Zu
Milan Kundera, einem ihrer größten Autoren, haben die Tschechen ein gespaltenes Verhältnis - was auch daran liegen mag, dass seine neueren, auf Französisch geschriebenen Werke nicht auf Tschechisch vorliegen. Erstmals ist gerade Kunderas Roman
'Das Leben ist anderswo' von 1973 erschienen, weshalb
Reflex dem Autor ihre aktuelle Ausgabe widmet. Unter anderem
schreibt darin Kateřina Kadlecová: "Viele stören sich daran, dass Kundera die Übersetzungen seiner Werke ins Tschechische blockiert … Aber warum nehmen wir das nicht als Anreiz, sie in einer anderen Sprache zu lesen? ... Andere können ihm nicht verzeihen, dass er
seine Heimat verleugnet, dass er nur selten und inkognito hierher reist. Wieder andere haben nicht vergessen, dass Milan Kundera einst
Mitglied der KSČ war und sein Frühwerk - von dem er sich übrigens distanziert hat - ein Paradebeispiel stalinistischer Poesie ist." Und die meisten erinnern sich an die Affäre, welche der Historiker
Adam Hradilek 2008 in der Zeitschrift
Respekt ins Rollen brachte, als er Kundera die Denunziation eines Antikommunisten 1950 vorwarf (
unser Resümee). "Wer sich auf dem Hintergrund dieser Affäre Kunderas Werk durchliest", schreibt Kadlecová, "stößt immer wieder auf Analogien dazu. Liest man in den Schlusspassagen von 'Das Leben ist anderswo' den Satz 'Ihr Sohn hat ihren Bruder angezeigt. Jetzt sind sie beide verhaftet' (und mit 'Ihr Sohn' ist die Hauptfigur gemeint, der Propgandadichter und schließlich Spitzel Jaromil) und trifft man im 'Buch vom Lachen und Vergessen' den Intellektuellen Mirek, den der Geheimdienst beobachtet und schließlich verhaftet, kommt man nicht umhin, am Ende womöglich zu glauben, dass an diesen Gerüchten doch
ein bisschen mehr dran ist."