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1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 23.11.2021 - Undark

Die Afghanen leiden nicht nur unter den Taliban, sondern auch unter immer längeren und heißeren Hitzeperioden, die Bauern von ihrem Land und in eine noch größere Armut vertreiben. Das hat Folgen, wie Ruchi Kumar am Beispiel der von ihrem Mann getrennt lebenden Rabia und ihren Töchtern erzählt: "Sie verließen ihre Heimat auf der Suche nach Nahrung, Arbeit und Sicherheit - und doch stehen sie vor schwierigen Entscheidungen. Im Februar dieses Jahres wurde Rabias älteste Tochter, die 11-jährige Shukria, mit einem Mann verlobt, der fast doppelt so alt ist wie sie. Im Gegenzug erhielt sie Mehl, Reis und Bargeld, um ihre Familie in den kommenden Jahren zu ernähren. 'Ich weiß, dass meine Tochter noch ein Kind ist, und es war zu früh für sie, zu heiraten', erklärte Rabia. Aber ohne die Möglichkeit, für Shukria und ihre Schwester zu sorgen, sagte Rabia, dass sie keine andere Wahl hatte. 'Entweder sie heiratet oder wir werden beerdigt.' Shukria, dünn und wortkarg, protestierte nicht gegen die Entscheidung. Zum Zeitpunkt des Interviews im August besuchte sie eine Madrassa in ihrer Gemeinde, um den Koran zu studieren. Zu Hause lernte sie kochen und nähen, sagte sie, 'damit ich eine gute Ehefrau sein kann'. Kinderheirat ist in Südasien kein neues Phänomen, und trotz aller Versuche, sie gesetzlich zu unterbinden, ist sie in Afghanistan nach wie vor weit verbreitet. Berichte deuten auf einen Anstieg solcher Ehen hin, befeuert durch die Gewalt, die der Machtübernahme der Taliban vorausging, und durch die Auswirkungen des Klimawandels auf dieses Agrarland. Im letzten halben Jahrhundert sind die Temperaturen hier fast doppelt so stark gestiegen wie weltweit, was die Verdunstung beschleunigt und zu längeren Dürreperioden führt. Experten zufolge hat dies zu einem Rückgang der Ernteerträge geführt und viele Afghanen in die Armut gestürzt, da sie nicht mehr in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt auf dem Land zu verdienen. Da es nur wenige Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, wenden sich einige Familien einem traditionellen Hochzeitsbrauch zu, der als toyana bekannt ist und bei dem der Familie des Mädchens Geld geschenkt wird. Da diesen Familien nur wenig Zeit bleibt, ist die beste verfügbare Option eine herzzerreißende: Sie verheiraten ihre Töchter, solange sie noch jung sind."