Artikel
Suchwort: "Sehen"
Rubrik: Vom Nachttisch geräumt, Stichwort: Mozart, Wolfgang Amadeus - 8 Artikel
Vom Nachttisch geräumt 01.11.2006 […] lange Busfahrt mit Linie 285 tief in die banlieue hinein. Marokkanische Restaurants, über den Eingängen gemalte Oasen und Palmen, sehr viel fröhlicher als alles andere, das man in dieser Umgebung zu sehen bekommt. Cimetiere de Thiais, dort muss Celan liegen und auch Joseph Roth, zwei Exilierte am Ende ihrer Reise. Die weiten, betonfarbenen Tore warten abweisend auf der anderen Seite des Boulevards. Wir […] verkündet, man dürfe hier auf keinen Fall fotografieren. Kurz darauf schickt sie zwei Rad fahrende Herren auf den Friedhof, ein seltsames Duo, das wir immer wieder hinter den Grabsteinen vorbeiziehen sehen, zwei auf uns angesetzte Spione."
Andere Gräber - wie die von Kawabata, von Robert Louis Stevenson oder von Bioy Casares - sind prächtige Anlagen, die nur auf Fotografen zu warten scheinen. Wenn ich […] gegeben. Diese waren etwas Neues. Sie waren ideologisch motivierte Mordtaten, eingebettet in ein Weltverbesserungsprogramm. Die historische Forschung war lange geneigt, darin ein entlastendes Argument zu sehen. Wir wissen heute nur zu genau, dass die Verbindung von Raub- und Mordlust mit der Vorstellung, sie dienten der Beglückung der Menschheit, weit entfernt davon, sie zu humanisieren, ihre Wucht vielmehr […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 25.10.2006 […] dem Käfig holt, dann konnte der antikolonialistische Betrachter der Jahres 1880 darin mit Leichtigkeit eine Anklage gegen die bedrückende, die ganze Nation gefangen haltende Kolonialmacht sehen. Pinney lehrt uns sehen. Man begreift, dass die Abbildung eines indischen Chiefministers aus einem der noch nicht der englischen Krone unterworfenen Staaten für die bereits Kolonisierten ein Zeichen der Hoffnung […] möglich davon beizubringen. Man muss, um eine realistische Ansicht über diesen Commercium zu haben, freilich noch den Satz lesen, der den zitierten unmittelbar folgt: "Doch ich mahne Sie, darauf zu sehen, dass unsere Leute nicht gänzlich ihre Überlegenheit einbüßen durch die Verbreitung unserer Wissenschaft."
Man wird davon ausgehen müssen, dass die chinesische Seite ähnliche Befürchtungen hegte. […]
Nazarener in Indien
Wer einmal in Indien oder auch nur in einem Indienshop in Deutschland war, der kennt die die Götter zeigenden knallbunten Farbdrucke. Sie sind in Indien in jedem Haus zu sehen. Der ganze hinduistische Götterhimmel ist zu haben, Buddhas in allen Varianten, die Heiligen der Sikhs und natürlich die Größen der indischen Politik. Aber auch Szenen aus Bollywood-Filmen, radikal […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 31.08.2004 […] abspielen, dass man nicht die Zeit hat, sie zu sehen. Das ist mir aufgegangen, als ich mich an der Herstellung eines Films beteiligte. Beim Schnitt wird manchmal das Bild auf dem Schneidetisch angehalten (im berühmten freeze frame), da fand ich das angehaltene Bild jedesmal viel interessanter als den Film, der gerade lief, denn der Film ließ mir nicht die Zeit zu sehen; doch wenn er stillstand, offenbarten […] Berlin-Dahlem gewidmet. Der Titel lautet "Schwarze Götter im Exil". Zur Ausstellung ist ein prächtiger Katalog erschienen, der auch denen empfohlen sei, die die Gelegenheit nutzen, die Ausstellung zu sehen. Neben den 382 Schwarz-Weiß-Aufnahmen bringt der Band Texte von und über Verger und die von ihm fotografierten und beschriebenen Kulte.
In einem ausführlichen Interview aus dem Jahre 1991 schildert […] sich lebens- und bedeutungsvolle Gesten, die von der Bewegung überdeckt worden waren, da sie mir keine Zeit ließ, sie zu sehen. In der Wirklichkeit ist es genauso, man hat nicht genügend Zeit, es läuft zu schnell ab. Was du siehst, wird drei Sekunden später durch einen anderen Eindruck ersetzt, der den ersten überdeckt. Die Fotografie hat den großen Vorteil, den Ablauf aufzuhalten... und einem etwas […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 30.06.2004 […] faulste Leser sollte sich die Zeit nehmen und Hockneys Winken folgen. Hockney demonstriert mehr als er argumentiert. Er zeigt uns, was er sieht, und wir tun gut daran, noch einmal auf die Bilder zu sehen und genau anzuschauen, worauf er uns hinweist. Wer das zwei Stunden lang macht, der hat einen völlig neuen Blick auf alle Malerei. Mit diesem neuen Blick geht er nicht nur anders durch die Museen, sondern […] denken, sei ihr antisozialistisches-sozialistisches Erbe. Aber sie, die sich schon immer genau, ja argwöhnisch beobachtet hat, weiß es besser: "Diese Sehnsucht, sich zu verdoppeln, sich ausgedrückt zu sehen, mehrere Leben in dieses eine zu schachteln, auf mehreren Plätzen der Welt gleichzeitig sein zu können - das ist, glaube ich, einer der mächtigsten und am wenigsten beachteten Antriebe zum Schreiben […] drauf und dran ist, das Buch bei Seite zu legen. Aber man tut es doch nicht. Das immer Gleiche, immer wieder neu gespielt, hat seinen nicht erst von der minimal music entdeckten Reiz. Xu Xings Streuner sehen auf Deutschland mit dem gleichen wachen, dennoch desinteressierten Blick, mit dem sie China und Tibet betrachtet haben. Sie dabei zu beobachten, ist sehr unterhaltsam.
Xu Xing: "Und alles, was bleibt […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 11.12.2003 […] ist. Man könnte leicht sagen, es sei alles noch schlimmer geworden. Wir wissen inzwischen: Nichts schadet dem Erfolg einer literarischen Zeitschrift so sehr wie ihre literarische Qualität. Jedenfalls sehen das die Damen und Herren in den die Zeitschriften verlegenden Verlagen so. In vielen Fällen vertritt der Chefredakteur den gleichen Standpunkt. Er ist dazu da, die Interessen des Verlages in der und […] Leuten überlassen, die davon etwas verstehen. Mit anderen Worten Menschen, die es verstehen, den Verleger zu nehmen und Geld oder gar Anzeigen für die Zeitschrift zu besorgen.
Es ist rührend zu sehen, wie Simmons sich bemüht, die Inkompetenz von Chefredaktion und Verlag deutlich zu machen, wie viel Witz und Einbildungskraft er dafür mobilisiert. Dabei ist das jedem, der das Berufsleben kennt, nach […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 10.07.2002 […] Banales
Die Gerhard-Richter-Ausstellung, die bis zum 21. Mai im Museum of Modern Art in New York zu sehen war, ist jetzt im Art Institute of Chicago zu besichtigen. Zeit, einen Blick in den Katalog zu werfen. In der Ausstellung siegen die Großformate. Im imaginären Museum können die kleineren Arbeiten größte Aufmerksamkeit erregen.
Da ist zum Beispiel "Onkel Rudi" (Seite 121 im Katalog) aus […] aus dem Jahre 1965. Eines der Bilder von Richter, die aussehen wie eine verwischte Schwarz-Weiß-Fotografie. Ein Mann in Wehrmachtsuniform vor einem Zaun, hinter dem eine Neubausiedlung zu sehen ist. Er lächelt. Es ist das Gemälde über ein Foto wie es in Millionen Familienalben steckt. Der Großvater als Soldat. Nichts Erschreckendes ist darin. Der Mann, der Neubau, der Zaun, der Baum - alles ohne Harm […] tritt die soziale Zuordnung zurück, und wir sind in den Gesichtern selbst. Günter Pfannmüller lenkt so den Blick auf die Einzelnen und auf unsere Wahrnehmung. Er macht uns klar, wie sehr wir, was wir sehen, zunächst sozial rubrizieren, wie sehr unsere Wahrnehmung in erster Linie danach organisiert ist, alles möglichst schnell in Schubladen ablegen zu können. Pfannmüller lehrt uns die Kunst des zweiten […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 08.01.2002 […] erste Jahr - Berliner Aufzeichnungen" bietet einen Blick in die Werkstatt. Wir sehen ihm zu, wie er sich Gedanken macht, wie er auf Nachrichten und Ansichten reagiert, wie auf die Geburt seiner Tochter. Wir sehen, wie er Ereignissen Bedeutung verleiht, wie er sie hochputzt. Wir sehen nicht, wie er Gedichte macht. Wir sehen nicht, wie die Lieferungen der Außenwelt umgeschmolzen werden in dem Hochofen […] macht klar, wie aussichtslos die Lage ist. Niemand interessiert sich für Sachalin. Natürlich - ist man versucht zu sagen - nicht in Moskau, aber auch nicht die Bewohner Sachalins. Sie wandern aus. Sie sehen keine Chance in ihrer Heimat und suchen sie anderswo. Dalos konstatiert: Auf den neueren Landkarten steht immer häufiger unter dem Namen einer Siedlung, der Vermerk "njeschil". Das kommt von "njeschiloj" […] endgültig in jenen brodelnden Kosmos ein, der aus nichts als Quanten, Atomen und Molekülen besteht."
Der Dichter ist wütend. Er wettert gegen Zahlen und Figuren. Er möchte die Qualitäten gerettet sehen gegen die Herrschaft des Quantitativen. Aber wie oft ist nicht schon der Ethik endgültig der Garaus gemacht worden? Glaubt er wirklich, diesmal nun sei endgültig endgültig? Die Frage nach dem Wesen […] Von
Arno Widmann