Freddie Gray heimgesucht haben, ein idealer Auskunftgeber. Bill Keller hat sich in aller Ausführlichkeit mit dem Autor unterhalten. Warum die Polizei trotz sinkender Verbrechenszahlen vor Ort zwar brutaler, dabei aber auch insbesondere hinsichtlich der Aufklärung schwerwiegender Verbrechen deutlich ineffizienter geworden ist, erklärt er damit, dass die Brennpunkte gewissermaßen zum Besatzungsgebiet erklärt wurden - an dem sich die Polizisten bereichern: "Es gibt keinen Anreiz, als Ermitler, als Polizist besser zu werden. Es gibt keinen Grund, Verbrechen zu lösen... Wenn Du Überstunden dafür zahlen willst, dass die Polizei die Gefängnisse mit Leuten füllt, die herumlungern oder bloß Drogen besitzen, ohne sie rechtzeitig weggeschmissen zu haben, wenn Du also dafür Gemeindegeld ausgeben willst, dann wird der Polizist pro Monat sieben bis acht Gerichtstermine haben - und Gerichtstermine sind immer Überstunden - und damit sein Gehalt nahezu verdoppeln. Der Polizist aber, der andererseits tatsächlich seinen Posten bezieht und ermittelt, wer dort die Häuser ausräumt, hat am Ende des Monats vielleicht nur eine Festnahme vorzuweisen. Es mag eine berechtigte Festnahme sein, die die Ecke sicherer macht, aber er geht nur an einem Tag zum Gericht und ist nach zwei Stunden fertig. Man schafft es also nicht, den Polizisten, der tatsächlich Polizeiarbeit leistet, zu belohnen. Noch schlimmer, bei der nächsten Beförderungsrunde schaut man in den Computer und sagt: Wer reißt hier am meisten? Und dann sagt man, hey, der eine hat 80 Leute hinter Gitter gebracht und der andere nur einen. Was denken Sie wohl, wer von den beiden Sergeant wird?"