Post aus Neapel

Hauptarbeitgeber Camorra

Von Gabriella Vitiello
02.02.2005. In Neapel ist ein Krieg zwischen verschiedenen Clans der Camorra ausgebrochen. 134 Menschen wurden 2004 ihr Opfer. "Hier stirbt man wegen eines Kaffees, den man mit der falschen Person trinkt", sagte ein Junge aus den Vororten.
"Dieser Ort ist ein Zeichen dafür, dass sich etwas ändert." Die beiden ehrenamtlichen Hausmeister Gennaro und Franco stehen in der Wohnung des ehemaligen Camorra-Bosses Luigino Giuliano. Vor wenigen Jahren noch residierte Giuliano mit seiner Familie auf 150 Quadratmetern im obersten Stockwerk eines Palazzos im Stadtteil La Forcella und herrschte über das Viertel sowie Teile der neapolitanischen Altstadt. Sein derzeitiges Domizil ist bescheidener: Er sitzt im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat seine Wohnung beschlagnahmt, die Erben enteignet und den Besitz der Öffentlichkeit übergeben. Die geschmacklose Einrichtung ist nur noch in Spuren sichtbar. Die Zimmer mit Bädern in Gold, Rosa und Schwarz und die riesige Dachterrasse stehen jetzt den Kindern und Jugendlichen des Viertels zur Verfügung. Die anrüchige Badewanne, zu der drei glitzernde Stufen hochführen, wollen Gennaro und Franco, die bei der Renovierung der Wohnung die Bedürfnisse der neuen Nutzer berücksichtigen, noch abdecken. "Das ist nichts für die Augen kleiner Kinder." Aber ein Schlagzeug zum Üben können sie sich auf dem Luxus-Sockel der Wanne gut vorstellen.

La Forcella ist ein Viertel mit hoher Camorra-Dichte. Im Frühjahr starb die 14-jährige Annalisa Durante, von einem Camorrista bei einer Schießerei als Schutzschild missbraucht, vor dem Haus ihrer Eltern (mehr hier). Seitdem trägt die Schule des Viertels ihren Namen. Große Teile der Bevölkerung begrüßten damals die Polizei, die die verantwortlichen Camorristi verhaftete, mit Applaus und setzten der Herrschaft der Clans Widerstand entgegen. Doch die Hoffnung auf Veränderung wurde Anfang Januar erschüttert, als sich der Camorra-Krieg von den nördlichen Vororten plötzlich bis nach La Forcella ausweitete. Der 28-jährige Jung-Boss Eduardo Bove, der im Viertel den Drogenhandel und die Erpressung von Schutzgeldern kontrollierte, wurde in seiner Wohnung in La Forcella erschossen (mehr in La Repubblica). Zwar sind die Mörder mittlerweile gefasst, doch die Polizei befürchtet nun auch in der Innenstadt einen Krieg zwischen den rivalisierenden Clans - insgesamt sind es 21 in Neapel und Umgebung. Die verschiedenen Bossen könnten dabei sein, ihre Allianzen neu zu formieren, vermutet die Antimafia-Staatsanwaltschaft von Neapel, nicht zuletzt um den übermächtigen Boss Paolo Di Lauro und seinen Clan langfristig zu schwächen.

Drogensupermarkt

Der erbarmungslose Kampf um die Kontrolle des Drogenhandels wütete bislang vorwiegend in der nördlichen Peripherie der Stadt. Zentrum der Auseinandersetzung sind die Vororte Secondigliano und Scampia. Bis zum vergangenen Herbst war Di Paolo dort der unangefochtener Herrscher, obwohl der 51-Jährige seit Jahren untergetaucht ist. Die Geschäfte vor Ort übernehmen Gefolgsleute - allen voran Di Lauros Sohn Cosimo. Allein mit Drogen kassiert der Clan täglich eine halbe Million Euro, weitere Einnahmen kommen aus den Bereichen Schutzgelderpressung, Prostitution, Bauwesen, Musik- und Markenpiraterie.

Das war einigen der Verbündeten zu viel. Sie spalteten sich ab und schlossen sich in dem neuen Bandenkartell der so genannten "Secessionisti" gegen Di Lauro zusammen, um ihrerseits mit mehr Autonomie und Gewinn auf dem Drogenmarkt mitzumischen. Ihre Unabhängigkeitsbestrebungen lässt Di Lauro mit Morden rächen. Die Camorra-Fehde kostete seit ihrem Beginn Ende Oktober 46 Menschen das Leben. Insgesamt brachte das organisierte Verbrechen in Neapel im vergangenen Jahr 134 und in diesem Jahr schon mehr als zehn Menschen um. Einige der Opfer waren selbst keine Camorristi, sondern unschuldige Angehörige, Freunde der Kriminellen oder gänzlich Unbeteiligte. "Hier stirbt man wegen eines Kaffees, den man mit der falschen Person trinkt", sagte ein Junge aus den Vororten.

Scampia ist der "supermercato della droga" - der Drogensupermarkt der Region. An zwanzig verschiedenen Verkaufsposten sind Heroin, Kokain, synthetisches Cobret und Haschisch im Angebot. Die Kundschaft kommt aus Neapel und Umgebung und gehört allen erdenklichen Alterklassen und sozialen Schichten an. Rund um die Uhr wird für sie raffiniert und portioniert, verpackt, verteilt, versteckt und verkauft. In dem Viertel mit 75.000 Einwohnern ist die Drogenindustrie der Hauptarbeitgeber. Familien ohne Einkommen stellen aus finanzieller Not ihre Wohnungen als Drogenverstecke zur Verfügung. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt in Scampia mehr als fünfzig Prozent, zugleich machen die 15- bis 24-Jährigen dort ein Viertel der Bevölkerung aus. Urbane Infrastrukturen sind Mangelware, es fehlen Theater, Kinos und Sporteinrichtungen.

Da wundert es kaum, dass viele Jugendliche sich für die Dealerlaufbahn entscheiden. Diese bringt einen Verdienst von etwa fünfzig Euro pro Tag ein. Circa 500 Euro im Monat bekommen diejenigen, die als Wachposten Schmiere stehen und vor der Polizei warnen. Das ist soviel wie ein Capozona - ein Zonenchef - wiederum täglich erhält, und schon für 1000 Euro pro Monat findet die Camorra Freiwillige, die bereit sind zu töten (mehr zu den Gehältern hier und hier). Das Drogenmonopol und die Investition des daraus resultierenden Gewinns in Geldwäsche-Unternehmen haben den Boss Paolo Di Lauro zum Millionär gemacht, was ihm den Beinamen Ciruzzo o'Milionario einbrachte, was aber auch ein ganzes Viertel in eine Geisel des Heroins verwandelte.

Die Kriege der Camorra treten in zyklischen Abständen auf, genauso wie das Sprechen darüber. Die Stadt macht Schlagzeilen. Seit drei Monaten verfolgen die Medien den "Notstand Camorra" oder den "Fall Neapel". Die Camorra dringt meist nur ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der staatlichen Einrichtungen, wenn eine Fehde in Gang ist. Klingt diese ab, interessiert sich kaum noch jemand für das Thema, und während Kurzschluss-Erklärungen und Verallgemeinerungen Konjunktur haben, bleiben dringend benötigte Langzeitanalysen aus. So fragen sich in der Tat viele Menschen in Neapel, was Stadt, Region und Staat in den vergangenen Jahren gegen die Camorra unternommen haben, während Paolo Di Lauro seine Geschäfte immer weiter vorantrieb. Er hat ausgezeichnete Kontakte zur albanischen Mafia, von der er Cannabis bezieht und mit der gemeinsam er florierende Geschäftsverbindungen zu den kolumbianischen Drogenkartellen unterhält. Der Clan Di Lauro und seine Verbündeten kontrollieren den Drogenverkehr in Europa und arbeiten mit der sizilianischen Mafia, der Cosa Nostra zusammen. Das Schwarzgeld wird in Unternehmen jeder Art investiert und auch im Ausland gewaschen - in den USA, in China, Frankreich und in Deutschland.

Tendenz zur Illegalität

Während Polizei und Staatsanwaltschaft damit beschäftigt sind, die komplizierte Dynamik des Camorra-Kriegs zu durchschauen und zu bremsen, geben einige Intellektuelle Auskunft über die Ursachen und Hintergründen für die vermeintlich unerwartete Gewaltexplosion der Camorra.

Die Sozialhistorikerin Gabriella Gribaudi erzählt im Interview von den nahezu unlösbaren Schwierigkeiten, denen Neapel teils seit mehr als 160 Jahren ausgesetzt ist. Bis zur Einigung Italiens 1861 war Neapel die Hauptstadt des süditalienischen Königsreichs, so groß wie London oder Paris und mit den Aufgaben einer riesigen Metropole ausgestattet. Die Degradierung zur Provinzstadt hat Neapel bis heute weder verkraftet noch das damit einhergehende Problem der Überbevölkerung lösen können." Daraus resultiert eine weitere gravierende Schwierigkeit. Die Stadtverwaltung funktioniert seit Jahrzehnten nicht richtig, weil sie in der Vergangenheit vorwiegend das Ziel verfolgte, den Mangel an Arbeitsplätzen in Neapel zu bekämpfen, indem sie Stellen schuf, die nicht gebraucht wurden. Als in den neunziger Jahren der Ex-Kommunist Antonio Bassolino (mehr) Bürgermeister wurde, sah er es als Herausforderung an, die Stadt von ihrem nutzlosen bürokratischen Überbau zu befreien. "Heute müssen wir eingestehen, dass er diese Wette zumindest teilweise leider verloren hat", sagt Gribaudi nüchtern. Besonders unter der jetzigen Bürgermeisterin Rosa Russo Jervolino ist die Stadtverwaltung ihren Aufgaben nicht gewachsen: "Das nehmen alle in Neapel als Versagen wahr, und das Klima verändert sich zum Negativen". Wenn eine Stadt schwächelt und die Institutionen nicht funktionieren, bietet sie der Camorra automatisch eine größere Angriffsfläche.

Zudem war monatelang die Staatsanwaltschaft von Neapel lahm gelegt, weil es einen Dauerzwist zwischen dem Oberstaatsanwalt Agostino Cordova und den Staatsanwälten gegeben hatte, die seinen Rücktritt forderten. Der Justizminister der Regierung Berlusconi, Roberto Castelli, tat indes wenig, um den Konflikt zu lösen und endlich einen neuen Staatsanwalt einzusetzen. Kostbare Zeit im Kampf gegen die Camorra wurde mit institutionellen Streitigkeiten vergeudet - als lege es die Regierung Berlusconi bewusst darauf an, den Kampf gegen das organisierte Verbrechen auszubremsen.

"Man kann nicht allein der Stadt die Schuld am Problem 'Camorra' geben. Dafür ist die Lage viel zu komplex", meint Gribaudi. Besonders verwerflich findet die Historikerin den Ausverkauf der Ressourcen Neapels in den vergangenen Jahren, der teilweise noch auf frühere Mitte-Links-Regierungen zurückgeht. Bedeutende Lebensmittelkonzerne wurden zu Spottpreisen verkauft oder in den Bankrott getrieben, und die Politik verwehrte dem einzigen großen, unabhängigen Bankinstitut Süditaliens die Rettung. "Zahllose bankrotte Banken wurden saniert, der Banco di Napoli nicht. Das muss einmal gesagt werden! Es heißt immer, Süditalien müsse auf eigenen Beinen stehen. Das geht aber so nicht! Man kann Eigentum, Ressourcen und gut ausgebildete Arbeitskräfte nicht einfach wegnehmen und dann sagen, 'ihr müsst alleine klar kommen'!"

Problematisch hingegen bleibe - so Gribaudi - die der Stadt eigene "Tendenz zur Illegalität". Neapel braucht zum Beispiel dringend Sanktionen gegen Schwarzarbeit. Sogar Geschäftsleute, Händler, Anwälte, Zahnärzte, Gastwirte und andere Berufszweige zahlen ihren Angestellten Mini-Gehälter ohne Arbeitsvertrag und Sozialabgaben und profitieren schamlos vom bedrückenden Klima der Illegalität und der allgemeinen wirtschaftlichen Krise.

Schnelles Geld

Großzügiger als manch schmaler Monatsverdienst von 200 bis 300 Euro sind die Gehälter der Camorra. Deswegen laufen ihr Jugendliche auch so leichtsinnig in die Arme. Die Antimafia-Staatsanwaltschaft Neapel hat herausgefunden, dass der Boss Di Lauro schnell auf ein großes Kapital zugreifen kann, das komplizenhafte Bankangestellten in verschiedenen städtischen Banken deponiert und dort auf unzählige Konten verteilt haben. Dieser schnelle Zugriff auf hohe Bargeldbeträge ermöglichte es Di Lauro im Vergleich zu anderen Clans, die ständig Probleme mit Gehaltszahlungen haben, die Zahl seiner Mitarbeiter um ein Vielfaches zu erhöhen.

Gegen das illegal und schnell verdiente Geld, das für Jugendliche so lukrativ ist, kämpft seit Jahren der Straßenlehrer Marco Rossi Doria mit seinem Team von etwa zwanzig weiteren Lehrern. In den sozialen Randgebieten ohne Arbeit und ohne die Präsenz der Institutionen versucht Rossi Doria, Schulabbrecher mit sehr individuellen Mitteln wieder zum Lernen zu bewegen, damit sie einen Abschluss schaffen und eine Lehrstelle finden. "Der Staat geht davon aus, dass die Jugendlichen zur Schule gehen müssen und dort achtzig Prozent der Zeit damit verbringen, Theorie zu lernen. Aber das wollen viele Jugendlichen gar nicht. Sie suchen irgendwas, womit sie 500 Euro im Monat verdienen können. Dafür sind sie bereit, fünf Stunden pro Tag zu arbeiten und maximal zwei etwas Neues zu lernen. Das muss der Staat endlich einsehen, aber mit seinem Schulangebot geht er auf diese Bedürfnisse nicht ein."

Deshalb fordert Rossi-Doria einen kritischeren Umgang mit mentalen Schranken und starren Schemata, die seiner Meinung nach in der Sackgasse enden. Das fängt bei banalen Dingen wie dem alltäglichen Umgang mit den Jugendlichen an. "Wenn Pasquale, Antonio und Francesco gereizt sind, und ich mit ihnen in die Bar gehen muss, um sie zu beruhigen, dann möchte ich auch die 17 Euro, die ich für die Getränke ausgebe, als solche abrechnen können und nicht für irgend einen pseudo-bürokratischen Grund. Wir benötigen nicht nur dreißig Prozent mehr Geld für unsere Arbeit, sondern auch das Zugeständnis, damit vertrauensvoll und flexibel umgehen zu können."

"Haut ab!"

Flexibilität benötigt auch die Polizei im direkten Kampf gegen die Clans der Camorra, da deren Aufbau sich in den vergangenen zwanzig Jahren radikal verändert hat. Es gibt keine starren Hierarchien mehr, sondern nur unzählige Banden, die selbst die Bosse oft nicht mehr kontrollieren können. Rossi Doria formuliert es so: "Es gibt keinen Plan! Die Jungs wachen morgens auf und ein paar Komponenten bestimmten ihren Tagesablauf: die Menge der Drogen in ihrem Körper, die Menge an Müdigkeit und Angst in ihnen, die Summe Geld, die sie an Mittelsmänner oder Clanmitglieder zahlen müssen, welche Waffen ihnen zur Verfügung stehen und wie die Kontrolle seitens Polizei und Militär an jenem Tag in ihrem Territorium aussieht. Das Zusammenspiel dieser Faktoren führt zu ihrer Reaktion." Gegen diese Guerilla-Taktik kann die Polizei nur Ergebnisse erzielen, wenn sie sich darauf einstellt und selbst möglichst beweglich kämpft.

Dennoch sind Erfolge seitens der Staatsmacht beinahe leichter zu erzielen, als jene auf sozio-kultureller Ebene. Vor wenigen Tagen spürte die Polizei den Sohn und Statthalter vom Boss Di Lauro, Cosimo Di Lauro, auf und nahm ihn fest (mehr). Der 26-Jährige gilt als Drahtzieher im gegenseitigen Abschlachten der Clans. Ordnungskräfte und Antimafia-Staatsanwaltschaft hoffen jetzt auf einen baldigen Stopp der Fehde. In dem Viertel, das den Spitznamen Terzo Mondo - Dritte Welt trägt, rebellierten jedoch während seiner Verhaftung Hunderte von Einwohnern. Vorwiegend Frauen gingen auf die Straße und versuchten, Polizei und Carabinieri zu vertreiben: "Haut ab!" Nicht der Anti-Staat Camorra gilt als Eindringling und Unterdrücker, sondern der demokratische Staat. Ist dieser abwesend, schlägt die Camorra auch als Lebensform umso leichter Wurzeln.

Der Straßenlehrer Rossi Doria ist praktischer Empiriker: "Eine Stadt zu verbessern, kann man nicht am Reißbrett planen!" Deshalb fordert er im Kampf gegen die Camorra ein ganzes Heer von Sozialarbeitern - ein ziviles Heer, das zwischen den Bürgern und der Polizei vermittelt und besonders Kindern und Jugendlichen Alternativen zum Modell "Camorra" aufzeigt, um den Einfluss der Clans auf Denkweise und Lebensform zu stoppen. "Dann können wir den Krieg gewinnen!"

Mandelblüten und Tempel

Dass diese Art der Jugendarbeit die Macht der Clans bedrohen kann, zeigt der neue Kinofilm von Roberto Faenza. "Alla luce del sole" ("Im Licht der Sonne") erzählt die Geschichte des Priesters Pino Puglisi. In einem der ärmsten Viertel von Palermo vermittelte Don Puglisi den sich selbst überlassenen Kindern eine andere Kultur als die kriminelle der Mafia. Weil er versuchte, der Cosa Nostra den Nachwuchs zu entziehen, wurde an einem sonnigen Tag im September 1993 erschossen. Don Puglisi musste sterben, doch seine Ideale leben weiter, erklärte der Regisseur in einem Artikel in La Repubblica (leider nicht online).

Wenige Tage vor dem Kinostart von "Alla luce del sole" strahlte die Sendung Report im dritten Programm der staatlichen RAI eine lange Hintergrund-Reportage über die Verflechtungen zwischen Cosa Nostra und der Wirtschaft im heutigen Sizilien aus (hier der Text, hier das Video). Von den astronomisch hohen Schutzgeldforderungen wollte der Präsident der Region Sizilien, Salvatore Cuffaro, allerdings nichts wissen. Er forderte vom Generaldirektor der RAI, Flavio Cattaneo, eine "Reparations"-Sendung (mehr), die neben Mandelblüten und Tempeln auch das ökonomische Florieren der Insel zur Schau stellen solle. Unterstützung bekam Cuffaro von zwei Regierungs-Ministern (Carlo Giovanardi und Enrico La Loggia). Das zweite Programm der RAI ist diesem Wunsch nachgekommen - ungeachtet der Tatsache, dass Cuffaro in diesen Tagen wegen Begünstigung der Cosa Nostra in Palermo vor Gericht steht. Der Polit-Talk auf Bestellung wollte die Existenz der Mafia zwar keineswegs leugnen, ließ jedoch den Vorwurf durchblicken, dass jede Berichterstattung, die auf die dramatischen Hintergründe und Verstrickungen von Wirtschaft, Politik und organisierter Kriminaltät eingehe, doch letztlich der Mafia zu Gute komme. Als wäre eine seriöse Reportage über die Mafia ein Werbe-Spot für Cosa Nostra.

Der Richter Giovanni Falcone, den die Cosa Nostra 1992 ermordete, war davon überzeugt, dass ein Staat die Mittel hat, die Mafia zu besiegen, wenn er will. Von der Regierung Berlusconi allerdings kamen seit ihrem Amtsantritt noch keine deutlichen Signale, dass sie diese Ansicht teilt. Ganz im Gegenteil: Staatsanwälte und Richter erklärten in der Sendung Report, dass die Justizpolitik der Regierung dazu führt, dass der Kampf gegen Cosa Nostra und Camorra immer schwieriger wird.